Interview mit Bernd Köhler*
In den letzten Wochen gab es in Mannheim erfreulich viele kulturelle Initiativen, bei denen Du aktiv mitgemischt hast. Ist diese Häufung von Aktivitäten eher Zufall oder auch Ausdruck einer Sorge über aktuelle politische Entwicklungen?
Ich bin froh darüber, dass die Brisanz der momentanen Situation, die konkrete Be edrohungslage durch das Erstarken der Neuen Rechten, mittlerweile auch in den Bereichen der Kunst und Kultur erkannt wird. Die rechte Infiltration der Gesellschaft nimmt ja die Kunst und Kultur nicht aus. Rechtsrock-Konzerte und die vielfältige Werbung für die rechtsextreme Band-Szene über die neuen Medien sind die eine Seite. Die aggressive Intervention im offiziellen Kulturbereich und der Versuch, demokratische Inhalte in eine völkisch-nationale Richtung umzudrehen, die andere.
In Mannheim haben wir uns vor drei Jahren dieser Entwicklung mit der Künstlerinitiative „Bunte Vielfalt statt völkischer Einfalt” entgegengestellt, um mit öffentlichen Kulturfesten für die Freiheit der Kunst zu werben und über die Bedrohung von rechts aufzuklären.
Am 12. Mai gab es jetzt das vierte Kulturfest der Initiative, in der neben mir noch die Schauspielerinnen Bettina Franke und Monika-Margret Steger sowie der Kabarettist Einhart Klucke beteiligt sind.
Wir hatten großes Glück mit dem Wetter und mit einem exzellenten und vielfältigen Programm. Jazz von Cordula Hamacher und Claus Kießelbach, ein bewegender Auftritt vom Chor des jüdischen Zentrums Mannheim oder die mitreißend-frische Performance des Kulturprojekt „Südklänge” aus Ludwigshafen, das Kinder, Jugendliche und Erwachsene unterschiedlicher Herkunft zusammenbringt. Grandios auch, wie die indische Künstlerin Pranita den Platz vor dem Schillerdenkmal in eine wogende Tanzszene verwandelte, – um nur einige der Beiträge zu nennen. Das waren starke Signale gegen das dumpf-nationalistische Kulturverständnis von rechts, genauso wie die Tatsache, dass alle Beteiligten, bis hin zur Tontechnik von Rüdiger Bischoff, ohne Honorar mitwirkten.
Das antirassistische Kulturfest vom 12. Mai am Schillerplatz war in der Tat ein toller Erfolg. Wird es im nächsten Jahr eine Fortsetzung geben?
Wie und ob das Konzept weitergeführt werden kann, müssen wir sehen. Es ist jedes Mal ein enormer persönlicher und zeitlicher Kraftakt für unsere doch eher kleine Initiative. Außerdem ist unser Anliegen ja mittlerweile auch auf ganz anderen Ebenen angekommen und wurde auf viel breitere Beine gestellt. Zum Beispiel über das Kulturbündnis DIE VIELEN, das eine Woche nach dem Schillerplatzfest eine Kulturdemo in der Stadt unter dem Motto „Unity & Shine“ organisierte.
Wie kam es zu diesem Bündnis, in dem sich ja neben kleinen Theatern oder Initiativen wie Euch, auch das Nationaltheater oder das Kulturzentrum Feuerwache beteiligt?
Die Anregung für diese Kooperation kam aus Berlin, wo sich im letzten Jahr ein breites Spektrum aus dem Kulturbereich zusammengeschlossen hatte, um die Freiheit der Kunst gegen die Angriffe von rechts zu verteidigen. Im Gründungsaufruf hieß es unter anderem: „Als Aktive der Kulturlandschaft in Deutschland stehen wir nicht über den Dingen, sondern auf einem Boden, von dem aus die größten Staatsverbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden. In diesem Land wurde schon einmal Kunst als entartet diffamiert und Kultur flächendeckend zu Propagandazwecken missbraucht. Unsere Gesellschaft ist eine plurale Versammlung. Viele unterschiedliche Interessen treffen aufeinander und finden sich oft im Dazwischen. Demokratie muss täglich neu verhandelt werden – aber immer unter einer Voraussetzung: Es geht um Alle, um jede*n Einzelne*n als Wesen der vielen Möglichkeiten!” und weiter: „Der rechte Populismus, der die Kultureinrichtungen als Akteure dieser gesellschaftlichen Vision angreift, steht der Kunst der Vielen feindselig gegenüber. Rechte Gruppierungen und Parteien stören Veranstaltungen, wollen in Spielpläne eingreifen, polemisieren gegen die Freiheit der Kunst und arbeiten an einer Renationalisierung der Kultur.”
