H. N.
Vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sah sich die Corona-Politik zu populistischen Lockerungsübungen veranlasst. Danach kam – wie zu erwarten war – die dritte Welle erst richtig in Fahrt.
Das Pandemieregime der Bundeskanzlerin und der Regierungsspitzen der Länder rief deshalb eine „Osterruhe“ aus. Sie wurde aber schnellstmöglich wieder kassiert. Zweifelsohne weil die Großkonzerne vor allem der Autoindustrie hinter den Kulissen massiven Druck machten. Das von Profitgier getriebene chaotische Desaster setzt sich also in dieser „marktkonformen Demokratie“ fort.
Die Zeche dafür zahlt natürlich nicht die herrschende Klasse. Im Gegenteil: Sie profitiert von einer beschleunigten Ausbeutung der Arbeitskräfte und den milliardenschweren Staatssubventionen.
Die Zeche zahlt aber zunehmend die arbeitende Klasse. Insbesondere deren ausgegrenzte Sektoren sind von der Corona-Politik immer mehr betroffen (Arme, Alte, Erwerbslose, Frauen, prekär Beschäftigte …). Nicht „nur“ in ihrer materiellen Existenz, sondern auch in ihrer physischen und psychischen Gesundheit.
Grundrechte hinfällig?
Laut Grundgesetz Artikel 2 (2) hat jeder Mensch „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Derzeit sind jedoch 2.782.273 COVID-19-Infektionen und 75.913 COVID-19-Todesfälle gemeldet. (Stand 29.03.2021.)
Ein Ende dieser katastrophalen Entwicklung ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil! Die Quote für zweimaliges Impfen liegt drei Monate nach dem Impfstart bei 4,7 %. Auch ein zwingendes und wirksames Testkonzept ist nicht zu erkennen.
Der mit einem strengen Duft von Korruption parfümierte Pandemieaktionismus der politischen Kaste wird von den meisten Medien kritiklos verstärkt. Es ist sehr bezeichnend, dass in dieser Inszenierung die Arbeitswelt in ein Schattenreich verbannt ist. Kaum, dass sie Erwähnung findet – von „Einzelfällen“ wie bei Tönnies abgesehen.
Arbeitswelt als Brennpunkt
Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist aktuell „die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt […] sehr hoch“. (COVID-19-Lagebericht vom 29.03.2021, Hervorhebung des RKI.) Die gefährlichsten Bereiche mit zahlreichen Ausbrüchen sind dem RKI zufolge in „Privathaushalten, Kitas und zunehmend auch in Schulen sowie dem beruflichen Umfeld [!]“ zu finden. An einer anderen Stelle werden auch „Alten- und Pflegeheime“ als Brennpunkte des Infektionsgeschehens genannt. Bezeichnenderweise ist in den RKI-Statistiken jedoch keine vollständige und differenzierte Erfassung des Pandemiegeschehens in der Arbeitswelt zu finden.
Zwar fordert das RKI „die konsequente Umsetzung kontaktreduzierender Maßnahmen und Schutzmaßnahmen sowie massive Anstrengungen zur Eindämmung von Ausbrüchen und Infektionsketten“.
Jedoch scheinen auch im zitierten Lagebericht des RKI dasArbeits- schutzgesetz (ArbSchG), die SarsCoV2-Arbeitsschutzregel und die bis zum 30.04.2021 befristet geltende (und durch kapitalistische Einflussnahme) aufgeweichte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung nur in einer anderen Welt zu existieren.
Meist keine Infektionsprävention
Vor allem aber finden diese für die Pandemiebekämpfung mit entscheidenden Vorschriften in der Arbeitswelt kaum Anwendung. Das ist ein Resultat des sich verschärfenden Klassenkampfs von oben.
Insgesamt gibt es hierzulande derzeit rund 45 Millionen Beschäftigte. 11 Millionen arbeiten im sogenannten Homeoffice, das eigentlich ein im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingerichteter Telearbeitsplatz sein muss. 34 Millionen müssen ihre Arbeitskraft gemeinsam mit anderen in Betrieben aller Art verkaufen.
Lediglich in etwa 9 % aller privaten Betriebe gibt es einen Betriebsrat. In Westdeutschland werden nur noch 42 Prozent der Beschäftigten in der Privatwirtschaft von einem Betriebsrat vertreten, im Osten 35 Prozent. (Jeweils Stand 2019.) Zudem werden sowohl Betriebsräte als auch die gewerkschaftliche Organisierung immer systematischer durch das Kapital bekämpft.
Im Öffentlichen Dienst sind immerhin noch 89 % der Beschäftigten durch Personalräte vertretenen. (Stand 2019.)
Das ArbSchG verpflichtet Unternehmen zu einem präventiven Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind deshalb überall ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen (GFB) durchzuführen – gerade wegen des Infektionsschutzes. Dies passiert nach Lage der Dinge nur in einem sehr geringen Umfang. Zudem werden Verstöße der Betriebe kaum kontrolliert und noch weniger geahndet.
Eine Überwindung dieser skandalösen Lage wird nur durch den Aufbau einer starken außerparlamentarische Bewegung – einer sozialen Front – möglich sein. Vor allem durch einen konsequent organisierten politischen und gewerkschaftlichen Widerstand innerhalb und außerhalb der Betriebe. Gegen das kapitalistische Corona-Regime und für Solidarität in Zeiten der Pandemie!