GDL-Streik – Rei­se mit kla­rem Ziel

R. G.

GDL-Streik in Mannheim, 11. Januar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

GDL-Streik in Mann­heim, 11. Janu­ar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Tarif­kon­flikt bei der Deut­schen Bahn – Wohin geht die Rei­se?“ Unter die­ser Über­schrift fand im Janu­ar 2024 der Info­abend der ISO Rhein-Neckar statt. Anlass war der neu­er­li­che Tarif­kampf zwi­schen Deut­scher Bahn AG (DB) und der Gewerk­schaft Deut­scher Loko­mo­tiv­füh­rer (GDL).

Als Refe­rent zu Gast war Dan­ny Gross­hans (2. stell­ver­tre­ten­der Bezirks­vor­sit­zen­der der GDL Süd-West). Er infor­mier­te fak­ten­reich über die Hin­ter­grün­de, Zie­le und den aktu­el­len Stand der lau­fen­den Tarif­aus­ein­an­der­set­zung. Er ent­schul­dig­te sich zu Beginn dafür, dass er sich wegen des arbeits- und zeit­in­ten­si­ven Streiks nicht vor­be­rei­ten konn­te. Doch von einer feh­len­den Vor­be­rei­tung war bei sei­nem infor­ma­ti­ven Vor­trag nichts zu spüren.

Blick zurück
Dan­ny Gross­hans gab einen Über­blick über die GDL-Geschich­te der letz­ten 30 Jah­re bis hin zum aktu­el­len Streik. Die GDL ist aus his­to­ri­schen Grün­den Mit­glied im Deut­schen Beam­ten­bund, da frü­her die Lok­füh­rer ver­be­am­tet waren. Dies hat sich nach der Fusi­on von DDR-Reichs­bahn und BRD-Bun­des­bahn zur Bahn AG 1994 und der Bahn-Pri­va­ti­sie­rung ver­än­dert. Heu­te sind vie­le Lok­füh­rer Tarifangestellte.

Bekannt­lich gibt es eine wei­te­re Eisen­bahn­ge­werk­schaft, die im DGB orga­ni­sier­te Eisen­bahn- und Ver­kehrs­ge­werk­schaft (EVG). Ursprüng­lich bil­de­ten EVG und GDL eine Tarif­ge­mein­schaft. Da aber die GDL klei­ner als die EVG war, wur­den ihre Zie­le und Inter­es­sen bei den Tarif­ab­schlüs­sen nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt. Als Anfang der 2000er Jah­re die Lok­füh­rer bei DB-Regio schlech­ter gestellt wer­den soll­ten als bei DB-Car­go, stimm­te die GDL dem nicht zu. Seit­dem gehen GLD und EVG getrenn­te Wege und ste­hen in direk­ter Kon­kur­renz zueinander.

Kampf­erfah­ren und streikbereit
2007 kam es zum ers­ten gro­ßen GDL-Streik mit dem der ers­te Tarif­ver­trag für Lok­füh­rer durch­ge­setzt wur­de. Beim zwei­ten Streik 2011 wur­de für die Lok­füh­rer ein Rah­men­ver­trag bezüg­lich Arbeits­zeit und Ver­gü­tung durch­ge­setzt. Die­ser sorg­te mit Über­gangs­fris­ten bis 2022 dafür, dass die Lok­füh­rer – unab­hän­gig vom jewei­li­gen Bahn­un­ter­neh­men – finan­zi­ell „gleich­ge­stellt“ sind. In der Tarif­run­de 2014/15 kam es erneut zu Streiks. Dies­mal ging es um einen Tarif­ver­trag für Zug­be­glei­ter, von denen seit Anfang der 2000er Jah­re immer mehr Mit­glied in der GDL wurden.

In der Fol­ge die­ses Streiks wur­de 2015 das Tarif­ein­heits­ge­setz ver­ab­schie­det, wel­ches von der DB AG ab 2021 ange­wandt wur­de. Dies zwang die GDL, sich für alle Berufs­grup­pen zu öff­nen, um auf Dau­er tarif­fä­hig zu blei­ben und somit auch in Zukunft die Inter­es­sen ihrer Mit­glie­der wirk­sam durch­set­zen zu können.

Aktu­ell sind in rund 70 der 400 DB-Betrie­be sowohl GDL als auch EVG ver­tre­ten. Auf Grund­la­ge des Tarif­ein­heits­ge­set­zes habe die EVG ein­sei­tig „ent­schie­den“, dass die GDL ledig­lich in 16 Betrie­ben zustän­dig sei. Die DB teilt die­se EVG-Posi­ti­on. Seit rund 2,5 Jah­ren führt die GDL dage­gen ein arbeits­ge­richt­li­ches Ver­fah­ren. Aber bis heu­te gibt es dazu kein Urteil.

Fal­sches Spiel der Deut­schen Bahn AG
Die GDL for­dert bei einer Lauf­zeit von 12 Mona­ten 555 Euro Ent­gelt­er­hö­hung, höhe­re Schicht­zu­la­gen, höhe­re Aus­bil­dungs­ver­gü­tun­gen, die 35-Stun­den- und die 5-Tage-Woche für Schicht­ar­bei­ten­de, eine Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie von 3.000 Euro und 5 Pro­zent Unter­neh­mens­an­teil an der betrieb­li­chen Altersvorsorge.
Auf Grund­la­ge die­ser For­de­rung konn­te die GDL bei 18 pri­va­ten Bahn­un­ter­neh­men inzwi­schen Tarif­ab­schlüs­se erzie­len. Ver­ein­bart wur­de eine Lohn­er­hö­hung von 420 Euro, die 5-Tage-Woche, die bis 2028 stu­fen­wei­se Ein­füh­rung der 35-Stun­den-Woche und eine Lauf­zeit von 24 Monaten.

