Plädoyer für einen sehr beeindruckenden Film
A. N.
Am 14. August 2025 zeigte das Atlantis-Kino in Mannheim auf Anstoß der Initiative Soziale Kämpfe den Dokumentarfilm „Als die Sonne vom Himmel fiel“. Die Filmemacherin Aya Domenig begibt sich darin auf die Suche nach den zeitlebens verschwiegenen Erfahrungen ihres Großvaters im Rot-Kreuz-Krankenhaus Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe durch die US-Luftwaffe.

„Japan, jetzt bist Du dran!“ – US-Propaganda 1945. (Foto: Gemeinfrei.)
„10 Tage später kam er wieder nach Hause. Doch er erzählte gar nichts. Nur dass es eine Bombardierung gegeben hätte“. So beschreibt Domenig die Sprachlosig- keit ihres Großvaters.
Die Sprachlosigkeit und das Schweigen
Als Arzt war er am Morgen des 6. August 1945 wie jeden Tag mit dem ersten Zug nach Hiroshima gefahren. Als die Bombe die Stadt traf, saß er im Zug nur wenige Kilometer vor Hiroshima. Zu Fuß bahnte er sich seinen Weg durch die brennende und fast völlig zerstörte Stadt zum Rot-Kreuz-Krankenhaus, wo er die Verwundeten und die Sterbenden behandelte.
Darüber gesprochen hat er bis zu seinem Tod nicht, wie so viele der Überlebenden. Das Trauma, das Unwissen und das Verbot der US-amerikanischen Besatzung, über die Auswirkungen des Bombenabwurfs zu sprechen, standen einer Aufarbeitung des Geschehenen im Weg. Die Sprachlosigkeit angesichts des Unfassbaren ging schleichend in das politische Schweigen und Verdrängen über.
Spurensuche in Vergangenheit und Gegenwart
Die zwei Protagonist:innen des Films – ebenfalls an der medizinischen Versorgung nach dem Atombombenabwurf beteiligt – fügen sich nicht in das von oben verordnete Schweigen. Chizuko Uchida, eine gelernte Krankenschwester, sowie Shuntaro Hida, ein Arzt, machen es sich zur Lebensaufgabe, über die Folgen des Atombombenangriffs, aber auch die Risiken der „friedlichen“ Nutzung der Atomenergie zu informieren.
Mit ihnen begibt Domenig sich auf die bewegende Spurensuche nach ihrem Großvater und ihrer Familiengeschichte. Gleichzeitig dokumentiert sie die Geschichte einer ganzen Generation und eines monströsen Kriegsverbrechens der USA.
Die Atomkatastrophe von Fukushima – 2011 in der Zeit der Filmproduktion – lässt an der Aktualität des Films keine Zweifel, zumal die Gefahr eines Atomkriegs keineswegs gebannt ist, sondern wieder bedrohlich zunimmt.
Während diese Problematik in der Abstraktion weitestgehend bekannt sein sollte, schafft der Film etwas, was keine Kriegspropaganda, aber auch keine Antikriegs-Argumentation in dieser Weise erreichen kann: Im Film begegnen wir echten Menschen, deren Leben durch diesen einen Moment im August 1945 für immer verändert wurde. Die einen Schrecken erlebt haben, der sich nicht in Worte fassen lässt. Und die trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – nicht aufgeben, gegen die Nutzung der Atomkraft im Militärischen wie im Zivilen zu kämpfen.
Von der Sprachlosigkeit zum Widerstand
Diese Willenskraft ist es, die aus einem Gefühl tiefer Bedrückung zu Beginn des Films eine Wendung zu Kraft und Widerstand vollzieht. Die beiden sehr alten, aber hellwachen Protagonist:innen leben uns vor, wie sie sich in Folge der direkten Konfrontation mit den tiefsten Abgründen eines unmenschlichen Systems aus der Ohnmacht befreien. Dies gelingt ihnen dadurch, dass sie sich die Abschaffung dieser zerstörerischen Kraft zur Lebensaufgabe machen. In dem Film nehmen sie uns mit auf ihrem Weg von der sprachlosen Ohnmacht in die ermutigende und kraftvolle Widerständigkeit. Welch ein Vorbild!