Kli­ma­ka­ta­stro­phe oder Sozialismus

Alter­na­ti­ven zur „Alter­na­tiv­lo­sig­keit“

(Theo­rie­bei­la­ge zur Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2019)

Manu­el Kellner

Der jüngs­te Bericht des Welt­kli­ma­rats erklärt, wie not­wen­dig dras­ti­sche Maß­nah­men sind, um die Erwär­mung der Erd­at­mo­sphä­re bis zum Ende des Jahr­hun­derts auf 1,5 Grad Cel­si­us ein­zu­däm­men. Sogar das wäre noch viel. Die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels machen sich ja schon heu­te dra­ma­tisch bemerk­bar. Um das Ziel zu errei­chen, müs­sen die glo­ba­len CO2-Emis­sio­nen bis 2030 um 45 Pro­zent zurück­ge­fah­ren werden.

Der Welt­kli­ma­rat (IPCC – Inter­go­vern­men­tal Panel on Cli­ma­te Chan­ges) drückt unbe­zwei­fel­bar den Stand der gege­be­nen wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se zum Kli­ma­wan­del aus. 91 Haupt­au­torIn­nen aus 40 Län­dern und wei­te­re 130 renom­mier­te Wis­sen­schaft­le­rIn­nen mit Bei­trä­gen zu ein­zel­nen Kapi­teln haben an dem vor­lie­gen­den Son­der­be­richt mit­ge­ar­bei­tet. Nur Idio­ten, Betrü­ger und gekauf­te Sub­jek­te kön­nen die Aus­sa­gen der „für Ent­schei­der“ kon­den­sier­ten Berich­te des IPCC leugnen.

Um die genann­ten Kli­ma­zie­le zu errei­chen, müss­ten vor allem min­des­tens 80 Pro­zent der ver­blie­be­nen fos­si­len Ener­gie­trä­ger in der Erde blei­ben. Doch die Vor­kom­men von Erd­öl, Erd­gas, Stein­koh­le und Braun­koh­le sind ein immenser Teil des Kapi­tals der Ener­gie­kon­zer­ne. Die kämp­fen mit Zäh­nen und Klau­en für ihre Pro­fi­te. Dafür sind sie zum Bei­spiel bereit, die lau­fen­de Ver­nich­tung der bei­den Polar-Regio­nen sogar noch aktiv vor­an­zu­trei­ben, indem sie sie ihn in Emmen­ta­ler Käse ver­wan­deln. Statt Pin­gui­nen und Eis­bä­ren haben wir dann höchs­tens noch Non­nen und Bipo­lar­bä­ren auf Bett­be­zü­gen – und auch das nicht mehr lange.

Kon­zern­macht brechen

Es liegt also nahe, dass die Macht die­ser Kon­zer­ne gebro­chen wer­den muss, um die Kli­ma­zie­le durch­zu­set­zen. Öko­lo­gi­sche und sozia­lis­ti­sche Poli­tik ist dem­nach anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Poli­tik. Sie zielt auf eine gesell­schafts­po­li­ti­sche Umwäl­zung ab, die zu einer ganz ande­ren Wirt­schafts­wei­se führt. Nicht mehr nach den Maß­stä­ben des Pro­fits, son­dern im Sin­ne der mensch­li­chen Bedürf­nis­se und der öko­lo­gi­schen Ver­ant­wor­tung für die kom­men­den Gene­ra­tio­nen und die Natur muss gehan­delt werden.

Not­wen­dig ist das Unmögliche

In vie­len Berei­chen ist unklar, ob der Pro­zess der Zer­stö­rung der Erde und unse­rer natür­li­chen Leben­grund­la­gen nicht bereits unum­kehr­bar ist. Das gilt für die Erwär­mung der Erd­at­mo­sphä­re selbst, für das Abschmel­zen der Pol­kap­pen, den Anstieg des Mee­res­spie­gels, die dra­ma­ti­sche Ero­si­on der Arten­viel­falt, des bebau­ba­ren Bodens, des trink­ba­ren Was­sers und vie­ler Res­sour­cen vom Bau­sand bis zu den Sel­te­nen Erden.

