DGB-Chef Hoffmann und der GDL-Streik
U. D.
Das Motto des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum 1. Mai 2021 lautete „Solidarität ist Zukunft“. Daran konnte sich der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann offensichtlich nicht mehr erinnern. Statt den Streikenden der GDL solidarisch den Rücken zu stärken, grätschte er ihnen mit seiner Polemik in die Beine.
Hoffmann warf der GDL unter anderem vor, Teilinteressen gegen „das Gesamtinteresse aller anderen Bahn-Beschäftigten“ durchsetzen zu wollen. Die GDL wolle nicht weiter verhandeln, obwohl das DB-Angebot und die GDL-Forderung nicht weit auseinander lägen. Zudem wolle sie nur die eigene Organisation erhalten und stärken.
Der DGB-Vorsitzende hat damit ohne Zwang den antigewerkschaftlichen Stimmen „Munition“ in der Debatte über Sinn und Rechtmäßigkeit von Streiks in „system-relevanten“ Bereichen geliefert.
Hoffmanns bürokratische Tradition
Hoffmanns Angriff auf eine „kleine“ und kampfbereite Gewerkschaft ist seit Jahren die Mehrheitsposition im DGB.
2005 versuchte die Führung der Gewerkschaft ver.di erfolglos, mit Hilfe der Arbeitsgerichte der Fluglotsengewerkschaft die Tariffähigkeit und damit den Status als Gewerkschaft aberkennen zu lassen.
2007 propagierte die Führung von TRANSNET, der Vorläuferorganisation der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die Tarifeinheit zu erhalten. Grund war, dass die GDL den Kurs der damaligen Bahn-Tarifgemeinschaft nicht mehr mittragen wollte.
2010 forderte der damalige DGB-Chef Michael Sommer eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit. Er war sich dabei nicht zu schade, dies zusammen mit dem damals führenden Kapitalvertreter Hundt zu tun.
2014 erklärte Hoffmann in der Diskussion über ein Tarifeinheitsgesetz: „Wir brauchen eine Stabilisierung der Tarifeinheit. Wenn uns die Große Koalition dabei helfen will, nehmen wir das Angebot zur Hilfe natürlich an.“
Tarifeinheitsgesetz für wen?
2015 wurde das Tarifeinheitsgesetz (TEG) unter der SPD-Ministerin Nahles verabschiedet. Eines seiner Ziele ist es, „kleine“ und kampfbereite Gewerkschaften (zum Beispiel GDL oder Cockpit) tarifpolitisch zu knebeln und in ihrer Existenz zu bedrohen. Damit nutzt das TEG vor allem dem Kapital und streikfernen DGB-Gewerkschaften. Kein Wunder, dass es vom DGB-Bundesvorstand mehrheitlich begrüßt wurde.
Während der DGB-Vorsitzende Hoffmann der GDL vorwirft, nur die eigene Organisation erhalten zu wollen, ist das TEG nichts anderes als ein organisatorischer Schutzbrief für auf „Sozialpartnerschaft“ getrimmte Einzel-Gewerkschaften. Daran kann er natürlich nichts Verwerfliches erkennen.
Scheinheiligkeit statt Einheit der Tarife
Das falsche Spiel des DGB-Vorsitzenden entlarvt sich selbst. In Wahrheit akzeptieren DGB-Gewerkschaften durchaus unterschiedliche Tarife in einem Unternehmen.
Wie erklären sich sonst tausende Leiharbeitsbeschäftigte, Werkvertragsbeschäftigte und andere in Großunternehmen, die zu deutlich schlechteren Bedingungen als die Stammbelegschaften arbeiten? Wie erklären sich „abgesenkte“ Tarifregelungen in derselben Firma für Bereiche wie Kantine, Logistik oder Infrastruktur?
Vorbildlicher GDL-Streik
Der Bahnstreik 2021 hat gezeigt, dass auch in einer Krise erfolgreich gekämpft werden kann. Dass die arbeitende Klasse immer noch kampfbereit ist, sofern ihre Organisationen entschlossen handeln. Dass die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums beeinflusst werden kann. Dass das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zu Gunsten der arbeitenden Klasse verändert werden kann.
Ein Arbeitskampf wie der Bahnstreik 2021 fördert das Klassenbewusstsein mehr als jeder durch bloße Verhandlungen erzielte Tariferfolg. Das wusste bereits Willi Bleicher, der legendäre ehemalige Vorsitzende der IG Metall in Baden-Württemberg. Von ihm stammt der Satz: „10 Pfennig erkämpft sind mehr als 11 Pfennig verhandelt“.
Für uns waren dies genug Gründe, um den GDL-Streik mit kritischer Solidarität aktiv zu unterstützen.