Sozia­lis­mus oder Barbarei

 


Redak­tio­nel­le Vorbemerkung

Im Febru­ar 2025 fin­det der 18. Welt­kon­gress der IV. Inter­na­tio­na­le statt. Unter ande­rem soll dort der Ent­wurf für ein Mani­fest des revo­lu­tio­nä­ren Mar­xis­mus im Zeit­al­ter kapi­ta­lis­ti­scher Zer­stö­rung von Umwelt und Gesell­schaft dis­ku­tiert wer­den. Wir ver­öf­fent­li­chen im Fol­gen­den – gekürzt und redak­tio­nell bear­bei­tet – das 4. Kapi­tel die­ses Tex­tes, der im Netz unter www.iso-4-rhein-neckar.de/manifest abruf­bar ist.
28. Novem­ber 2024.


Grund­zü­ge einer öko­lo­gisch-sozia­lis­ti­schen Alter­na­ti­ve zum kapi­ta­lis­ti­schen Wachstum

Die Befrie­di­gung ele­men­ta­rer sozia­ler Bedürf­nis­se unter Beach­tung der öko­lo­gi­schen Gren­zen ist nur mög­lich, wenn es gelingt, mit der pro­duk­ti­vis­ti­schen und kon­sum­ori­en­tier­ten Logik des Kapi­ta­lis­mus zu bre­chen. Die­ser ver­stärkt die Ungleich­heit, scha­det Mensch und Natur und unter­gräbt die bei­den ein­zi­gen „Spring­quel­len allen Reich­tums …: die Erde und den Arbei­ter“ (Marx).

Der Bruch mit die­ser Logik bedeu­tet, vor­ran­gig für die nach­fol­gend genann­ten Schwer­punk­te zu kämp­fen, […], die je nach natio­na­len und regio­na­len Beson­der­hei­ten ergänzt und ange­passt wer­den müs­sen. Denn auf jedem Kon­ti­nent und in jedem Land müs­sen im Sin­ne die­ses Über­gangs­pro­gramms spe­zi­fi­sche Maß­nah­men ergrif­fen werden.

1. Kata­stro­phen­schutz durch demo­kra­ti­sche und sozi­al ange­pass­te öffent­li­che Präventionspläne.
Eini­ge Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­zer­stö­rung (wie der Anstieg des Mee­res­spie­gels) sind unum­kehr­bar oder wer­den lan­ge anhal­ten (Hit­ze­wel­len, Dür­re­pe­ri­oden, außer­ge­wöhn­li­che Nie­der­schlä­ge, hef­ti­ge­re Wir­bel­stür­me usw.). Die kapi­ta­lis­ti­schen Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten schüt­zen die Bevöl­ke­rung nicht oder bes­ten­falls nur unzu­rei­chend. […] Die tech­no­kra­ti­sche und auto­ri­tä­re kapi­ta­lis­ti­sche „Anpas­sung“ wird vom IPCC (Inter­go­vern­men­tal Panel on Cli­ma­te Chan­ge / Welt­kli­ma­rat) als „Fehl­an­pas­sung“ bezeich­net. Sie ver­schärft Ungleich­heit, Dis­kri­mi­nie­rung und Ent­eig­nung. Sie erhöht auch die Anfäl­lig­keit für stei­gen­de Tem­pe­ra­tu­ren und birgt das Risi­ko, die Mög­lich­keit einer ech­ten Anpas­sung in Zukunft ernst­haft zu gefähr­den, ins­be­son­de­re in den armen Ländern.

Der kapi­ta­lis­ti­schen „Fehl­an­pas­sung“ set­zen wir die sofor­ti­ge For­de­rung nach öffent­li­chen und an die Lebens­welt der armen Bevöl­ke­rung ange­pass­ten Prä­ven­ti­ons­plä­nen ent­ge­gen. Die­se ist schließ­lich Haupt­leid­tra­gen­de der extre­men Wet­ter­phä­no­me­ne, ins­be­son­de­re in den abhän­gi­gen Län­dern. Die­se Plä­ne müs­sen ent­spre­chend ihrer Bedürf­nis­se und ihrer Lebens­la­ge im Dia­log mit der Wis­sen­schaft ent­wi­ckelt wer­den. Sie müs­sen alle Berei­che umfas­sen, ins­be­son­de­re Land­wirt­schaft, Forst­wirt­schaft, Woh­nungs­bau, Was­ser­wirt­schaft, Ener­gie, Indus­trie, Arbeits­recht, Gesund­heit und Bil­dung. Sie müs- sen Gegen­stand umfas­sen­der demo­kra­ti­scher Ent­schei­dungs­fin­dungs­pro­zes­se sein, mit einem Veto­recht für die betrof­fe­nen Gemein­den und für die arbei­ten­de Bevölkerung.

2. Den Reich­tum tei­len, um kos­ten­frei für die Men­schen und für unse­re Umwelt zu sorgen.
Qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Gesund­heits­ver­sor­gung, gute Bil­dung, gute Betreu­ung für Klein­kin­der, ein wür­di­ger Ruhe­stand und ein Pfle­ge­sys­tem, das den Bedürf­nis­sen der Betrof­fe­nen Rech­nung trägt, zugäng­li­cher, dau­er­haf­ter und ange­mes­se­ner Wohn­raum, effi­zi­en­te öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel, erneu­er­ba­re Ener- gien, gesun­de Lebens­mit­tel, sau­be­res Was­ser, Inter­net­zu­gang und eine natür­li­che Umwelt in gutem Zustand: Das sind die wirk­li­chen Bedürf­nis­se, die eine Zivi­li­sa­ti­on, die die­sen Namen ver­dient, für alle Men­schen, unab­hän­gig von ihrer Haut­far­be, ihrem Geschlecht, ihrer eth­ni­schen Zuge­hö­rig­keit und ihren Über­zeu­gun­gen, aus­rei­chend erfül­len soll­te. Das ist mög­lich – sogar bei gleich­zei­tig deut­li­cher Ver­rin­ge­rung der glo­ba­len Belas­tung unse­rer Umwelt. War­um gibt es das alles nicht? Weil die Wirt­schaft auf die För­de­rung des Kon­sums ange­legt ist – gewis­ser­ma­ßen als indus­tri­el­les Neben­pro­dukt des Kapi­ta­lis­mus. Im Inter­es­se des Pro­fits wer­den Inves­ti­tio­nen und Kon­sum lau­fend gestei­gert. Die Kapi­ta­lis­ten eig­nen sich alle Res­sour­cen an und ver­wan­deln alles in Waren. Ihre ego­is­ti­sche Logik sät Unglück und Tod.

