Streik bei der Deut­schen Bahn AG

Nur wer kämpft, kann gewinnen

 

Am 29. Janu­ar 2024 ist der fünf­tä­gi­ge Streik der Gewerk­schaft Deut­scher Loko­mo­tiv­füh­rer (GDL) bei der Deut­schen Bahn AG been­det wor­den. Wir haben mit Dan­ny Gross­hans über die Hin­ter­grün­de des aktu­el­len Tarif­kon­flikts bei der DB AG gespro­chen. Kol­le­ge Gross­hans ist 2. stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Bezirks Süd-West der GDL.*

GDL-Streik in Mannheim, 11. Januar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

GDL-Streik in Mann­heim, 11. Janu­ar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Hat der Streik Wir­kung gezeigt und wie geht es weiter?
Bei der DB AG hat man immer den Ein­druck, dass – kos­te es was es wol­le – die berech­tig­ten For­de­run­gen der GDL immer bis zur Ulti­ma Ratio, bis zum Äußers­ten, getrie­ben wer­den müs­sen. Es hat den Anschein, dass Arbeits­kämp­fe bei den Ver­ant­wort­li­chen erst Ein­druck hin­ter­las­sen, wenn der Druck aus Öffent­lich­keit und Poli­tik steigt. Die Streik­aus­wir­kun­gen beim letz­ten Arbeits­kampf schei­nen die Blo­cka­de­hal­tung im Vor­stand der Deut­schen Bahn AG end­lich etwas gelöst zu haben. Die beein­dru­cken­den Aus­wir­kun­gen und Streik­teil­nah­men unter ande­rem auch im Bereich der Infra­struk­tur las­sen sich jetzt nicht mehr vom Tisch wischen. In Hin­ter­grund­ge­sprä­chen haben sie nun die Ver­hand­lungs­ver­wei­ge­rung zum Bei­spiel zur 35-Stun­den- Woche für Schicht­ar­bei­ter und zum Tarif­ver­trag für die Infra­struk­tur abge­legt. Ob das im Lau­fe der Ver­hand­lun­gen so bleibt, erfah­ren wir frü­hes­tens am 3. März 2024. Bis dahin besteht jetzt Frie­dens­pflicht und Still­schwei­gen über den Stand der Verhandlungen.

Im Gegen­satz zu den Trans­dev-Unter­neh­men haben es die Ver­ant­wort­li­chen bei der Deut­schen Bahn AG noch ein­mal wis­sen wol­len. Bereits nach dem Streik im Janu­ar hat Trans­dev erklärt, die bei 18 Unter­neh­men bereits ver­ein­bar­te Ver­rin­ge­rung der Arbeits­zeit ohne antei­li­ge Absen- kung des Ent­gelts 1:1 über­neh­men zu wol­len. Dar­auf­hin haben wir im Janu­ar die Arbeits­kampf­maß­nah­men bei Trans­dev vor- zei­tig been­det. War­um wir bei der Deut­schen Bahn AG dafür noch­mals für 5 Tage strei­ken muss­ten erschließt sich mir nicht wirklich.

Wel­chen Stel­len­wert hat die For­de­rung nach Arbeits­zeit­ver­kür­zung bei vol­lem Lohn­aus­gleich für die GDL?
Unse­re For­de­rung nach einer Absen­kung der Arbeits­zeit ohne antei­li­ge Absen­kung des Ent­gelts hat für unse­re Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen einen sehr hohen Stel­len­wert und ist abschluss­re­le­vant. Die Fra­ge nach dem OB stellt sich nicht, son­dern hier geht es ledig­lich um das WIE. Dass wir bei dem WIE kom­pro­miss­be­reit sind, zei­gen die bereits eben ange­spro­che­nen Tarif­ab­schlüs­se bei aktu­ell 18 Eisen­bahn­un­ter­neh­men. Dort haben wir die stu­fen­wei­se Absen­kung der Arbeits­zeit bis 2028 bereits ver­bind­lich vereinbart. 
Was sich erst­mal unlo­gisch anhört, das erscheint am Ende aber logisch. Die Arbeits­zeit­ab­sen­kung wird sogar dazu füh­ren, dem Fach­kräf­te­man­gel ent­ge­gen­zu- wir­ken. Wir stel­len seit Jah­ren fest, dass gera­de Beru­fe – fern­ab von „Home­of­fice“ und einer 4-Tage Woche – rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr auf dem Bewer­ber­markt nicht gut ankom­men. Es müs­sen Anrei­ze geschaf­fen wer­den, damit sich wie­der Leu­te für die Beru­fe an und für die Eisen­bahn begeis­tern kön­nen. Pas­siert das nicht, fin­den Kli­ma- und Ver­kehrs­wen­de wei­ter­hin nur in Sonn­tags­re­den statt. In der Rea­li­tät kön­nen aber Stell­wer­ke oder Züge nicht besetzt und Instand­hal­tun­gen nicht durch­ge­führt wer­den, weil das Per­so­nal schlicht­weg nicht vor­han­den ist.

