Gre­ta Thun­berg als „uner­wünsch­te Person“

Eine „aus­ge­wie­se­ne Anti­se­mi­tin“ in Mannheim?

 

Greta Thunberg in Mannheim, 6. Dezember 2024. (Foto: Helmut Roos.)

Gre­ta Thun­berg in Mann­heim, 6. Dezem­ber 2024. (Foto: Hel­mut Roos.)

Am 6. Dezem­ber 2024 sprach Gre­ta Thun­berg bei der von Zay­touna Rhein-Neckar orga­ni­sier­ten Ver­an­stal­tung „Inter­na­tio­na­le Soli­da­ri­tät mit Paläs­ti­na und der Klima-Bewegung“.

Rund 1.000 Men­schen waren auf den Mann­hei­mer Mark­platz gekom­men, um ihr und ande­ren Redner:innen zuzu­hö­ren. Beglei­tet war der Auf­tritt der Initia­to­rin der Fri­days for Future von einer mas­si­ven Hetz­kam­pa­gne diver­ser Medi­en und pro­zio­nis­ti­scher Kräf­te. Gre­ta wur­de getreu der deut­schen „Staats­rä­son“ wegen ihrer isra­el­kri­ti­schen Hal­tung als „Anti­se­mi­tin“ dif­fa­miert. Wir doku­men­tie­ren des­halb im Fol­gen­den zen­tra­le, aus dem Eng­li­schen über­setz­te Pas­sa­gen ihrer Podiumsbeiträge.*

Es berei­tet mir wirk­lich Bauch­schmer­zen, wenn es soge­nann­te Klimaaktivist:innen gibt, die vor­ge­ben, sich um die Men­schen­rech­te zu küm­mern, wäh­rend sie den Völ­ker­mord in Paläs­ti­na und das Leid, von dem das paläs­ti­nen­si­sche Volk seit Jahr­zehn­ten betrof­fen ist, aktiv igno­rie­ren. Es ist purer Ras­sis­mus zu glau­ben, dass man das Leid eini­ger Men­schen igno­rie­ren und vor­ge­ben kann, für ande­re zu kämpfen.

Ich kann nur für mich selbst spre­chen, aber ich bin eine Kli­ma­ak­ti­vis­tin, weil ich mich um das Wohl­erge­hen der Men­schen, […] weil ich mich um den Pla­ne­ten und die Men­schen küm­me­re. Dar­auf läuft es hin­aus. Ob es die Kli­ma­kri­se ist, die Umwelt­zer­stö­rung, die Krie­ge, die Unter­drü­ckung, die Apart­heid, die Besat­zung, der Völ­ker­mord, die Ungleich­heit. Was auch immer die Ursa­che für mensch­li­ches Leid ist, wir alle haben die Pflicht, aktiv gegen die­se Ent­wick­lung zu kämpfen.

Es ist das­sel­be Sys­tem, das die Men­schen zum Bei­spiel im Kon­go, im Sudan und in Paläs­ti­na unter­drückt, das­sel­be extrak­ti­ve, extrem ras­sis­ti­sche, aus­beu­te­ri­sche Sys­tem, das auch das Kli­ma und die Bio­sphä­re rui­niert. Wenn wir also über das Kli­ma reden, […] müs­sen wir auch über die ande­ren Kämp­fe spre­chen, sonst sind wir nur Aktivist:innen, die vor­ge­ben, sich um irgend­et­was zu küm­mern, ohne tat­säch­lich das zu tun, was wir predigen. […] 
Ich mei­ne, ers­tens ist es empö­rend, dass wir über­haupt klar­stel­len müs­sen, dass der Staat Isra­el in kei­ner Wei­se das jüdi­sche Volk reprä­sen­tiert. Und dass Kri­tik am israe­li­schen Staat, der ver­ant­wort­lich ist für Apart­heid, Besat­zung und Völ­ker­mord, Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit und stän­di­ge Ver­let­zung des Völ­ker­rechts, in kei­ner Wei­se Hass gegen das jüdi­sche Volk ist.