Eine 180°-Wende ist erfor­der­lich. Die natür­li­chen Res­sour­cen und das Wis­sen sind ein Gemein­gut, das umsich­tig und kol­lek­tiv ver­wal­tet wer­den muss. Die Befrie­di­gung tat­säch­li­cher Bedürf­nis­se und die Wie­der­be­le­bung der Öko­sys­te­me müs­sen demo­kra­tisch geplant und vom öffent­li­chen Sek­tor unter akti­ver Kon­trol­le der brei­ten Bevöl­ke­rung mit­ge­tra­gen wer­den, indem die kos­ten­freie Nut­zung so weit wie mög­lich aus­ge­wei­tet wird. Die­ses kol­lek­ti­ve Pro­jekt muss sich das wis­sen­schaft­li­che Fach­wis­sen zu Nut­ze machen. Der ers­te not­wen­di­ge Schritt ist die Bekämp­fung von Ungleich­heit und Unter­drü­ckung. Sozia­le Gerech­tig­keit und ein gutes Leben für alle sind auch öko­lo­gi­sche Forderungen!

3. Gegen Pri­va­ti­sie­rung und Ver­mark­tung: Gemein­gü­ter und öffent­li­che Diens­te aus­bau­en.
Hier han­delt es sich um eine der Kern­fra­gen eines sozia­len und öko­lo­gi­schen Über­gangs, und zwar in vie­len Berei­chen des Lebens. Zum Beispiel:

Was­ser: Die der­zei­ti­gen Pri­va­ti­sie­run­gen, der ver­schwen­de­ri­sche Ver­brauch und die Ver­schmut­zung von Was­ser – Flüs­sen, Seen und unter­ir­di­schen Gewäs­sern – sind eine sozia­le und öko­lo­gi­sche Kata­stro­phe. Was­ser­knapp­heit und Über­schwem­mun­gen auf­grund des Kli­ma­wan­dels stel­len eine enor­me Bedro­hung für Mil­li­ar­den von Men­schen dar. Was­ser ist ein Gemein­gut und soll­te daher von öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen unter Kon­trol­le der Verbraucher:innen ver­wal­tet und ver­teilt wer­den. Flä­chen auf dem Land und in den Städ­ten soll­ten was­ser­durch­läs­sig gemacht wer­den und imstan­de sein, Was­ser zu spei- chern, um mas­si­ve Über­schwem­mun­gen zu vermeiden.

Woh­nen: Das Grund­recht aller Men­schen auf ange­mes­se­nen, dau­er­haf­ten und öko­lo­gisch nach­hal­ti­gen Wohn­raum kann im Kapi­ta­lis­mus nicht gewähr­leis­tet wer­den. Das Gesetz des Pro­fits bringt Zwangs­räu­mun­gen, den Abriss von Gebäu­den und die Kri­mi­na­li­sie­rung der­je­ni­gen mit sich, die sich dage­gen weh­ren, aber auch hohe Ener­gie­kos­ten für die Armen und sub­ven­tio­nier­te erneu­er­ba­re Ener­gie für die Rei­chen. Die öffent­li­che Kon­trol­le des Immo­bi­li­en­mark­tes, die Sen­kung und das Ein­frie­ren der Zin­sen und Pro­fi­te der Ban­ken, der radi­ka­le Aus­bau von gutem, öffent­li­chem, sozia­lem und genos­sen­schaft­li­chem Wohn­raum, die Wär­me­däm­mung von Häu­sern durch die öffent­li­che Hand und ein umfang­rei­ches Pro­gramm zum Bau von ener­ge­tisch auto­no­men Gebäu­den sind ers­te Schrit­te einer alter­na­ti­ven Politik.

Gesund­heit: Die Schluss­fol­ge­run­gen aus der COVID-19- Pan­de­mie sind glas­klar: Pri­va­ti­sie­run­gen und Kür­zun­gen im Pfle­ge­be­reich gefähr­den die brei­te Bevöl­ke­rung – ins­be­son­de­re Kin­der, Frau­en und älte­re Men­schen – und stel­len eine beträcht­li­che Bedro­hung für die öffent­li­che Gesund­heit im All­ge­mei­nen dar. Die­ser Sek­tor muss mas­siv refi­nan­ziert und voll­stän­dig in die Hän­de der All­ge­mein­heit gelegt wer­den. Inves­ti­tio­nen müs­sen vor­ran­gig in die Prä­ven­ti­on flie­ßen. Die Phar­ma­in­dus­trie muss ver­ge­sell­schaf­tet werden.

Trans­port: Der Kapi­ta­lis­mus pri­vi­le­giert im Per­so­nen­ver­kehr das Pri­vat­au­to, was schwer­wie­gen­de gesund­heit­li­che und öko­lo­gi­sche Fol­gen hat. Die Alter­na­ti­ve dazu ist ein breit ange­leg­tes und effi­zi­en­tes Sys­tem der kos­ten­lo­sen Nut­zung öffent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel sowie die mas­si­ve Aus­wei­tung von Fuß- gän­ger- und Rad­fah­rer­zo­nen. Der­zeit wer­den Güter über gro­ße Ent­fer­nun­gen mit Last­wa­gen oder Con­tai­ner­schif­fen trans­por­tiert, was enor­me CO₂-Emis­sio­nen ver­ur­sacht; daher sind die Reduk­ti­on des ver­schwen­de­ri­schen Ver­brauchs und die Ver­la­ge­rung des Güter­trans­ports auf die Schie­ne drin­gend erfor­der­lich. Der Flug­ver­kehr muss erheb­lich redu­ziert und für Ent- fer­nun­gen, die auch mit der Bahn zurück­ge­legt wer­den kön­nen, gänz­lich abge­schafft werden.

4. Das Geld dort holen, wo es ist: Die Kapi­ta­lis­ten und die Rei­chen müs­sen zah­len.
Eine glo­ba­le Über­gangs­stra­te­gie, die die­sen Namen ver­dient, muss den Ersatz fos­si­ler Brenn­stof­fe durch erneu­er­ba­re Ener­gien, den Schutz vor den bereits spür­ba­ren Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels, die Ent­schä­di­gung für Ver­lus­te und Schä­den, die Unter­stüt­zung bei der Pro­duk­ti­ons-Umstel­lung (ins­be­son­de­re garan­tier­te Ein­kom­men für die betrof­fe­nen Beschäf­tig­ten) und die Wie­der­her­stel­lung der Öko­sys­te­me zum Ziel haben. Bis zum Jahr 2050 wer­den dafür meh­re­re Bil­lio­nen Dol­lar benö­tigt. Wer soll das bezah­len? Die­je­ni­gen, die für die Kata­stro­phe ver­ant­wort­lich sind: mul­ti­na­tio­na­le Unter­neh­men, Ban­ken, Pen­si­ons­fonds, impe­ria­lis­ti­sche Staa­ten und die Rei­chen des Nor­dens und des Südens.