GDL-Streik in Mannheim, 11. Januar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

GDL-Streik in Mann­heim, 11. Janu­ar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Wel­che Rol­le spie­len die Medi­en in die­ser Auseinandersetzung?
Wir fin­den es scha­de, dass die Medi­en aus­schließ­lich Inter­es­se an der GDL haben, wenn die­se einen Streik­auf­ruf ver­kün­det. Bereits seit 2016 for­dern wir zum Bei­spiel die Tren­nung von Netz und Betrieb. Ein zen­tra­ler Punkt dabei ist, dass gera­de die Infra­struk­tur (Schie­ne, Bahn­hö­fe, Ener­gie) dem Gemein­wohl zuge­führt und somit Inves­ti­tio­nen des Bun­des und die Ein­nah­men auch wie­der für den Erhalt und Aus­bau der Infra­struk­tur ver­wen­det wer­den und nicht – wie jetzt – im schwar­zen Loch der DB AG ver­schwin­den. Auch for­dern wir seit Jah­ren, dass ein aus Steu­er­gel­dern finan­zier­ter und defi­zi­tä­rer Staats­kon­zern Betei­li­gun­gen auf der gan­zen Welt ein­stel­len muss. Dem Fahr­gast in Deutsch­land nützt es nichts, wenn die DB eine Cate­ring-Fir­ma in Groß­bri­tan­ni­en betreibt, wäh­rend er nach einer ver­spä­te­ten Zug­fahrt und dem ver­pass­ten Anschluss­zug im War­te­häus­chen auf dem Bahn­steig auf den nächs­ten Zug war­ten muss.

Die Medi­en­het­ze gegen die GDL und ins­be­son­de­re gegen den Vor­sit­zen­den Claus Weselsky soll ja ver­hin­dern, dass der Streik Akzep­tanz und Unter­stüt­zung erfährt. Was setzt ihr dem entgegen?
Das muss man dif­fe­ren­ziert betrach­ten. Gera­de in der aktu­el­len Aus­ein­an­der­set­zung stel­len wir fest, dass ein Groß­teil der Medi­en ver­sucht, sach­lich zu berich­ten. Dabei ist uns klar, dass das „Gro­ße Gan­ze“ in der schnel­len und ober­fläch­li­chen Medi­en­welt in sei­ner Kom­ple­xi­tät nicht immer rüber­ge­bracht wer­den kann. Außer­dem fin­den wir bei der DB AG eine PR-Abtei­lung vor, die ihres­glei­chen sucht. Unzäh­li­ge hoch bezahl­te Mit­ar­bei­ter küm­mern sich den gan­zen Tag um nichts ande­res als die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Medi­en. Wir als GDL fil­tern bereits seit vie­len Jah­ren raus, wer von uns Inter­views und Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen erhält und wer nicht. Der gro-ßen Tages­zei­tung mit den 4 Buch­sta­ben zum Bei­spiel haben wir schon lan­ge den Stuhl vor die Tür gestellt.

Wie ste­hen die EVG-Mit­glie­der zu eurem Streik?
Ein Groß­teil der EVG-Mit­glie­der ist ent­täuscht von ihrer Inter­es­sen­ver­tre­tung, und das mer­ken wir selbst­ver­ständ­lich auch an unse­rer posi­ti­ven Mit­glie­der­ent­wick­lung. Gera­de in den neu­en Berufs­grup­pen (Fahr­dienst­lei­ter, Instand­hal­tung usw.), wel­che wir erst seit Novem­ber 2020 gewerk­schaft­lich ver­tre­ten, erken­nen wir fast täg­lich Neu­ein­trit­te bezie­hungs­wei­se Über­trit­te. Mit der For­de­rung nach einem Tarif­ver­trag für unse­re Mit­glie­der bei der Infra­struk­tur der Deut­schen Bahn AG wer­den wir den Grund­rech­ten unse­rer Mit­glie­der gerecht. Doch – wie soll es anders sein – hat die DB das bis jetzt natür­lich anders gese­hen und vehe­ment ver­sucht, die Stel­lung ihrer Haus­ge­werk­schaft zu schüt­zen, und ver­wei­ger­te uns die Ver­hand­lun­gen darü-ber. Des­halb heißt es jetzt „Far­be beken­nen“, und wir for­dern alle Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen auf, nicht abzu­war­ten und zuzu­schau­en, son­dern jetzt ein­zu­tre­ten und aktiv mitzumachen.

* [Die Fra­gen für Avan­ti² stell­te H. S.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2024
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