Nein zum Krieg! Mit 85 auf der Demo

S. W.

Die sicher­lich ältes­te Teil­neh­me­rin der Mann­hei­mer Demo „Nein zum Krieg! Soli­da­ri­tät mit Afrin!“ zähl­te 85 Jah­re. Wir frag­ten sie, war­um sie sich in die­sem hohen Alter noch an Pro­tes­ten gegen den Krieg betei­li­ge. Sie erzähl­te uns bereit­wil­lig ihre Geschich­te. Wir geben sie hier wieder.

Gebo­ren wur­de ich im Jahr 1933. Infol­ge­des­sen erleb­te ich die Nazi­zeit und den Unter­gang des „1000-jäh­ri­gen Reichs“ als Kind. Wäh­rend des Krie­ges brach­te mich mei­ne Mut­ter von Ber­lin, wo wir leb­ten, zu Ver­wand­ten auf das Land. So ent­kam ich den mas­si­ven Bom­bar­die­run­gen der Haupt­stadt. Zum Zeit­punkt der Zer­schla­gung des Faschis­mus war ich 13 Jah­re alt.

Nach Kriegs­en­de hol­te mich mei­ne Mut­ter wie­der nach Ber­lin zurück. Die Stadt lag zu gro­ßen Tei­len in Schutt und Asche. Auch unse­re Woh­nung war „aus­ge­bombt“, wie es damals hieß. Des­halb kam ich zunächst bei einer befreun­de­ten Fami­lie unter. All­mäh­lich begann der Wie­der­auf­bau. Selbst vie­len ehe­ma­li­gen Nazi-Anhän­gern däm­mer­te es, dass es nie wie­der Krieg dür­fen gebe.

Der CDU-Poli­ti­ker Kon­rad Ade­nau­er sag­te damals, dass wir auch „brau­nes Was­ser“ bräuch­ten. Als Mäd­chen war mir sei­ner­zeit nicht klar, was er damit mein­te. Erst spä­ter ver­stand ich, dass er alte Nazis – nicht nur – in die Poli­tik zurück­ho­len woll­te. Vie­le wur­den rein­ge­wa­schen, trotz ihrer Betei­li­gung am Faschis­mus. Vie­le wie Glob­ke oder Kie­sin­ger besetz­ten in der Bun­des­re­pu­blik wich­ti­ge poli­ti­sche Positionen.

Als jun­ge Frau unter­stütz­te ich die Oster­mär­sche. Auch in der Gewerk­schaft enga­gier­te ich mich bald und bin seit Jahr­zehn­ten ihr Mitglied.

Die Wider­be­waff­nung der Bun­des­re­pu­blik und der Auf­bau der Bun­des­wehr unter Kanz­ler Kon­rad Ade­nau­er wur­de uns als Ver­tei­di­gungs­maß­nah­me ver­kauft. In Wirk­lich­keit war sie im Rah­men der NATO von Anfang auf die „Vor­wärts­ver­tei­di­gung“ aus­ge­rich­tet. Ich frag­te mich, wozu die Armee Fahr­zeu­ge braucht, die auch bei extre­men Tem­pe­ra­tu­ren ein­satz­fä­hig sind.

Vor der Demo gegen den Krieg am 14. April 2018 in Mannheim (Foto: Paula.)

Vor der Demo gegen den Krieg am 14. April 2018 in Mann­heim (Foto: Paula.)

Ich ver­ste­he mich nicht als Kom­mu­nis­tin, son­dern als Huma­nis­tin. Ich glau­be an das Gute im Leben und in der Welt. Ich lie­be Pflan­zen, beson­ders mit klei­nen, zar­ten Blü­ten. Ich freue mich über ihre leuch­ten­den Far­ben und ihren Duft.

Mein bes­ter Freund rief mich am 14. April an und erzähl­te mir, dass die USA, Bri­tan­ni­en und Frank­reich einen Rake­ten­an­griff auf Syri­en durch­ge­führt hät­ten. Er frag­te mich, ob ich mit zur Demo „Nein zum Krieg – Soli­da­ri­tät mit Afrin gehen wür­de. Eigent­lich woll­te er ja erst selbst nicht dar­an teil­neh­men, weil er gera­de sein Motor­rad aus der Inspek­ti­on zurück­be­kom­men hatte.

Ich sag­te ihm zu, und er hol­te mich ab. Wir kamen am Schloss­hof an und sahen mehr Poli­zis­ten als Demons­tran­ten. Ich bin sehr erschro­cken gewe­sen. Ich frag­te mich, war­um inter­es­siert der Krieg so weni­ge Men­schen. Es geht hier doch um gefähr­li­che Inter­es­sen­kon­flik­te in Syri­en, es geht um eine Auf­rüs­tungs- und Kriegs-Spirale.

Zum Auf­takt der Kund­ge­bung waren wir viel­leicht 200, nach der Auf­takt­kund­ge­bung kamen viel­leicht noch etwa 300 dazu. Ich lief – gestützt auf mei­nen Stock – im Demons­tra­ti­ons­zug mit. Bevor wir den Platz der Abschluss­kund­ge­bung erreich­ten, brauch­te ich eine Pause.

Wir setz­ten uns in ein Stra­ßen­ca­fé. Fast alle Plät­ze waren belegt. Vie­le Men­schen waren mit ihrem „Smart­phone“ beschäf­tigt. Fast kei­ner nahm Notiz von der Demo. Was geht in die­sen Men­schen vor? Sind wir nicht in Gefahr, von wei­te­ren Krie­gen bedroht zu wer­den? Ist es nicht an der Zeit, sich mehr zu engagieren?

aus der Rhein-Neckar Bei­la­ge zur Avan­ti Mai 2018

 

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