Die öko­so­zia­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve erfor­dert ein umfas­sen­des Pro­gramm zur Steu­er­re­form und zum radi­ka­len Abbau von Ungleich­heit, um das Geld dort zu holen, wo es ist: durch pro­gres­si­ve Besteue­rung, Auf­he­bung des Bank­ge­heim­nis­ses, ein ein­seh­ba­res Katas­ter des Grund­be­sit­zes, die Besteue­rung von Ver­mö­gens­wer­ten, eine außer­or­dent­li­che Son­der­steu­er mit hohem Steu­er­satz auf das Erbe von Grund­be­sitz, die Besei­ti­gung von Steu­er­oa­sen, Abschaf­fung der Steu­er­pri­vi­le­gi­en für Unter­neh­men und Rei­che, Öff­nung der Geschäfts­bü­cher von Un- ter­neh­men, Decke­lung hoher Ein­kom­men, Abschaf­fung von als „ille­gi­tim“ aner­kann­ten öffent­li­chen Schul­den (ohne Ent­schä­di­gung, außer für Kleinanleger:innen), Ent­schä­di­gung der abhän­gi­gen Län­der für die Kos­ten des Ver­zichts auf die Aus­beu­tung ihrer fos­si­len Res­sour­cen (etwa das Yas­uni-Park-Pro­jekt) durch rei­che Länder.

5. Kei­ne Eman­zi­pa­ti­on ohne anti­ras­sis­ti­schen Kampf.
Ras­sis­ti­sche Unter­drü­ckung ist ein struk­tu­rel­ler und struk­tu­rie­ren­der Bestand­teil der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se. Sie sorg­te für die ursprüng­li­che Kapi­tal­ak­ku­mu­la­ti­on durch Kolo­ni­sie­rung und den Han­del mit ver­sklav­ten Schwar­zen. Um eine neue, von jeg­li­cher Unter­drü­ckung und Aus­beu­tung freie Welt auf­zu­bau­en, müs­sen wir den Kampf gegen Ras­sis­mus als zen­tra­les Ele­ment der öko­so­zia­lis­ti­schen Stra­te­gie ver­ste­hen. Wir müs­sen aner­ken­nen, dass Ras­sis­mus gesell­schaft- liche Ver­hält­nis­se prägt und dazu dient, die Mecha­nis­men der Aus­beu­tung durch die Bour­geoi­sie und die Anhäu­fung von Reich­tum zu stär­ken und kom­ple­xer zu gestal­ten. Daher wird Viel­falt, die von der wei­ßen Norm abweicht, unter­drückt. Die erzwun­ge­ne Dia­spo­ra von Mil­lio­nen von Afrikaner:innen, ihre Umwand­lung in eine Ware, ihre Kom­mer­zia­li­sie­rung auf dem ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent und die Aus­beu­tung ihrer Arbeits­kraft sorg­ten für die Berei­che­rung Euro­pas und sichern auch heu­te noch die Pri­vi­le­gi­en der Herrschenden.

Es gilt, mit der völ­ker­mör­de­ri­schen Logik gegen nicht-wei­ße Grup­pen zu bre­chen und den Kampf gegen Gefäng­nis­se und die mas­sen­haf­te Inhaf­tie­rung nicht-wei­ßer Per­so­nen auf­zu­neh­men. Hohe Haft­stra­fen für bestimm­te Grup­pen sind eine Begleit­erschei­nung des absur­den „Kriegs gegen Dro­gen“, mit dem sich im Sinn der neo­li­be­ra­len Stra­te­gie die völ­ker­mör­de­ri­sche Poli­tik gegen sozi­al und ras­sis­tisch unter­drück­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen recht­fer­ti­gen lässt. Der Kampf gegen die Mili­ta­ri­sie­rung der Poli­zei muss im Mit­tel­punkt eines anti­ras­sis­ti­schen Kamp­fes ste­hen, aber auch der Zugang zu ange­mes­se­nen Lebens­be­din­gun­gen für alle.

Ras­sis­mus ist bis heu­te ein zen­tra­ler Mecha­nis­mus der Unter­drü­ckung von Tei­len der arbei­ten­den Klas­se. Er äußert sich in einem aus­ge­klü­gel­ten Sys­tem von Zugangs­mög­lich­kei­ten und Beschrän­kun­gen, das sich aus­schließ­lich an wei­ßen Men­schen ori­en­tiert, die als ver­meint­lich uni­ver­sel­les Sub­jekt defi­niert wer­den. Für alle ande­ren – die ras­sis­tisch abge­wer­te­ten Men­schen – gel­ten ande­re Regeln. Es ist not­wen­dig, sich gegen jeg­li­che Austeri­täts­po­li­tik zu stel­len, da sie die arbei­ten­de Klas­se ins­ge­samt ins Pre­ka­ri­at abdrängt, aber vor allem nicht-wei­ße Men­schen ver­stärkt trifft. Damit wird auch die Umwelt­po­li­tik ras­sis­tisch, denn im Zuge der Kli­ma­kri­se wer­den die töd­li­chen Fol­gen der kapi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­on ungleich verteilt.

6. Bewe­gungs- und Auf­ent­halts­frei­heit auf der Erde! Nie­mand ist illegal!
Die Umwelt­zer­stö­rung ist ein Motor, der die Migra­ti­on rasant beschleu­nigt. Zwi­schen 2008 und 2016 wur­den im Jah­res­durch­schnitt 21,5 Mil­lio­nen Men­schen durch wet­ter­be­ding­te Ereig- nis­se zwangs­um­ge­sie­delt. Die meis­ten von ihnen sind bedürf-tige Men­schen aus armen Län­dern. Es wird erwar­tet, dass die durch den Kli­ma­wan­del aus­ge­lös­te Migra­ti­on in den kom­men­den Jahr­zehn­ten stark zuneh­men wird. Bis 2050 könn­ten welt­weit 1,2 Mil­li­ar­den Men­schen ver­trie­ben wer­den. Anders als Asyl­su­chen­de haben „Kli­ma­flücht­lin­ge“ kei­nen lega­len Sta­tus. Sie tra­gen kei­ne Ver­ant­wor­tung für die öko­lo­gi­sche Kata­stro­phe, aber der eigent­li­che Ver­ur­sa­cher – das kapi­ta­lis­ti­sche Sys­tem – zwingt sie, die Schar der 108,4 Mil­lio­nen Men­schen wei­ter zu ver­grö­ßern, die im Jahr 2020 welt­weit auf­grund von Ver­fol­gung, Kon­flik­ten, Gewalt und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zwangs­um­ge­sie­delt wurden.