Um zu ret­ten, was noch zu ret­ten ist, brau­chen wir kein Flick­werk, son­dern eine glo­ba­le Revo­lu­ti­on – begin­nend mit einer Revol­te der Jugend für eine lebens­wer­te Welt, der gegen­über die Revol­te der spä­ten 60er Jah­re ein Stuhl­kreis im Kin­der­gar­ten war.

Ver­ge­sell­schaf­tung der Energiewirtschaft

Wir brau­chen die umge­hen­de Ver­ge­sell­schaf­tung der Ener­gie­wirt­schaft, um mit der Ver­bren­nung der fos­si­len Ener­gien Schluss machen und um aus der Atom­kraft end­gül­tig aus­stei­gen zu kön­nen. Ins­be­son­de­re ist die radi­ka­le Ein­spa­rung von Ener­gie erfor­der­lich. Zudem muss der schnellst- und best­mög­li­che Umstieg auf mög­lichst dezen­tral und effi­zi­ent orga­ni­sier­te Ener­gie­pro­duk­ti­on mit erneu­er­ba­ren Ener­gien durch­ge­setzt werden.

Für den Über­gang dazu muss die Gesell­schaft die direkt-demo­kra­ti­sche Kon­trol­le des Finanz- und Kre­dit­we­sens über­neh­men. Nur so kön­nen die gro­ßen Zukunfts­in­ves­ti­tio­nen des öko­lo­gi­schen Umbaus gesell­schaft­lich geplant und kon­trol­liert werden.

Protestaktion bei der Hauptversammlung von RWE am 26. April 2018 in Essen (Foto: Avanti²)

Pro­test­ak­ti­on bei der Haupt­ver­samm­lung von RWE am 26. April 2018 in Essen (Foto: Avanti²)

Die natür­li­chen Res­sour­cen ein­schließ­lich des Grund und Bodens dür­fen nicht län­ger als Mit­tel der pri­va­ten Berei­che­rung miss­braucht wer­den. Unnö­ti­ge und schäd­li­che Pro­duk­tio­nen – ange­fan­gen bei der Her­stel­lung von Kriegs­waf­fen – müs­sen ein­ge­stellt wer­den. Öko­lo­gisch nicht ver­ant­wort­ba­re Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren, Pro­dukt­li­ni­en und Trans­por­te müs­sen eben­so auf­hö­ren wie die inten­si­ve Land­wirt­schaft mit ihren Mono­kul­tu­ren. Die Mega­städ­te müs­sen zurück­ge­baut und die umfas­sen­de Umge­stal­tung des Raums in Stadt und Land im Sin­ne zuträg­li­cher Lebens­ver­hält­nis­se und kur­zer Wege im All­tag muss sofort in Angriff genom­men werden.

Das alles ist nur vor­stell­bar mit einer auf demo­kra­ti­scher Selbst­ver­wal­tung grün­den­den Wirt­schaft und der Ein­füh­rung einer ganz ande­ren, einer gerech­ten Welt­wirt­schafts­ord­nung. Sie ermög­licht die Wie­der­gut­ma­chung für 500 Jah­re kolo­nia­lis­ti­scher Bar­ba­rei, für impe­ria­lis­ti­sche Aus­plün­de­rung und Unter­drü­ckung. Dem rei­chen Teil der Erde bür­det sie nach dem Ver­ur­sa­cher­prin­zip die Haupt­last des öko­lo­gi­schen Umbaus auf. Sie schafft den Hun­ger und das Ster­ben an leicht heil­ba­ren Krank­hei­ten aus der Welt und beschränkt den welt­wei­ten Aus­tausch von Gütern auf das Unabdingbare.

Lebens­qua­li­tät als sozia­ler Reichtum

Der Reich­tum der Gesell­schaft bemisst sich dann an der Lebens­qua­li­tät und der frei­en Zeit aller Men­schen. Das ist die Zeit, über die wir frei ver­fü­gen – zur Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben, zur Teil­nah­me an der Selbst­ver­wal­tung und der poli­ti­schen Wil­lens­bil­dung, für die all­sei­ti­ge krea­ti­ve Ent­fal­tung unse­rer Anla­gen, für Genuss und Ruhe, Für­sor­ge und Liebe.