Es ist äußerst beun­ru­hi­gend und besorg­nis­er­re­gend, dass jeder, der sich gegen den Staat Isra­el aus­spricht und sagt, die­ser soll­te den Völ­ker­mord stop­pen und auf­hö­ren, Zivi­lis­ten und Kin­der zu bom­bar­die­ren, des Anti­se­mi­tis­mus beschul­digt wird. Das ist alles nur eine Ver­wäs­se­rung des Begriffs Anti­se­mi­tis­mus. Anti­se­mi­tis­mus ist ein sehr erns­tes Pro­blem […]. Aber wenn man das Trau­ma und das Leid einer Min­der­heit aus­nutzt, um einen ande­ren Völ­ker­mord zu legi­ti­mie­ren, dann feh­len mir die Wor­te […] Ich kann nicht in Wor­te fas­sen, wie herz­zer­rei­ßend und ent­setz­lich das ist, und das hat so vie­le ver­schie­de­ne Ebenen.

Greta Thunberg in Mannheim, 6. Dezember 2024. (Foto: Helmut Roos.)

Gre­ta Thun­berg in Mann­heim, 6. Dezem­ber 2024. (Foto: Hel­mut Roos.)

Nur um ein per­sön­li­ches Bei­spiel zu nen­nen: Seit ich fünf­zehn Jah­re alt bin, wer­de ich jeden Tag von zahl­lo­sen Hass­kam­pa­gnen und Dro­hun­gen heim­ge­sucht. Das ist also nichts Neu­es. Aber genau die­sel­ben Leu­te, die mich, weil ich Gerech­tig­keit und Frei­heit für Paläs­ti­na for­de­re, eine Anti­se­mi­tin nen­nen, haben in den letz­ten sechs Jah­ren Leu­te ver­ach­tet, die behaup­te­ten, ich wür­de von einer jüdi­schen Eli­te kon­trol­liert, was rei­ner Anti­se­mi­tis­mus war.

Dies ist nur eines der vie­len Bei­spie­le dafür, wie sie das Nar­ra­tiv benut­zen und kapern, wie sie es kid­nap­pen, so dass es ihnen nützt. […] Es ist also ein sehr, sehr stra­te­gi­scher Weg für sie, dies zu tun, […] seht ein­fach die Fak­ten und kon­zen­triert Euch wei­ter­hin auf die Wis­sen­schaft. Und wer will mir sagen, dass die Tat­sa­che, dass es ein Völ­ker­mord ist und dass wir Gerech­tig­keit für alle benö­ti­gen, kei­ne Tat­sa­che ist?

Alle inter­na­tio­na­len glaub­wür­di­gen Orga­ni­sa­tio­nen, die UNO, der Inter­na­tio­na­le Straf­ge­richts­hof [IStGH], […] alle sagen, dass dies ein Völ­ker­mord ist, dass es Apart­heid ist, dass es eine Besat­zung ist und damit gegen inter­na­tio­na­les Recht ver­stößt […], und glaubt mir, die UNO ist die am wenigs­ten radi­ka­le Orga­ni­sa­ti­on der Welt.

Wenn wir nicht ein­mal auf das hören kön­nen, was sie sagen, was sind dann die Fak­ten, auf die wir hören soll­ten, wenn der IStGH Haft­be­feh­le gegen Ben­ja­min Netan­ja­hu und ande­re aus­ge­stellt hat? […] Deutsch­land ist eines der Län­der, die nicht sagen, ob sie ihn ver­haf­ten wer­den, wenn er hier­her­kommt, und das obwohl Deutsch­land ein Mit­glied des inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hofs ist. So ver­letzt man die grund­le­gen­den Prin­zi­pi­en, auf denen das inter­na­tio­na­le Recht auf­baut, um wei­ter­hin einen Völ­ker­mord zu bege­hen und sei­ne Macht­po­si­ti­on zu erhal­ten und die­ses extrem ras­sis­ti­sche Busi­ness as usu­al fort­zu­set­zen, bei dem unzäh­li­ge paläs­ti­nen­si­sche Leben geop­fert wer­den. Es ist empö­rend. Uns allen gehen die Wor­te aus, um zu beschrei­ben, was der­zeit pas­siert, ich kann nicht dar­über spre­chen, ohne Schimpf­wör­ter zu benutzen […]“


* [Über­set­zung einer Auf­zeich­nung aus dem Eng­li­schen und redak­tio­nel­le Bear­bei­tung U. D. und H. N.]

Vor­ab-Ver­öf­fent­li­chung aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2025
Tagged , , , , , , . Bookmark the permalink.