Die Grund­rech­te die­ser Men­schen – das Recht auf Schutz vor Gewalt, auf aus­rei­chend Was­ser und Nah­rung, auf siche­re Unter­kunft, auf Fami­li­en­le­ben und auf einen ange­mes­se­nen Arbeits­platz – sind stän­di­gen Angrif­fen aus­ge­setzt. Eine wach­sen- de Zahl (10 Mil­lio­nen) wird sogar von der UNHCR als staa­ten­los ein­ge­stuft. All das steht im Wider­spruch zu ele­men­tars­ter Gerech­tig­keit und spielt den Faschis­ten in die Hän­de, die Migrant:innen zum Sün­den­bock machen und ihnen das Mensch­sein abspre­chen. Das ist eine immense Bedro­hung für die de- mokra­ti­schen und sozia­len Rech­te aller Men­schen. Als Internationalist:innen kämp­fen wir gegen das Kapi­tal, nicht für eine restrik­ti­ve Poli­tik gegen Migrant:innen. Wir sind gegen den Bau von Mau­ern, die Inter­nie­rung in spe­zi­el­len Zen­tren, den Bau von Lagern, gegen Aus­wei­sun­gen, Abschie­bun­gen und gegen eine ras­sis­ti­sche Rhe­to­rik. Nie­mand ist ille­gal auf der Welt, alle müs­sen das Recht haben, sich frei zu bewe­gen. Die Gren­zen müs­sen für alle offen sein, die aus ihrem Land flie­hen, sei es aus sozia­len, poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen oder öko­lo­gi­schen Gründen.

7. Unnö­ti­ge und schäd­li­che Wirt­schafts­zwei­ge abschaffen.
Um die Kli­ma­ka­ta­stro­phe und den Rück­gang der Arten­viel­falt zu ver­hin­dern, muss der End­ener­gie­ver­brauch auf glo­ba­ler Ebe­ne umge­hend und spür­bar redu­ziert wer­den. Dar­an führt kein Weg vor­bei. Zu den ers­ten Schrit­ten gehö­ren die dras­ti­sche Ver­rin­ge­rung der Kauf­kraft der Rei­chen, der Ver­zicht auf Weg­werf­klei­dung, auf Wer­bung und Luxus­pro­duk­te bzw. Luxus­kon­sum (Kreuz­fahr­ten, Yach­ten, Pri­vat­jets oder Pri­vat­hub­schrau­ber, Welt­raum­tou­ris­mus usw.), die Ein­schrän­kung der Mas­sen­pro­duk­ti­on von Fleisch- und Milch­pro­duk­ten sowie die Been­di­gung der pro­gram­mier­ten Obso­les­zenz von Pro­duk­ten, an deren Stel­le die Ver­län­ge­rung ihrer Lebens­dau­er und eine ein­fa­che­re Repa­ra­tur gesetzt wer­den muss. Güter­trans­por­te auf dem Luft- und See­weg müs­sen durch Pro­duk­ti­ons­ver­la­ge­run­gen dras­tisch redu­ziert und durch den Schie­nen­ver­kehr ersetzt wer­den, wo immer das mög­lich ist. Struk­tu­rell gese­hen sind Ein­schrän­kun­gen beim Ener­gie­ver­brauch nur dann rea­lis­tisch, wenn nutz­lo­se und schäd­li­che wirt­schaft­li­che Tätig­kei­ten so schnell wie mög­lich redu­ziert wer­den. Dabei sind vor allem fol­gen­de Pro­duk­ti­ons­zwei­ge zu berück­sich­ti­gen: die Waf­fen­pro­duk­ti­on, fos­si­le Ener­gie und Petro­che­mie, die extrak­ti­ve Indus­trie, nicht­nach­hal­ti­ge Pro­duk­ti­ons­wei­sen, die Holz- und Zell- stoff­in­dus­trie, der Bau von Per­so­nen­kraft­wa­gen, Flug­zeu­gen und Schiffen.

8. Ernäh­rungs­sou­ve­rä­ni­tät! Raus aus der Agrar­in­dus­trie, der indus­tri­el­len Fische­rei und der Fleischindustrie!
Die­se drei Wirt­schafts­sek­to­ren stel­len eine ernst­haf­te Bedro­hung für das Kli­ma, die Gesund­heit der Men­schen und die Arten­viel­falt dar. Ihre Besei­ti­gung erfor­dert Maß­nah­men im Bereich der Pro­duk­ti­on, aber auch erheb­li­che Ver­än­de­run­gen des Kon­sum­ver­hal­tens (in den Indus­trie­län­dern und bei den Rei­chen in allen Län­dern) sowie eine ande­re Bezie­hung zu allen Lebe­we­sen. Es bedarf einer pro­ak­ti­ven Poli­tik, um die Ent­wal­dung auf­zu­hal­ten und die Agrar­in­dus­trie, die indus­tri­el­len Baum­plan­ta­gen und die Groß­fi­sche­rei durch klein­bäu­er­li­che Agrar­öko­lo­gie, Öko­forst­wirt­schaft bzw. Klein­fi­sche­rei zu erset­zen, die weni­ger Ener­gie ver­brau­chen, mehr Arbeits­kräf­te beschäf­ti­gen und wesent­lich mehr Rück­sicht auf die Arten­viel­falt neh­men. Kleinbäuer:innen und Fischer:innen sind von der All­ge­mein­heit ange­mes­sen zu ent­schä­di­gen, nicht nur für ihren Bei­trag zur mensch­li­chen Ernäh­rung, son­dern auch aus öko­lo­gi­schen Grün­den. Die Rech­te der indi­ge­nen Völ­ker auf den Wald und ande­re Öko­sys­te­me müs­sen geschützt und der welt­wei­te Fleisch­kon­sum muss dras­tisch redu­ziert wer­den. Dafür braucht es gra­vie­ren­de Ein­schnit­te bei der Fleisch- und Milch­in­dus­trie und die För­de­rung einer Ernäh­rungs­wei­se, die vor­wie­gend auf loka­ler Gemü­se­pro­duk­ti­on beruht. So lässt sich auch die unwür­di­ge Behand­lung von Tie­ren in der Fleisch­in­dus­trie und in der indus­tri­el­len Fische­rei beenden.