Eine sol­che umfas­sen­de Umwäl­zung erscheint ange­sichts der bestehen­den welt­wei­ten Kräf­te­ver­hält­nis­se als uto­pisch. Doch eben die­ses unmög­lich Schei­nen­de ist unum­gäng­lich not­wen­dig, wenn die Mensch­heit eine lebens­wer­te Zukunft haben und die natür­li­chen Grund­la­gen ver­tei­digt wer­den sollen.

Die Alter­na­ti­ve dazu ist der Zusam­men­bruch aller Zivi­li­sa­ti­on sogar in ihrer kapi­ta­lis­ti­schen Form zuguns­ten neu­er Skla­ven­hal­ter­ge­sell­schaf­ten unter der Herr­schaft eini­ger Kon­zer­ne und Kriegs­her­ren, die den blu­ti­gen End­kampf um die ver­blie­be­nen Res­sour­cen führen.

Bes­ser leben, bes­ser produzieren

Den Aktio­nen der Kli­ma­schutz­be­we­gung zum Bei­spiel im rhei­ni­schen Braun­koh­le­re­vier tre­ten heu­te von der IG BCE- und ver.di-Führung sowie kapi­tal­freund­li­chen Betriebs­rä­ten ver­führ­te Beschäf­tig­te ent­ge­gen. Im Namen der „Ver­tei­di­gung“ ihrer Arbeits­plät­ze machen sie mit den Kon­zern­bos­sen zum Bei­spiel bei RWE gemein­sa­me Sache.

GewerkschafterInnen für Klimaschutz bei der Großdemo am 06. Oktober am  Hambacher Forst (Foto: Avanti²)

Gewerk­schaf­te­rIn­nen für Kli­ma­schutz bei der Groß­de­mo am 06. Okto­ber am Ham­ba­cher Forst (Foto: Avanti²)

Tat­säch­lich ent­ste­hen immer wie­der Ziel­kon­flik­te zwi­schen unmit­tel­ba­ren Beschäf­tig­ten­in­ter­es­sen und öko­lo­gi­schen Not­wen­dig­kei­ten. Eine Kapi­tu­la­ti­on vor die­sen Wider­sprü­chen käme der Vor­stel­lung gleich, auch die Kriegs­waf­fen­pro­duk­ti­on – zum Bei­spiel aktu­ell für den Export nach Sau­di-Ara­bi­en – mit Ver­weis auf die davon hän­gen­den Arbeits­plät­ze zu rechtfertigen.

Auf dem ent­ge­gen­ge­setz­ten Pol die­ser Kon­flik­te den­ken immer noch vie­le Akti­ve der Kli­ma­schutz­be­we­gung, wir könn­ten die Lage grund­le­gend bes­sern, indem wir unser Kon­sum­ver­hal­ten ändern. So sehr die Anstren­gun­gen in die­ser Hin­sicht zu begrü­ßen sind, so begrenzt sind doch die Erfolgs­aus­sich­ten. Öko­lo­gisch halb­wegs kor­rekt und mensch­lich halb­wegs ver­tret­bar pro­du­zier­te Waren (egal ob Nah­rungs­mit­tel oder Klei­dungs­stü­cke) sind im Gro­ßen und Gan­zen nur für „Bes­ser­ver­die­nen­de“ erschwing­lich. Über­zeu­gungs­be­ding­te Aske­se ermög­licht das auch vor allem jun­gen Leu­ten im vol­len Saft ihrer Kräfte.

Nor­mal­ver­die­nen­de oder erst recht die vie­len an der Armuts­gren­ze leben­den Men­schen müs­sen in Dis­coun­tern und in den Geschäf­ten der Bil­lig­ket­ten ein­kau­fen. Sie sind auf die mög­lichst bil­li­gen Waren ange­wie­sen, die ihnen dort ange­bo­ten werden.

Über den Tel­ler­rand schauen

Das soge­nann­te unmit­tel­ba­re Klas­sen­in­ter­es­se sei­ner­seits ist oft nur ein schein­ba­res Klas­sen­in­ter­es­se. Es bringt das beschränk­te Inter­es­se die­ses oder jenes meist ver­gleichs­wei­se pri­vi­le­gier­ten Teils der abhän­gig Beschäf­tig­ten zum Ausdruck.

