Helmut Born
Am 13. März 2023 gab es trotz der erfolgreichen Urabstimmung, bei der die Gewerkschaftsmitglieder mit 85,9 % für Streik stimmten, eine neue Verhandlungsrunde bei der Deutschen Post AG.
Der Vorstand der Post hatte ver.di zu dieser Verhandlung aufgefordert. Von der ver.di-Fachbereichsleiterin Andrea Kocics wurde dieses Ansinnen bereitwillig angenommen. Die mit dem Management der Post ausgehandelte Tarif- einigung mit einer Laufzeit von 24 Monaten wurde von der ver.di- Verhandlungskommission zur Annahme empfohlen.
Fauler Kompromiss
Über einen Zeitraum von 15 Monaten soll der abgaben- und steuerfreie „Inflationsausgleich“ der Bunderegierung von 3.000 € in mehreren Schritten gezahlt werden. Erst ab April 2024 soll es zudem eine tabellenwirksame Erhöhung der monatlichen Einkommen um 340 € geben.
Ursprünglich hatte ver.di eine Erhöhung der Einkommen um 15 % bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von 12 Monaten gefordert.
Die ver.di-Fachbereichsleitung rechtfertigt diesen sehr bescheidenen Abschluss damit, dass es gelungen sei, einen Inflationsausgleich zu bekommen. Vor allem gelte dies für die unteren drei Entgeltgruppen, in denen die meisten Beschäftigten eingestuft seien. Dort gibt es Löhne zwischen 2.100 € und 3.090 €.
Weiterer Reallohnabbau
Es wäre jedoch mindestens ein Abschluss von 10 % erforderlich gewesen, um wenigstens einigermaßen die Kaufkraftverluste der nach wie vor hohen Inflation aus- gleichen zu können. Das hätte je nach Entgeltgruppe Erhöhungen von 210 € bis 309 € unmittelbar ab dem Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages erfordert.
Auch mit dem „Inflationsausgleich“ von 3.000 € machte ver.di erhebliche Zugeständ-nisse, da er nicht tabellenwirksam ist. Zudem entfallen dadurch die Sozialversicherungsabgaben, die etwa 22 % des Brutto- Lohns betragen.
Die 200 € monatlich, die im Durchschnitt gezahlt werden, sind für die Post also ein Billigabschluss. Diese Bewertung gilt umso mehr angesichts des Rekordgewinns des Konzerns von 8,4 Milliarden €.
Vor diesem Hintergrund muss auch die Erhöhung von 340 € im April nächsten Jahres gesehen werden. Erst einmal sieht das nach einer kräftigen Entgeltsteigerung aus. Wenn man aber bedenkt, dass es bei einer 12-monatigen Laufzeit eine Erhöhung wie oben beschrieben gegeben hätte, sind die 340 € ab April 2024 doch stark zu relativieren. Sie bedeuten eine Erhöhung zwischen 5,5 und 8 % bezogen auf die Laufzeit von 2 Jahren. Bei einer einjährigen Laufzeit hätte aber schon ab Januar 2024 auf die dann aktuelle Situation reagiert und hätten die dann bereits geltenden höheren Lohntabellen weiter aufgestockt werden können.
Nein zu diesem Ergebnis
Das Ergebnis wird von den Mitgliedern nun in einer neuen Urabstimmung bewertet, und es ist damit zu rechnen, dass viele Mitglieder mit Nein stimmen werden. Für eine Annahme des Ergebnisses ist aber laut ver.di-Satzung nur Zustimmung von mehr als 25 % erforderlich.
Das Post-Ergebnis zeigt einmal mehr, dass wieder eine Tarifrunde nicht konsequent zu Ende geführt worden ist. Trotz der hohen Teuerungsrate und den immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen bei der Post, ist die ver.di-Fachbereichsleitung erneut vor dem Post-Vorstand eingeknickt.
Dies hat nicht nur mit der Fachbereichsleitung von ver.di, sondern auch mit den Mitgliedern der Tarifkommission zu tun, die hauptsächlich aus Mitgliedern von Gesamtbetriebs- und Aufsichtsräten besteht. Vertreter:innen aus der Basis sind dort kaum vertreten. Auch dies muss sich ändern, wenn Tarifrunden konsequent geführt werden sollen.