Vor­ran­gi­ges Ziel ist die Ernäh­rungs­sou­ve­rä­ni­tät im Sin­ne der Vor­schlä­ge von Via Cam­pe­si­na. Das erfor­dert eine radi­ka­le Agrar­re­form: das Land den­je­ni­gen, die es bear­bei­ten, ins­be­son­de­re den Frau­en; Ent­eig­nung der Groß­grund­be­sit­zer und der kapi­ta­lis­ti­schen Agrar­in­dus­trie, die Waren für den Welt­markt pro­du­zie­ren; Ver­tei­lung von Land an Kleinbäuer:innen und Land­lo­se (Fami­li­en oder Genos­sen­schaf­ten) zuguns­ten einer bio­lo­gi­schen Land­wirt­schaft; Ver­bot alter und neu­er Kul­tu­ren gen­tech­nisch ver­än­der­ter Orga­nis­men (GVO) im Frei­land und gif­ti­ger Pes­ti­zi­de (ange­fan­gen bei den­je­ni­gen, deren Ver­wen­dung in den impe­ria­lis­ti­schen Län­dern ver­bo­ten, deren Export in die abhän­gi­gen Län­der jedoch zuge­las­sen ist).

9. Umbau der Städ­te im Inter­es­se der Men­schen.
Mehr als die Hälf­te der Welt­be­völ­ke­rung lebt heu­te in immer grö­ße­ren Städ­ten. Gleich­zei­tig ent­völ­kern sich die länd­li­chen Regio­nen; sie wer­den durch die Agrar­in­dus­trie und den Berg­bau zugrun­de gerich­tet und sind zuneh­mend von den ele­men­tars­ten Dienst­leis­tun­gen abge­schnit­ten. Eini­ge der größ­ten Mega­städ­te der Welt (Jakar­ta, Mani­la, Mexi­ko-Stadt, Neu-Delhi, Bom­bay, São Pau­lo und ande­re) befin­den sich in den abhän­gi­gen Län­dern; die Zahl der Obdach­lo­sen und der Slums, in denen Mil­lio­nen von Men­schen (um Kara­chi, Nai­ro­bi, Bag­dad …) unter unwür­di­gen Bedin­gun­gen leben und (im infor­mel­len Sek­tor) arbei­ten, nimmt wei­ter zu. Das ist eine der schlimms­ten Fol­gen der kapi­ta­lis­ti­schen Ent­wick­lung und der impe­ria­lis­ti­schen Herr­schaft. Neben der Gewalt erschwe­ren Hit­ze­wel­len das Über­le­ben in den Slums und Armen­vier­teln, vor allem in feuch­ten Klimazonen.

Die öko­so­zia­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve steht für ein umfang­rei­ches Pro­gramm für sozia­len Woh­nungs­bau, beglei­tet von einer Stadt­pla­nung im Inter­es­se der Men­schen und unter Mit­wir­kung von Ver­bän­den der Woh­nungs­lo­sen, um das Leben in den Groß­städ­ten neu zu gestal­ten. Das erfor­dert einer­seits eine Arbeits­ge­setz­ge­bung zum Schutz der Beschäf­tig­ten und ande­rer­seits eine attrak­ti­ve Agrar­re­form, um eine Gegen­be­we­gung zur Land­flucht in Gang zu setzen.

10. Ener­gie und Finanz­sek­tor ohne Ent­schä­di­gung oder Rück­kauf­op­tio­nen ver­ge­sell­schaf­ten, um so schnell als mög­lich aus fos­si­len Brenn­stof­fen und Atom­kraft aus­stei­gen zu können.
Die Ener­gie­mul­tis und die Ban­ken, die sie finan­zie­ren, wol­len jede Ton­ne Koh­le, jeden Liter Öl und jeden Kubik­me­ter Gas bis zum Ende aus­beu­ten. Zuerst haben sie die Aus­wir­kun­gen des CO2 auf den Kli­ma­wan­del ver­schwie­gen und geleug­net. Heu­te ver­spre­chen sie alle mög­li­chen Schein­tech­no­lo­gien (Green­wa­shing, Tausch von „Ver­schmut­zungs­rech­ten“, „Emis­si­ons­aus- gleich“, „Koh­len­stoff­ab­schei­dung, -seques­trie­rung und -ver­wer­tung“) und prei­sen die Atom­ener­gie als „koh­len­stoff­arm“ an, um die Plün­de­rung der Res­sour­cen unge­hin­dert fort­zu­set­zen, wobei ihnen die gro­ßen Preis­stei­ge­run­gen gigan­ti­sche Extra­pro­fi­te sichern. Es besteht kein Zwei­fel: Die­se pro­fit­gie­ri­gen Kon­zer­ne stür­zen den Pla­ne­ten über die Kli­ma­zer­stö­rung in die nicht mehr beherrsch­ba­re erd­ge­schicht­li­che Kata- stro­phe. Gleich­zei­tig ste­hen sie an der Spit­ze der kapi­ta­lis­ti­schen Angrif­fe auf die arbei­ten­de Klas­se. Daher ist ihre Ver­ge­sell­schaf­tung durch Ent­eig­nung ein Gebot der Stun­de, und zwar ohne Ent­schä­di­gung und ohne Rück­kauf­op­tio­nen. Um die sozia­le und öko­lo­gi­sche Zer­stö­rung abwen­den und unse­re Zukunft gemein­sam in die Hand neh­men zu kön­nen, ist nichts drin­gen­der als die Schaf­fung eines dezen­tra­li­sier­ten und ver­netz­ten öffent­li­chen Ener­gie- und Kre­dit­sek­tors unter demo­kra­ti­scher Kon­trol­le der Bevölkerung.