Ein ent­wi­ckel­tes poli­ti­sches Klas­sen­be­wusst­sein erfor­dert einen Pro­blem­ho­ri­zont, der weit über den eige­nen Tel­ler­rand hin­aus­weist. Es wird daher immer danach stre­ben, die unmit­tel­ba­ren Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten die­ses oder jenes Teil­be­reichs mit dem aller Beschäf­tig­ten, Aus­ge­beu­te­ten und Unter­drück­ten zu ver­bin­den. Dazu gehört selbst­ver­ständ­lich die Auf­leh­nung gegen die Ver­nich­tung unse­rer natür­li­chen Lebensgrundlagen.

Unser Ver­hal­ten als Kon­su­men­tIn­nen ändert sich erst grund­le­gend mit dem Ange­bot an Waren und Dienst­leis­tun­gen, das wir vor­fin­den. Bür­ger­li­che Sozio­lo­gIn­nen reden uns in Wider­spruch zur Rea­li­tät ein, dass es eine Arbei­te­rIn­nen­klas­se eigent­lich gar nicht mehr geben wür­de. Wir wis­sen aber doch, dass die ins Unge­heu­re ange­wach­se­ne Mas­se von Waren und Dienst­leis­tun­gen von den Arbei­ten­den pro­du­ziert wird. In ihrer poten­zi­el­len Macht liegt es also, in mensch­lich und öko­lo­gisch ver­ant­wort­li­cher Wei­se unschäd­li­che und nütz­li­che Pro­duk­te herzustellen.

Solan­ge die Beschäf­tig­ten ein­fach blind­lings den Befeh­len ihrer Bos­se fol­gen, wird sich dar­an nichts ändern. Erst wenn sie sich orga­ni­sie­ren, wenn sie sich Zeit neh­men zu bera­ten und wenn sie über die mit ihrer Arbeits­kraft erzeug­ten Pro­duk­te ent­schei­den wol­len, kön­nen sich die Kräf­te­ver­hält­nis­se grund­le­gend ver­än­dern. Erst dann begin­nen öko­lo­gi­sche und sozia­lis­ti­sche Vor­stel­lun­gen rea­lis­tisch zu werden.

Umris­se eines Aktionsprogramms

Weder am grü­nen noch am „rot-rot-grü­nen“ Tisch kann eine sol­che Per­spek­ti­ve Wirk­lich­keit wer­den. Wirk­li­che Bewe­gun­gen und Kämp­fe der Aus­ge­beu­te­ten und Unter­drück­ten sowie der ler­nen­den Jugend für ihre Exis­tenz­be­din­gun­gen und für eine lebens­wer­te Zukunft sind ent­schei­dend. Sie allein kön­nen den Gra­ben zuschüt­ten, der unmit­tel­ba­re Teil­in­ter­es­sen in die­sem oder jenem Bereich von all­ge­mei­nen und gemein­sa­men Inter­es­sen der gro­ßen kapi­tal­frei­en Mehr­heit der Gesell­schaft abtrennt.

Sol­che Mobi­li­sie­run­gen von unten ent­ste­hen nicht aus der Zustim­mung zu irgend­ei­nem all­ge­mei­nen Pro­gramm, son­dern immer nur anhand bestimm­ter For­de­run­gen und sehr kon­kre­ter und greif­ba­rer Zie­le. Öko­lo­gi­sche und sozia­lis­ti­sche Kräf­te müs­sen sich daher nicht nur über die all­ge­mei­nen Per­spek­ti­ven Gedan­ken machen. Sie müs­sen auch Teil- und Über­gangs- for­de­run­gen ent­wi­ckeln, die an unmit­tel­ba­ren Inter­es­sen und am gege­be­nen Bewusst­seins­stand anknüp­fen. Nur so kann auf soli­da­ri­sche Lösun­gen bren­nen­der Pro­ble­me ori­en­tiert werden.

Mas­sen­ak­tio­nen für sol­che Lösun­gen ent­fal­ten eine Dyna­mik zur prak­ti­schen Infra­ge­stel­lung der Macht des Kapi­tals, der ihr zugrun­de lie­gen­den Eigen­tums­ver­hält­nis­se und der dar­aus resul­tie­ren­den zer­stö­re­ri­schen Profitmaximierung.