Wenn man von den ursprüng­li­chen GDL-For­de­run­gen aus­geht, zeigt dies, so Kol­le­ge Gross­hans, dass die GDL ent­ge­gen der Behaup­tung von Bahn-Vor­stand und Poli­tik kom­pro­miss­be­reit ist. Aber gera­de bei den Unter­neh­men in öffent­li­cher Hand, der DB und der City-Bahn Chem­nitz, wer­de die­ser Kom­pro­miss blockiert. 
Im Gegen­teil, das von der DB öffent­lich­keits­wirk­sam vor­ge­leg­te „Ange­bot“ war eine Pro­vo­ka­ti­on. Unter ande­rem beinhal­te­te die­ses „Ange­bot“ die 37-Stun­den-Woche, aber nur wenn Per­so­nal zur Ver­fü­gung steht, und 13 % Pro­zent mehr Geld, aber nur wenn 38 Stun­den gear­bei­tet wer­den. Dies war im Ver­gleich zu den Tarif­ab­schlüs­sen bei den Pri­va­ten deut­lich schlech­ter und damit für die GDL nicht annehm­bar. Dar­um blieb der GDL kei­ne ande­re Wahl als den 6-tägi­gen Streik auszurufen.

Angrif­fe auf GDL und Streikrecht
Der GDL-Streik wird dezen­tral orga­ni­siert. Dabei ist auf­grund der Betriebs­struk­tur die Streik-Situa­ti­on für die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen sehr unter­schied­lich. Manch­mal strei­ken 5 Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, manch­mal 40. Aber es gibt auch Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, die an ihrem Ein­zel­ar­beits­platz allei­ne strei­ken. Die­se wer­den von ihren Vor­ge­setz­ten teil­wei­se mas­siv unter Druck gesetzt oder gar bedroht. Aber bis­lang ste­he die Streikfront.

Auch die öffent­li­chen und zum Teil per­sön­li­chen Anfein­dun­gen und Dro­hun­gen gegen­über der GDL, ihrer Füh­rung und der Mit­glied­schaft, hät­ten den gewerk­schaft­li­chen Zusam­men­halt nicht unter­gra­ben kön­nen, son­dern wei­ter gestärkt.

Inten­si­ve Diskussion …
In der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on zeig­ten sich die Teil­neh­men­den beein­druckt von der Kampf­be­reit­schaft, Klar­heit und Ent­schie­den­heit der GDL und ihrer Mit­glie­der und bezeich­ne­ten die­se als bei­spiel­haft für alle Gewerkschaften.

Offen und soli­da­risch wur­den vie­le Aspek­te die­ses Tarif­kon­flikts ange­spro­chen. Zum Bei­spiel die öffent­li­che Kam­pa­gne, dass die GDL mit ihrem Streik der Wirt­schaft scha­de und die Ver­kehrs­wen­de aus­brem­se. Dass inzwi­schen unter ande­rem von Jens Spahn (CDU) eine wei­te­re Ein­schrän­kung des Streik­rechts dis­ku­tiert wer­de. Oder dass die Blo­cka­de des DB-Vor­stands als Ver­such gese­hen wird, die GDL an die Wand zu drü­cken und dau- erhaft zu schwächen.

Meh­re­re Bei­trä­ge gin­gen auch auf die gesund­heit­li­chen Belas­tun­gen durch die Schicht­ar­beit im Bahn­be­trieb ein. Nicht zuletzt wur­de die von GDL-Mit­glie­dern gegrün­de­te Leih­ar­beits-Genos­sen­schaft Fair-Train e. G. kri­tisch hin­ter­fragt und eine Zusam­men­ar­beit mit der Kli­ma­be­we­gung als not­wen­dig angesehen.

… und Solidarität
Die Teil­neh­men­den waren sich einig, dass die­ser Tarif­kampf für die gesam­te arbei­ten­de Klas­se und die Gewerk­schafts­be­we­gung von Bedeu­tung ist. Des­halb sei es not­wen­dig, die GDL soli­da­risch zu unter­stüt­zen. Zum Bei­spiel durch Teil­nah­me an Streik­ver­samm­lun­gen und Kund­ge­bun­gen der GDL sowie Auf­klä­rung und Dis­kus­si­on über den Streik und sei­ne Zie­le im eige­nen Arbeits- und Lebens­um­feld. Ins­be­son­de­re muss in den DGB-Gewerk­schaf­ten Soli­da­ri­tät mit dem Streik und eine kämp­fe­ri­sche Poli­tik gefor­dert werden.


Tarif­ein­heits­ge­setz (TEG)

Das TEG aus dem Jahr 2015 regelt, dass in einem Unter­neh­men aus­schließ­lich der Tarif­ver­trag der größ­ten Gewerk­schaft im Unter­neh­men gül­tig ist. Es ist kein Muss-Gesetz, son­dern kann vom Unter­neh­men oder der „Mehrheits“-Gewerkschaft genutzt wer­den. Die­ses Gesetz wur­de unter der SPD-Arbeits­mi­nis­te­rin Nah­les ver­ab­schie­det und skan­da­lö­ser Wei­se von den DGB-Gewerk­schaf­ten mit Aus­nah­me von ver.di, NGG und GEW begrüßt. Es hat nur einen Zweck: Es soll klei­ne und kämp­fe­ri­sche Gewerk­schaf­ten wie die GDL, Cock­pit oder den Mar­bur­ger Bund hand­lungs­un­fä­hig machen und die Vor­herr­schaft der gro­ßen DGB-Gewerk­schaf-ten sichern.

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Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2024
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