11. Für die Befrei­ung und die Selbst­be­stim­mung der Völ­ker, gegen Krieg, Impe­ria­lis­mus und Kolonialismus.
Wir ver­tre­ten ein inter­na­tio­na­lis­ti­sches Pro­gramm auf Grund­la­ge sozia­ler Gerech­tig­keit; wir tre­ten gemein­sam mit fort­schritt­li­chen Kräf­ten für einen öko­so­zia­lis­ti­schen Wan­del und für den Frie­den zwi­schen den Völ­kern ein. Wir wen­den uns gegen jeg­li­che Poli­tik der Unter­drü­ckung. Des­halb sind wir gegen die NATO und ande­re Mili­tär­bünd­nis­se, die die Welt in neue Kon­flik­te zwi­schen den impe­ria­lis­ti­schen Mäch­ten trei­ben. Wir kämp­fen gegen die Erhö­hung der Mili­tär­bud­gets, für ein Ende der Rüs­tungs­pro­duk­ti­on und für die Ver­nich­tung aller Bestän­de an nuklea­ren, che­mi­schen, bak­te­rio­lo­gi­schen und Cyber­waf­fen sowie für die Zer­schla­gung aller pri­va­ten Rüs­tungs­kon­zer­ne. Waf­fen dür­fen kei­ne Ware sein. Ihr Ein­satz darf aus­schließ­lich unter poli­ti­scher Kon­trol­le zum Zweck der Ver­tei­di­gung und des Schut­zes vor Aggres­si­on erfol­gen. Der ein­zi­ge Weg zum Frie­den führt über den sieg­rei­chen Kampf für das Recht auf Selbst­be­stim­mung und für die Been­di­gung von Land­raub und eth­ni­scher Säu­be­rung. Als Internationalist:innen sind wir soli­da­risch mit allen Unter­drück­ten, die für ihre Rech­te kämp­fen, vor allem in Paläs­ti­na und in der Ukraine.

12. Beschäf­ti­gungs­ga­ran­tie für alle, Gewähr­leis­tung der not­wen­di­gen Umschu­lung auf öko­lo­gisch nach­hal­ti­ge und gesell­schaft­lich nütz­li­che Tätigkeiten.
Es darf nicht sein, dass Men­schen, die in nicht-nach­hal­ti­gen und schäd­li­chen Bran­chen (För­de­rung fos­si­ler Brenn­stof­fe, Agrar­in­dus­trie, Groß­fi­sche­rei, Fleisch­in­dus­trie …) beschäf­tigt sind, den Preis für das kapi­ta­lis­ti­sche Manage­ment zah­len. Es muss eine Garan­tie für den Umstieg auf grü­ne Arbeits­plät­ze geben, damit es wäh­rend der gesam­ten Umschu­lung auf Tätig­kei­ten im öffent­li­chen Inter­es­se, zur Deckung der tat­säch­li­chen Bedürf­nis­se und zur Wie­der­her­stel­lung der Öko­sys­te­me zu kei­nen Ein­kom­mens­ver­lus­ten kommt. Eine sol­che Garan­tie wird die berech­tig­ten Ängs­te der betrof­fe­nen Beschäf­tig­ten zer­streu­en und der zyni­schen Instru­men­ta­li­sie­rung die­ser Ängs­te durch die Kapi­ta­lis­ten im Inter­es­se ihrer pro­duk­ti­vis­ti­schen und kon­sum­fi­xier­ten Ambi­tio­nen den Wind aus den Segeln neh­men. Eine grü­ne Arbeits­platz­ga­ran­tie wird die Beschäf­tig­ten in den aus­ster­ben­den Bran­chen ermu­ti­gen, sich fort­zu­bil­den und sich aktiv und im Dia­log mit der Öffent­lich­keit an der Umset­zung eines grü­nen Pro­gramms zu betei­li­gen, das allen zugu­te­kommt. Dabei wer­den sie ihr Wis­sen, ihre Fähig­kei­ten und ihre Erfah­rung in eine sinn­stif­ten­de, eman­zi­pa­to­ri­sche, wahr­haft mensch­li­che, weil auf das Leben künf­ti­ger Gene­ra­tio­nen gerich­te­te Arbeit ein­brin­gen können.

13. Weni­ger und bes­ser arbei­ten, ein gutes Leben führen.
Eine radi­ka­le Ver­rin­ge­rung des End­ener­gie­ver­brauchs durch Ver­mei­dung nutz­lo­ser und schäd­li­cher Produktion/Konsumption hat logi­scher­wei­se eine radi­ka­le Ver­kür­zung der Zeit für bezahl­te gesell­schaft­li­che Arbeit zur Fol­ge. Die­se Ver­rin­ge­rung muss für alle gel­ten. Die kapi­ta­lis­ti­sche Ver­schwen­dung hat ein Aus­maß erreicht, dass durch ihre Besei­ti­gung eine beträcht­li­che Ver­kür­zung der Wochen­ar­beits­zeit (bis um die Hälf­te) und eine erheb­li­che Sen­kung des Ren­ten­al­ters ohne Zwei­fel rea­lis­tisch sind. Die­se Ten­denz wird teil­wei­se durch eine eben­falls not­wen­di­ge Reduk­ti­on der Arbeits­in­ten­si­tät sowie durch die Zunah­me der erfor­der­li­chen sozia­len und öko­lo­gi­schen Repro­duk­ti­ons­ar­beit aus­ge­gli­chen wer­den (Kin­der- und Alten­be­treu­ung – ein­schließ­lich der Ver­ge­sell­schaf­tung eines Teils der über- wie­gend von Frau­en unent­gelt­lich geleis­te­ten Haus­ar­beit – sowie Schutz der Ökosysteme).

Eine demo­kra­ti­sche Pla­nung wird für die schritt­wei­se Rea­li­sie­rung die­ser Vor­ha­ben uner­läss­lich sein. Der öko­so­zia­lis­ti­sche Bruch mit dem kapi­ta­lis­ti­schen Wachs­tum geht mit einer dop­pel­ten Trans­for­ma­ti­on der Arbeits­welt ein­her. Quan­ti­ta­tiv wer­den wir weit weni­ger arbei­ten. Qua­li­ta­tiv wird die Vor­aus­set­zung dafür geschaf­fen, dass Arbeit zu einer Tätig­keit des guten Lebens wird – eine bewuss­te Ver­mitt­lung zwi­schen den Men­schen (also auch zwi­schen Män­nern und Frau­en) und zwi­schen den Men­schen und der nicht-mensch­li­chen Natur. Die­se tief­grei­fen­de Umge­stal­tung von Arbeit und Leben wird Ände­run­gen beim Kon­sum mehr als aus­glei­chen. Das betrifft in ers­ter Linie die am bes­ten bezahl­ten Schich­ten der arbei­ten­den Klas­se, vor allem in den ent­wi­ckel­ten Ländern.