Radi­ka­le Arbeitszeitverkürzung

Eine wich­ti­ge Rol­le kommt in einem sol­chen Akti­ons­pro­gramm in Deutsch­land und in Euro­pa einer neu­en Bewe­gung für eine radi­ka­le Arbeits­zeit­ver­kür­zung ohne Lohn­ein­bu­ßen und Arbeits­in­ten­si­vie­rung – also mit ent­pre­chen­den Neu­ein­stel­lun­gen – zu. Ergänzt wer­den muss dies um die Kon­ver­si­on aller schäd­li­chen und unver­ant­wort­li­chen Pro­duk­tio­nen unter Kon­trol­le der Beschäf­tig­ten in Zusam­men­ar­beit mit den Gewerk­schaf­ten und den Umweltschutzverbänden.

Der sofor­ti­ge Aus­stieg aus der Atom­ener­gie sowie aus der Aus­beu­tung und der Ein­fuhr fos­si­ler Brenn­stof­fe muss kom­bi­niert wer­den mit der For­de­rung nach einem umfas­sen­den öffent­li­chen Inves­ti­ti­ons­pro­gramm für die dras­ti­sche Ein­spa­rung von Ener­gie und das mög­lichst rasche Umsteu­ern auf erneu­er­ba­re Ener­gien. Die von Gewerk­schaf­ten, Umwelt­schutz­be­we­gung, den Grü­nen und lin­ken Orga­ni­sa­tio­nen in Eng­land gemein­sam getra­ge­ne Kam­pa­gne „One mil­li­on cli­ma­te jobs“ kann hier als Vor­bild dienen.

Sozia­les Mindesteinkommen

Auf sozia­lem Gebiet gehört die For­de­rung nach einem sank­ti­ons­frei­en Min­dest­ein­kom­men dazu, dass die Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben sichert. Das bedeu­tet auch die Ein­füh­rung eines gesetz­lich fest­ge­leg­ten Min­dest­lohns in einer Höhe, der eine aus­rei­chen­de Alters­si­che­rung ermöglicht.

Das Leben an und unter der Armuts­gren­ze kann in einem rei­chen Land wie Deutsch­land nicht wei­ter gedul­det wer­den. Das Abstel­len des elek­tri­schen Stroms für pri­va­te Haus­hal­te ist in unse­rer Gesell­schaft mit der Men­schen­wür­de eben­so wenig ver­ein­bar und muss ver­bo­ten wer­den. Das bedeu­tet die Ein­füh­rung eines kos­ten­lo­sen aus­rei­chen­den Grund­kon­tin­gents an pri­vat ver­brauch­ter Ener­gie – ergänzt um eine stu­fen­wei­se Pro­gres­si­on bei höhe­rem Verbrauch.

Umbau der Landwirtschaft

In der Land­wirt­schaft muss end­lich Schluss sein mit der hem­mungs­lo­sen Sub­ven­tio­nie­rung nach der Grö­ße der Anbau­flä­che. Das hat näm­lich die mas­si­ve Umwid­mung von frucht­ba­rem Boden für den Anbau von Fut­ter­mit­teln und damit für die Mas­sen­tier­hal­tung zur Fol­ge. Die Fleisch­pro­duk­ti­on und die Agro­in­dus­trie müs­sen mas­siv zurück­ge­fah­ren wer­den zuguns­ten der För­de­rung öko­lo­gi­scher Land­wirt­schaft, art­ge­rech­ter Tier­hal­tung und der Pro­duk­ti­on hoch­wer­ti­ger Lebens­mit­tel in fami­li­en­ge­führ­ten und genos­sen­schaft­li­chen Kleinbetrieben.

Das erfor­dert zugleich die Anpas­sung der Löh­ne an die Lebens­hal­tungs­kos­ten nach dem Maß­stab der Kos­ten­ent­wick­lung für die Güter des täg­li­chen Bedarfs, regel­mä­ßig fest­ge­stellt durch flä­chen­de­ckend orga­ni­sier­te Ver­brau­che­rIn­nen-Komi­tees. Sie stel­len in Zusam­men­ar­beit mit den Ver­brau­che­rIn­nen-Schutz­ver­bän­den die Prei­se für ent­spre­chend zusam­men­ge­stell­te typi­sche Waren­kör­be fest.

