Zur Betriebsratswahl 2022 (Teil II)*
U. D.
Halten wir fest: Die Zeiten innerhalb und außerhalb der Betriebe sind rauer geworden. Rund 13 Millionen sind prekär beschäftigt. 10 Millionen arbeiten unterhalb der Schwelle von 12 Euro die Stunde.
In den Betrieben wird die Arbeit weiter verdichtet und der Erfolgsdruck stetig erhöht. Permanente Umstrukturierungen sowie drohender oder erlebter Personalabbau erzeugen in den Belegschaften existenzielle Ängste.
Angesichts dieser Entwicklung stellt sich für Aktive in den Gewerkschaften die grundsätzliche Frage, wie man handeln möchte. Will man mit „Co-Management“ das Firmeninteresse nach noch mehr Profit unterstützen? Will man trotz aller betrieblichen Angriffe an der Idee einer Sozial- und Betriebspartnerschaft festhalten? Oder orientiert man sich ausschließlich an den Interessen der Belegschaft? Tritt man dem betrieblichen Klassenkampf von oben konsequent entgegen und steht für eine aktive, vom Unternehmen unabhängige Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit?
Organisiert arbeiten
Betriebs(rats)arbeit beginnt nicht erst vor der Wahl. Wer eine aktive Arbeit im Betrieb machen will, muss gerade in der Zeit zwischen den Wahlen aktiv und sichtbar sein. Nur so und im engen Austausch mit Vertrauensleuten und anderen Aktiven kann man sich die notwendige Anerkennung erwerben.
Dabei sollte die praktische Arbeit regelmäßig überprüft und diskutiert werden. Wenn eine Aktiven-Gruppe im Betrieb existiert, kann man dort die Diskussion führen. Ist man noch allein, sollte man als erstes versuchen, im Betrieb Gleichgesinnte zu finden und einen stabilen Kreis von Aktiven aufzubauen.
Besonders hilfreich ist eine örtliche oder regionale überbetriebliche Vernetzung. So lässt sich von den Erfahrungen anderer profitieren und Betriebsblindheit verhindern.
Offen sein
Gewerkschaftliche und politische Arbeit im Betrieb sollte nicht auf den Betriebsrat reduziert werden. Auch wenn dessen Bedeutung in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen hat, ist dieser doch nur eine Möglichkeit, im Betrieb politisch und gewerkschaftlich aktiv zu sein.
Politische Arbeit im Betrieb kann ganz unterschiedlich aussehen. Es kann darum gehen, die Gewerkschaft, den Vertrauensleutekörper oder einen aktiven Betriebsrat aufzubauen. Aber es kann auch bedeuten, eine unabhängige Belegschaftsgruppe zu bilden.
Klug handeln
Je aktiver und widerständiger man ist, je größer Erfolg und Zuspruch sind, umso mehr wird man als „betriebliche Störung“ wahrgenommen. In der Folge kann es passieren, dass das Unternehmen versucht, zu integrieren, Wahlen zu beeinflussen, zu mobben oder gar zu kündigen. Dabei ist alles möglich.
Scharfer Gegenwind kann auch vom zuständigen Gewerkschaftsapparat kommen. Will dieser am „sozialpartnerschaftlichen Miteinander“ mit dem Unternehmen festhalten, kann jeg- liche Infragestellung dieser Politik zu feindlichen Reaktionen bis hin zur Verweigerung jeglicher Unterstützung führen.
Umso wichtiger ist es, die eigenen Kräfte nicht in isoliertem und blindem Aktionismus zu verausgaben, sondern sich geduldig zu „verankern“, mit anderen Beschäftigten gemeinsam zu handeln und Vereinzelung zu vermeiden.
Die Belegschaft einbeziehen
Die Mehrheit der Beschäftigten ist trotz steigenden Arbeitsdrucks „froh“, dass der „Laden gut läuft“. Schließlich wissen sie, dass mit Arbeitsplatzverlust sozialer Abstieg und Hartz IV drohen.
Daher sind viele empfänglich für Drohungen des Unternehmens. Zum Beispiel wenn behauptet wird, der Betriebsrat gefährde mit seiner konfliktorientierten Politik das Unternehmen und die Arbeitsplätze.
Dies macht eine inhaltliche sowie praktische Gegenstrategie notwendig. Einerseits sollten immer wieder die gegensätzlichen Interessen von Beschäftigten und Unternehmen deutlich gemacht werden. Andererseits muss dies mit einer beharrlichen und kontinuierlichen Praxis verbunden werden, die versucht, die Belegschaft für ihre Interessen zu aktivieren und zu organisieren. Nur so lässt sich auf Dauer das vorhandene Bewusstsein erfolgreich verändern.