14. Das Recht der Frau­en garan­tie­ren, über ihren eige­nen Kör­per zu bestim­men.
Die Mensch­heit wird nicht in der Lage sein, ihre Bezie­hung zur nicht-mensch­li­chen Natur bewusst zu gestal­ten, ohne ihre Bezie­hung zu sich selbst bewusst zu gestal­ten. Das betrifft die eige­ne bio­lo­gi­sche Repro­duk­ti­on durch den Kör­per der Frau. Es ist kein Zufall, dass die patri­ar­cha­len Angrif­fe auf die Rech­te der Frau­en über­all zuneh­men, denn die­se Angrif­fe sind inte­gra­ler Bestand­teil von poli­ti­schen Pro­jek­ten, die dar­auf abzie­len, die Herr­schaft der Rei­chen und der Kapi­ta­lis­ten zu kon­so­li­die­ren. Sie erfol­gen meist im Namen einer reak­tio­nä­ren „Pro-Life“-Ideologie, die im Übri­gen auch den men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del leug­net. Neben die­sen reak­tio­nä­ren Kräf­ten gibt es aber auch tech­no­kra­ti­sche Strö­mun­gen, die die öko­lo­gi­sche Kri­se auf die „Über­be­völ­ke­rung“ schie­ben und so ver­su­chen, eine auto­ri­tä­re Poli­tik der Gebur­ten­kon­trol­le durch­zu­set­zen. Ange­sichts die­ser dop­pel­ten Bedro­hung hal­ten wir dar­an fest, dass kei­ne Moral, kein höhe­rer Grund, auch kein öko­lo­gi­scher, gel­tend gemacht wer­den kann, um Frau­en ihr ele­men­ta­res Recht abzu­spre­chen, über ihre eige­ne Frucht­bar­keit zu bestim­men. Die Ver­wei­ge­rung die­ses Rechts unter­schei­det sich nicht von allen ande­ren Herr­schafts­me­cha­nis­men zum Nut­zen des Patri­ar­chats in sei­ner der­zei­ti­gen kapi­ta­lis­ti­schen Gestalt – ein­schließ­lich der „mensch­li­chen Herr­schaft“ über die nicht-mensch­li­che Natur. Es gibt kei­ne mensch­li­che Eman­zi­pa­ti­on ohne Frau­en­eman­zi­pa­ti­on. Das bedeu­tet in ers­ter Linie, dass Frau­en frei­en Zugang zu Ver­hü­tungs­mit­teln (ein­schließ­lich Auf­klä­rung über ihre Anwen­dung), Abtrei­bung und all­ge­mein zu repro­duk­ti­ver Gesund- heits­ver­sor­gung haben müssen.

15. Wis­sen ist ein gemein­sa­mes Gut, Reform des Bil­dungs­we­sens und der Forschung.
Die Umset­zung des öko­so­zia­lis­ti­schen Sofort­pro­gramms erfor­dert umge­hend die Befrei­ung des Wis­sens von neo­ko­lo­nia­len und Kapi­tal­in­ter­es­sen – mit Hil­fe einer gro­ßen Zahl an gut aus­ge­bil­de­ten Lehrer:innen und Forscher:innen aller Dis­zi­pli­nen. Es geht um eine Reform des Bil­dungs­we­sens, den Aus­bau öffent­li­cher Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten und das Ende jeg­li­cher Dis­kri­mi­nie­rung im Bil­dungs­we­sen, der in eini­gen Län­dern vor allem Mäd­chen zum Opfer fal­len. Wis­sen und Kennt­nis­se von Indi­ge­nen müs­sen aner­kannt und her­an­ge­zo­gen wer­den. In der For­schung sind weit­rei­chen­de Refor­men erfor­der­lich, um ihrer Unter­wer­fung unter das Kapi­tal ein Ende zu set­zen. Der Schwer­punkt muss dabei auf der Wie­der­her­stel­lung der Öko­sys­te­me und auf der Befrie­di­gung der Bedürf­nis­se der arbei­ten­den Klas­sen lie­gen – und zwar in Abspra­che mit den Betroffenen.

16. Hän­de weg von den demo­kra­ti­schen Rech­ten! Kon­trol­le durch die Bevöl­ke­rung und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on der Kämpfe.
Da die herr­schen­de Klas­se nicht in der Lage ist, die von ihr ver­ur­sach­te öko­lo­gi­sche Kata­stro­phe ein­zu­däm­men, ver­här­tet sie ihr Regime, kri­mi­na­li­siert den Wider­stand und benennt Sün­den­bö­cke. Ihre Poli­tik ebnet den Weg für einen nihi­lis­ti­schen, natio­na­lis­ti­schen, ras­sis­ti­schen und machis­ti­schen Neo­fa­schis­mus. Wäh­rend die Bour­geoi­sie ihre Mas­ke fal­len lässt, tritt der Öko­so­zia­lis­mus für eine Erwei­te­rung der Rech­te und Frei­hei­ten ein: Ver­ei­ni­gungs- und Demons­tra­ti­ons­recht, Streik­recht; freie Wahl der par­la­men­ta­ri­schen Orga­ne in einem Mehr­par­tei­en­sys­tem, Ver­bot der pri­va­ten Finan­zie­rung poli­ti­scher Par­tei­en, Lega­li­sie­rung von Basis­in­itia­ti­ven zur Abhal­tung von Volks­ab­stim­mun­gen, Abschaf­fung unde­mo­kra­ti­scher Insti­tu­tio­nen (etwa einer auto­no­men Zen­tral­bank), Ver­bot des Pri­vat-eigen­tums an den wich­tigs­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln, Abschaf­fung der Zen­sur, für den Kampf gegen die Kor­rup­ti­on, für die Auf­lö­sung pri­va­ter Mili­zen, die Ach­tung der Rech­te und Ter­ri­to­ri­en der indi­ge­nen Gemein­schaf­ten und ande­rer unter­drück­ter Völ­ker usw. Eine öko­so­zia­lis­ti­sche Gesell­schaft lässt sich nicht ohne brei­tes­te Demo­kra­tie ver­wirk­li­chen. All das lässt sich am bes­ten vor­be­rei­ten durch die demo­kra­ti­sche Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Basis­be­we­gun­gen und die For­de­rung nach Trans­pa­renz und Kon­trol­le auf allen Ebe­nen inklu­si­ve von Veto­rech­ten der Bevölkerung.