Dem Berliner Aufruf folgten in allen Bundesländern regionale Initiativen mit teilweise auch eigenen Zielsetzungen. Das Verbindende aber ist, dass man völkisch-nationalistischer Propaganda kein Forum bieten will.
Das war ja auch Thema einer weiteren Veranstaltung Eurer Initiative, als Ihr im April in der Abendakademie unter dem Titel „Freiheit, die wir meinen”, ein beeindruckendes Programm zur Geschichte der Berufsverbote aufgeführt habt …
Einerseits ging es in dem Programm um die lange und unselige Tradition von Berufsverboten als Unterdrückungsinstrument gegen freie Meinungsäußerung. Andererseits haben wir bewusst den skandalösen Versuch thematisiert, ein neues Berufsverbotsverfahren gegen den Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy einzuleiten. Micha soll der Prozess gemacht werden, weil er Widerstand gegen eine AfD-Veranstaltung im Hilde-Domin-Saal der Heidelberger Stadtbücherei geleistet hat. Er wollte nicht hinnehmen, dass diese Partei in einem Raum, der den Namen einer Antifaschistin trägt, ihre rassistischen und ausländerfeindlichen Parolen verbreitet. Am Dienstag, den 23. Juli 2019, wird es eine Wiederholung unseres Programms geben – diesmal dann in eben dieser Heidelberger Stadtbücherei.
Die letzte Frage gilt einem ganz anderen Ereignis. Am 1. Mai gab es in Mannheim wieder ein großes Straßensingen und -musizieren im Rahmen der Gewerkschaftsdemo. Wie kam es dazu?
Das gemeinsame Singen am 1. Mai gab es jetzt schon zum dritten Mal mit stets wachsender Beteiligung. Viele haben mir erzählt, dass sie sich schon lange vorher darauf freuen, sich mit anderen zusammen wieder mal den Brass von der Seele singen zu können.
70 - 80 Menschen waren diesmal beteiligt und dazu noch rund 10 KollegInnen mit Akkordeon, Saxophon, Klanginstrumenten oder Gitarren.
Überhaupt war der 1. Mai dieses Jahr ungemein kämpferisch und stimmungsvoll.
Die kulturelle Basis dafür haben wir uns in Mannheim über viele Jahre erarbeitet. Es gibt in der Region mehrere Songgruppen, die sich der ArbeiterInnenbewegung verbunden fühlen. Zudem finden viele kulturelle Veranstaltungen im gewerkschaftlichen Rahmen statt, was nicht zuletzt der Unterstützung durch die örtlichen IG Metall zu verdanken ist.
Eine der Quellen dieser Entwicklung war der Alstomchor, der nicht nur durch seine Auftritte, sondern auch als Organisator von Kulturveranstaltungen für dieses Selbstverständnis gewirkt hat.
Kultur kann Politik oder konkrete Gewerkschaftsarbeit nicht ersetzen, aber sie kann uns das Leben freudiger, erkenntnisreicher und auch leichter machen. Sie kann so auch zum Hebel für Veränderung werden.
Das wurde über die Jahre hier erkannt, wurde mittlerweile eine feste Größe.
Um das Besondere von Kultur vielleicht etwas begreifbarer zu machen, zum Schluss nochmal einen Eindruck vom Schillerplatzfest am 12. Mai. Der schönste Moment an diesem Tag war für mich die halbe Stunde vor Programmbeginn, als sich quer über den ganzen Park verstreut, die unterschiedlichen Ensembles, Bläser, SängerInnen, Trommlergruppen, MusikantInnen vorbereitet und eingespielt haben. Da lag diese sichtbare und hörbare Magie über dem Platz, die dem ganzen Projektansatz innewohnt.
Zusammenführen, austauschen, staunen und erleben, begreifen, was uns unterscheidet und was uns verbindet – das alles lässt uns zu einer starken demokratischen Kraft werden. Das ist der große Wert von Kultur, wenn wir ihr Raum verschaffen und Platz zur Entfaltung bieten.
*[Die Fragen stellte W.A., 23.05.2019.]