Umver­tei­lung von oben nach unten

Zur Finan­zie­rung des öko­lo­gi­schen und sozia­lis­ti­schen Umbau­pro­gramms bedarf es einer dras­ti­schen Umver­tei­lung von oben nach unten. Dafür brau­chen wir in Deutsch­land die Wie­der­ein­füh­rung der Ver­mö­gens­steu­er. Die­se beinhal­tet natür­lich einen Frei­be­trag, der der Oma ihr klei­nes Häus­chen unan­ge­tas­tet lässt. Die Rei­chen und Super­rei­chen müs­sen aber das, was ein Mensch bei halb­wegs ver­nünf­ti­gem Ver­hal­ten sowie­so nicht ver­kon­su­mie­ren kann, der Gesell­schaft zur Ver­fü­gung stel­len. Ergänzt wer­den muss dies um die Ein­füh­rung einer stark pro­gres­si­ven Ein­kom­mens­steu­er im sel­ben Sin­ne sowie um die Abschaf­fung der Besteue­rung der Güter des täg­li­chen Bedarfs. Die Mehr­wert­steu­er auf Luxus­gü­ter wür­de selbst­ver­ständ­lich beibehalten.

Natür­lich ist die­se Skiz­ze eines öko­lo­gi­schen und sozia­lis­ti­schen Akti­ons­pro­gramms eben­so unvoll­stän­dig wie in den Details mög­li­cher­wei­se zu Recht umstrit­ten. Sie soll nur die Metho­de ver­deut­li­chen, wie ein sol­ches Akti­ons­pro­gramm aus­se­hen könnte.

Wich­tig ist dabei, dass es nicht nur Maß­nah­men vor­schlägt, die von Regie­run­gen umge­setzt wer­den könn­ten. Es geht zugleich immer um die För­de­rung der Eigen­ak­ti­vi­tät und demo­kra­ti­schen Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on der abhän­gig Beschäf­tig­ten und der übri­gen kapi­tal­frei­en Mas­sen. Denn nur aus sol­chen von unten ent­ste­hen­den Orga­nen kann die sozia­lis­ti­sche Demo­kra­tie erwach­sen, die beru­fen ist, an die Stel­le des bestehen­den bür­ger­li­chen Staats und sei­ner vom Kapi­tal bestimm­ten Insti­tu­tio­nen zu treten.

Kli­ma­ge­rech­tig­keit und Internationalismus

Die Pro­ble­me des öko­so­zia­lis­ti­schen Umbaus im Rah­men eines Natio­nal­staats, einer Grup­pe von Staa­ten oder in nur einer Welt­re­gi­on zu lösen ist unmög­lich. Das springt ins Auge. Schon die Ver­nich­tung der natür­li­chen Lebens­grund­la­gen ist ja ein glo­ba­les Problem.

Natür­lich begin­nen rea­le Bewe­gun­gen im natio­nal­staat­li­chen Rah­men, und wir set­zen uns dafür ein, dass sie län­der­über­grei­fend wer­den in der jeweils gege­be­nen Welt­re­gi­on, zum Bei­spiel hier in Euro­pa. Aber das ist nicht alles.

Zum Kli­ma­schutz gehört die Kli­ma­ge­rech­tig­keit. Schon heu­te wer­den die Ärms­ten der Armen in der Welt am meis­ten von den Kli­ma­ka­ta­stro­phen getrof­fen. Sie ver­ur­sa­chen sie aber nicht. Ein wach­sen­der Teil der welt­wei­ten Migra­ti­ons­strö­me besteht bereits aus Kli­ma­flücht­lin­gen. Öko­lo­gi­sche und sozia­lis­ti­sche Lösun­gen müs­sen von die­ser Rea­li­tät aus­ge­hen und die Inter­es­sen der Ver­damm­ten die­ser Erde in den Mit­tel­punkt ihrer For­de­run­gen und Kam­pa­gnen stellen.