17. Für eine Kul­tur­re­vo­lu­ti­on in Ein­klang mit der Ach­tung vor dem Leben und der „Lie­be zur Mut­ter Erde“.
Ein radi­ka­ler Bruch mit der Ideo­lo­gie der Herr­schaft des Men­schen über die Natur ist für die Ent­wick­lung einer öko­lo­gi­schen und (öko)feministischen Kul­tur der „Für­sor­ge“ für Mensch und Umwelt uner­läss­lich. Ins­be­son­de­re der Schutz der Arten­viel­falt kann sich nicht allein auf die Ver­nunft (das mensch­li­che Inter­es­se im enge­ren Sinn) ver­las­sen. Hier sind auch Ein­füh­lungs­ver­mö­gen, Respekt, Umsicht und eine glo­ba­le Sicht­wei­se von­nö­ten, die von den indi­ge­nen Völ­kern mit dem Begriff „Lie­be zur Mut­ter Erde“ zum Aus­druck gebracht wird. Die Auf­recht­erhal­tung oder Wie­der­an­eig­nung die­ser Welt­sicht – in den Kämp­fen, im künst­le­ri­schen Schaf­fen, über Bil­dung sowie durch Pro­duk­ti­ons-/Kon­su­mal­ter­na­ti­ven – stellt eine enor­me ideo­lo­gi­sche Her­aus­for­de­rung im öko­so­zia­lis­ti­schen Kampf dar. In der west­li­chen Moder­ne hat sich die Vor­stel­lung vom Men­schen als gött­li­ches Wesen durch­ge­setzt, das den Auf­trag hat, die Natur zu beherr­schen sowie ande­re Lebe­we­sen zum eige­nen Vor­teil zu nut­zen und auf eine Stu­fe mit Maschi­nen zu stel­len. Die­se nicht-mate­ria­lis­ti­sche Kon­zep­ti­on, die eng mit kolo­nia­len und patri­ar­cha­len Herr­schafts­ver­hält­nis­sen ver­bun­den ist, wird durch aktu­el­le wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se wider­legt. Wir sind Teil der leben­di­gen Erde, wir sind auch Lebe­we­sen und mensch­li­ches Leben wäre ohne Pflan­zen und ohne Tie­re, ohne das Netz­werk des Lebens auf die­sem Pla­ne­ten nicht denkbar.

18. Selbst­ver­wal­te­te öko­so­zia­lis­ti­sche Pla­nung.
Der öko­so­zia­lis­ti­sche Über­gang, ins­be­son­de­re die Umwand­lung des Ener­gie­sek­tors (Aus­stieg aus der Atom­ener­gie und fos­si­len Brenn­stof­fen, Ener­gie­ein­spa­rung und Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien) muss geplant wer­den. Im Gegen­satz zu gän­gi­gen Behaup­tun­gen steht Pla­nung nicht im Wider­spruch zu Demo­kra­tie und Selbst­ver­wal­tung. Das kata­stro­pha­le Bei­spiel der Län­der des „real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus“ zeigt ledig­lich, dass Selbst­ver­wal­tung unver­ein­bar ist mit einer auto­ri­tä­ren, büro­kra­ti­schen und von oben ver­ord­ne­ten Pla­nung, die alle demo­kra­ti­schen Grund­sät­ze missachtet.

Was ver­ste­hen wir also unter demo­kra­ti­scher öko­so­zia­lis­ti­scher Pla­nung? Kon­kret bedeu­tet sie, dass es Auf­ga­be der gesam­ten Gesell­schaft ist, die Prio­ri­tä­ten der Pro­duk­ti­on und die Höhe der Mit­tel, die in Bil­dung, Gesund­heit oder Kul­tur flie­ßen müs­sen, demo­kra­tisch fest­zu­le­gen. Weit davon ent­fernt, „des­po­tisch“ zu sein, bedeu­tet demo­kra­ti­sche öko­so­zia­lis­ti­sche Pla­nung in der Pra­xis Ent­schei­dungs­frei­heit auf allen Ebe­nen der Gesell­schaft, von der loka­len über die natio­na­le bis zur glo­ba­len. Das ist uner­läss­lich, um sich von den ent­frem­de­ten und ver­ding­lich­ten „öko­no­mi­schen Geset­zen“ und „eiser­nen Käfi­gen“ der kapi­ta­lis­ti­schen und büro­kra­ti­schen Struk- turen zu befreien.

Eine demo­kra­ti­sche Pla­nung, ver­bun­den mit einer Ver­kür­zung der Arbeits­zeit, wäre ein beträcht­li­cher Fort­schritt der Mensch­heit in Rich­tung des­sen, was Marx „das Reich der Frei­heit“ genannt hat. Mehr Frei­zeit ist zwei­fel­los eine Vor­aus­set­zung für die Betei­li­gung der arbei­ten­den Bevöl­ke­rung an demo­kra­ti­schen Dis­kus­sio­nen und an der Selbst­ver­wal­tung von Wirt­schaft und Gesell­schaft. Dabei geht es um rele­van­te wirt­schaft­li­che Ent­schei­dun­gen, also nicht um loka­le Restau­rants, Lebens­mit­tel­ge­schäf­te, Bäcke­rei­en, klei­ne Läden und Handwerksbetriebe.

Eben­so wich­tig ist es zu beto­nen, dass öko­so­zia­lis­ti­sche Pla­nung nicht im Wider­spruch zur Selbst­ver­wal­tung der Beschäf- tig­ten in ihren Pro­duk­ti­ons­ein­hei­ten steht. Selbst­ver­wal­tung bedeu­tet demo­kra­ti­sche Kon­trol­le der Pla­nung auf allen Ebe­nen – lokal, regio­nal, natio­nal, kon­ti­nen­tal und glo­bal, da öko­lo­gi­sche Fra­gen wie die Kli­ma­zer­stö­rung sich glo­bal stel­len und nur auf die­ser Ebe­ne ange­gan­gen wer­den kön­nen. Eine öko­so­zia­lis­ti­sche demo­kra­ti­sche Pla­nung steht im Gegen­satz zu dem, was oft als „zen­tra­le Pla­nung“ bezeich­net wird, weil Ent­schei­dun­gen eben nicht von einem „Zen­trum“ getrof­fen wer­den, son­dern demo­kra­tisch und gemäß dem Sub­si­dia­ri­täts- prin­zip von den jeweils betrof­fe­nen Men­schen. Die Ver­ant­wor­tung für erfor­der­li­che öffent­li­che Maß­nah­men muss der jeweils kleins­ten Ein­heit über­tra­gen wer­den, die in der Lage ist, das Pro­blem selbst zu lösen.

Aus Theo­rie­bei­la­ge Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2024
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