(Teil IV)
Wir veröffentlichen hier den vierten und letzten Teil des Einleitungsreferats unseres Frühjahr-Seminars 2021 zur Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Hier gibt es den kompletten Text des Referats.
U. D.
Im Sog des Neoliberalismus
Der Untergang der stalinistischen Diktaturen in den 1990er Jahren verunsicherte viele der sich als links verstehenden Gewerkschafts-Funktionäre und -Mitglieder. Dagegen konnten die prokapitalistischen, sozialpartnerschaftlichen Strömungen diese Entwicklung nutzen, um ihren Einfluss auszubauen.
Dies war eine wichtige Voraussetzung für das weitere Eindringen neoliberaler Ideen in die Gewerkschaften und verstärkte deren bisherige Anpassung an die bürgerlich-kapitalistische Ideologie:
• Nicht der grundlegende Gegensatz von Kapital und Arbeit, sondern sozialpartnerschaftliches Mitverwalten, Co-Management und „Standortsicherung“ wurden für viele zum alternativlosen Handlungsleitfaden.
• Begriffe wie Kapitalismus, Kapitalist, Arbeiterklasse und Klassenkampf wurden fast vollständig durch Sozialstaat, Arbeitgeber, Arbeitnehmer sowie Sozial-, Tarif- und Betriebspartnerschaft ersetzt.
• Bei betrieblichen Konflikten und Streiks wurde von vornherein auf „partnerschaftliche“ und für beide Seiten „tragfähige“ Lösungen orientiert.
Dazu passend sprach sich der Deutsche Gewerkschaftsbund 1996 in seinem Grundsatzprogramm für die „sozial regulierte Marktwirtschaft“ aus. Im Gegensatz zum Kapitalismus schaffe diese angeblich die Möglichkeit, die bestehenden Interessensgegen- sätze auszugleichen.
Auch wenn die Angriffe von Regierung und Kapital auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der arbeitenden Klasse in den letzten 25 Jahren das Gegenteil belegen und sich die Interessensgegensätze zugespitzt haben, ist dies bis heute die offizielle Position der Gewerkschaften.
Neoliberalismus heißt Generalangriff
Neoliberalismus bedeutet rücksichtslose Politik im Interesse der besitzenden Klassen und Generalangriff auf alle Arbeits- und Lebensbereiche der arbeitenden Klasse:
• Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben
• Angriffe auf die sozialen Sicherungssysteme
• Individualisierung, und Schwächung von Solidarität und Gewerkschaften
• Permanente „Reorganisation“, Arbeitsverdichtung, Flexibilisierung, Zerstörung des Normalarbeitsverhältnisses, prekäre Beschäftigung usw.
• Aufspaltung von Unternehmen in kleinere Einheiten und damit auch die Spaltung der Belegschaften
• „Aufsaugen“ von Betrieben durch global agierende Konzerne und damit die Anonymisierung des „Gegners“ mit weit entfernten Entscheidungszentren.
Die Gewerkschaften haben diese Entwicklung nicht massiv bekämpft, sondern auf die „Vernunft“ des Kapitals gehofft. Diese Politik des Zurückweichens hat das Bewusstsein der arbeitenden Klasse über ihre kollektive Kraft geschwächt, die Überzeugung von der Notwendigkeit einer Klassenorganisation untergraben und die gemein- same Gegenwehr sowie die Arbeit von Ver-trauensleuten und Betriebsräten erschwert.
Notwendige Erneuerungen
Die arbeitende Klasse ist von den Systemkrisen und der neoliberaler Politik massiv betroffen. Aber nur eine Minderheit sucht glaubwürdige antikapitalistische Antworten. In Teilen ist sie erneut anfällig für antigewerkschaftliche, autoritäre oder gar faschistische Ideen.
Die „neoliberalen“ Jahrzehnte haben daran massiven Anteil. Aber diese wären ohne die Niederlage der Novemberrevolution von 1918, den Sieg des Faschismus 1933, die stalinistische Diktatur in der DDR bis 1989 sowie der prokapitalistischen Rolle von Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbürokratie nicht möglich gewesen.
Dies zeigt, wie dringend eine politische Erneuerung der Gewerkschaften und ein Wiederaufbau einer politischen Bewegung der arbeitenden Klasse ist. Dafür ist die politische Arbeit in den Betrieben von zentraler Bedeutung, da sie in den „Brenn- kammern“ des kapitalistischen Systems stattfindet. Wesentlich ist dabei der Aufbau klassenkämpferische Kerne und Strömungen und deren solidarischer Vernetzung.
Warten wir nicht länger , sondern fangen wir heute damit an.