Das heißt aber nicht, dass öko­lo­gi­scher Sozia­lis­mus von den abhän­gig Beschäf­tig­ten der rei­chen und rei­che­ren Welt­re­gio­nen Ver­zicht im Rah­men einer „höhe­ren Moral“ for­dert. Es heißt viel­mehr, dass der Kampf gegen das glo­bal orga­ni­sier­te und han­deln­de Kapi­tal nur gewon­nen wer­den kann, wenn sich die Arbei­te­rIn­nen zusam­men mit allen Unter­drück­ten und Benach­tei­lig­ten ihrer­seits glo­bal zusam­men­schlie­ßen und welt­weit gemein­sam handeln.

Das klingt wie­der sehr groß­ar­tig und uto­pisch, fängt aber schon ganz kon­kret in klei­ne­ren Maß­stä­ben an. Die Hafen­ar­bei­ter haben gezeigt, wie wirk­sam inter­na­tio­na­le Koor­di­nie­rung in der Akti­on sein kann. Mensch stel­le sich vor, die über­wie­gend aus asia­ti­schen und den ärme­ren ost­eu­ro­päi­schen Län­dern stam­men­den Beschäf­tig­ten der gro­ßen Con­tai­ner- und Kreuz­fahrt­schif­fe wür­den zur gemein­sa­men Akti­on zusam­men­fin­den. Sei es für ihre ele­men­ta­ren sozia­len Rech­te oder für die Been­di­gung der kras­ses­ten mit die­ser Trans­port­wei­se ver­bun­de­nen Umweltsaue­rei­en. Das welt­wei­te Kräf­te­ver­hält­nis zwi­schen Kapi­tal und Arbeit wäre sehr schnell vom Kopf auf die Füße gestellt.

Soli­da­ri­tät statt Konkurrenz

Die kapi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­ons­wei­se ent­frem­det die arbei­ten­den Men­schen nicht nur von ihren Pro­duk­ti­ons­mit­teln, son­dern zieht sie zugleich sys­te­ma­tisch in die Kon­kur­renz mit ihren KollegInnen.

Oft glau­ben die Bes­ser­ge­stell­ten unter ihnen, im eige­nen Inter­es­se zu han­deln, wenn sie sich als Hilfs­trup­pen der „eige­nen“ Unter­neh­men und Bos­se miss­brau­chen las­sen. Das geschieht dann oft auch auf Kos­ten und zu Las­ten ihrer schlech­ter gestell­ten Kol­le­gIn­nen im eige­nen Land und welt­weit. Sie sehen dabei meist nicht, dass sie sich dadurch selbst schwä­chen und des­halb gegen­über der Kapi­tal­sei­te ins Hin­ter­tref­fen gera­ten. Manch­mal lau­fen sie sogar den rech­ten, ras­sis­ti­schen und frem­den­feind­li­chen Dem­ago­gIn­nen nach.

Schon Karl Marx war der Mei­nung, die eng­li­schen Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter könn­ten sich nicht selbst befrei­en, solan­ge sie zusam­men mit „ihren“ Herr­schen­den an der Unter­drü­ckung und Dis­kri­mi­nie­rung der iri­schen Arbei­te­rIn­nen und der iri­schen Bevöl­ke­rung teilhaben.

Genau das­sel­be gilt heu­te welt­weit. Die abhän­gig Beschäf­tig­ten hier­zu­lan­de müs­sen sich auch gegen die mise­ra­blen Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen ihrer Kol­le­gIn­nen in den arm und abhän­gig gehal­te­nen Län­dern sowie Welt­re­gio­nen auf­leh­nen. Erst dann ent­wi­ckeln sie die Kraft, sich gegen das Kapi­tal durch­zu­set­zen und sich selbst zu befreien.

Öko­lo­gi­sche und sozia­lis­ti­sche Per­spek­ti­ven kön­nen letzt­lich nur auf die­sem Wege durch­ge­setzt werden.

Blauer Planet, gelbe Westen, alles im roten Bereich. Umweltdemo in Paris, 8. Dezember 2018 (Foto: Photothèque Rouge - JMB)

Blau­er Pla­net, gel­be Wes­ten, alles im roten Bereich. Umwelt­de­mo in Paris, 8. Dezem­ber 2018 (Foto: Pho­to­t­hè­que Rouge - JMB)

 
Theo­rie­bei­la­ge zur Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2019
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