Der faschistischen Hetze entgegentreten
H. N.
Mehr als ein Viertel der in Deutschland lebenden Menschen hat einen „Migrationshintergrund“. Sie sind entweder selbst in die BRD eingewandert oder direkte Nachfahren von Eingewanderten. Die faschistische und rassistische Hetze gegen diese Bevölkerungsgruppe ist ein menschenverachtendes Lügenkonstrukt. Es lenkt von der Hauptursache der heutigen Probleme – dem System der Profitmaximierung – ab.
Deutschland ist nicht zuletzt deshalb ein Einwanderungsland, weil die exportorientierte BRD-Wirtschaft dies gefordert hatte. „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Men- schen“, so formulierte es bereits 1965 der Schriftstelle Max Frisch. Derzeit sind mehr als zwölf Millionen Menschen mit „Migrationshintergrund“ hierzulande in der Arbeitswelt tätig.
Erwerbsarbeit ist in der kapitalistischen Klassengesellschaft entscheidend, um die eigene Existenz finanziell absichern zu können. Die Arbeitswelt ist aber auch deshalb ein wichtiger Bereich, weil sie Kooperation fördert, soziale Kontakte schafft, gesellschaftliche Aktivität erleichtert und Möglichkeiten für die Entwicklung von Solidarität bietet.
Allerdings ist die Realität aufgrund der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte oft einen andere. Mit der Billigung und Unterstützung von betrieblichen Aufspaltungs- und Verlagerungsstrategien hat sie die Entsolidarisierung der arbeitenden Klasse bis hin zu einer teilweisen Atomisierung spürbar vorangetrieben.
Ungeschützte („prekäre“) Beschäftigungsverhältnisse, Arbeiten im Billiglohnsektor und eine bewusst propagierte gesellschaftliche Geringschätzung von geleisteten Tätigkeiten fördern in der Regel nicht nur Ausgrenzung, sondern verstärken auch Abhängigkeiten und fördern Diskriminierung. Schlechte Arbeitsbedingungen gehen meist mit unsicheren Lebensperspektiven einher. Sie erschweren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und behindern soziale Anerkennung.
Gute und möglichst gleiche Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für alle Beschäftigen sind ein elementares Ziel, um der Spaltung der arbeitenden Klasse entgegenwirken zu können.
Für Menschen mit Einwanderungsgeschichte hat dies eine besondere Bedeutung. Auf Basis der Daten des DGB-Index Gute Arbeit wurde jetzt insbesondere „die Verbreitung von ‚Einfacharbeit‘, von befristeter Beschäftigung sowie von Leiharbeit, von atypischen Arbeitszeitlagen und prekären Einkommensverhältnissen analysiert“.*
Ein wesentliches Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass der Vergleich „prekärer und atypischer Beschäftigungsmerkmale“ bei Beschäftigten verdeutlicht, dass „,Einfacharbeit‘, unsichere Beschäftigungsverhältnisse, belastende Arbeitszeiten und unzureichende Einkommen in der Gruppe mit Migrationshintergrund häufiger auftreten als bei Beschäftigten ohne Migrations- hintergrund“.
Einheit statt Spaltung
In Zahlen bedeutet diese Spaltung:
• Ein Drittel der eingewanderten Erwerbstätigen arbeitet als An gelernte und Hilfsarbeiter:innen. Bei Kolleg:innen ohne Migrationshintergrund sind es 18 Prozent.
• Arbeitende mit Migrationshintergrund sorgen sich häufiger um ihre berufliche Zukunft als Kolleg:innen ohne Migrationshintergrund.
• Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind für 17 Prozent der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund bittere Realität. Das ist dreimal so viel wie bei Kolleg:innen ohne Migrationshintergrund.
• Auch Leiharbeit und Schichtarbeit sind bei eingewanderten Be schäftigten weiter verbreitet als in der Vergleichsgruppe.
• Für mehr als 40 Prozent der migrantischen Arbeiter:innen ist ihr Einkommen kaum oder gar nicht existenzsichernd.
• Keine oder nur geringfügige betriebliche Weiterbildungsmög lichkeiten beklagt knapp die Hälfte der Beschäftigten mit Migrationshintergrund.
• Am stärksten betroffen von atypischen und prekären Beschäftigungsmerkmalen sind eigenständig Zugewanderte vor allem aus Staaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums.
Gewerkschaften, linke Organisationen und soziale Bewegungen müssen – nicht nur wegen des anhaltenden Rechtsrucks – dieser unakzeptablen Spaltung konsequent entgegentreten. Klassensolidarität und -einheit sind das beste Mittel gegen die wachsende faschistische Gefahr. In der Arbeitswelt heißt das: Geschützte Arbeitsverhältnisse mit Tarifbindung und Interessenvertretung (Betriebsrat und Gewerkschaft) für alle!
*[Quelle: DGB-Index Gute Arbeit, Kompakt 02/2024.]