Tarif­run­de Post: Erzwin­gungs­streik verhindert

Hel­mut Born

Am 13. März 2023 gab es trotz der erfolg­rei­chen Urab­stim­mung, bei der die Gewerk­schafts­mit­glie­der mit 85,9 % für Streik stimm­ten, eine neue Ver­hand­lungs­run­de bei der Deut­schen Post AG.

Der Vor­stand der Post hat­te ver.di zu die­ser Ver­hand­lung auf­ge­for­dert. Von der ver.di-Fachbereichsleiterin Andrea Kocics wur­de die­ses Ansin­nen bereit­wil­lig ange­nom­men. Die mit dem Manage­ment der Post aus­ge­han­del­te Tarif- eini­gung mit einer Lauf­zeit von 24 Mona­ten wur­de von der ver.di- Ver­hand­lungs­kom­mis­si­on zur Annah­me empfohlen.

Poststreik-Demo in Mannheim, 27. Januar 2023. Foto: helmut-roos@web.de.

Post­streik-Demo in Mann­heim, 27. Janu­ar 2023. Foto: helmut-roos@web.de.

Fau­ler Kom­pro­miss
Über einen Zeit­raum von 15 Mona­ten soll der abga­ben- und steu­er­freie „Infla­ti­ons­aus­gleich“ der Bund­e­re­gie­rung von 3.000 € in meh­re­ren Schrit­ten gezahlt wer­den. Erst ab April 2024 soll es zudem eine tabel­len­wirk­sa­me Erhö­hung der monat­li­chen Ein­kom­men um 340 € geben. 
Ursprüng­lich hat­te ver.di eine Erhö­hung der Ein­kom­men um 15 % bei einer Lauf­zeit des Tarif­ver­tra­ges von 12 Mona­ten gefordert.
Die ver.di-Fachbereichsleitung recht­fer­tigt die­sen sehr beschei­de­nen Abschluss damit, dass es gelun­gen sei, einen Infla­ti­ons­aus­gleich zu bekom­men. Vor allem gel­te dies für die unte­ren drei Ent­gelt­grup­pen, in denen die meis­ten Beschäf­tig­ten ein­ge­stuft sei­en. Dort gibt es Löh­ne zwi­schen 2.100 € und 3.090 €.

Wei­te­rer Reallohnabbau
Es wäre jedoch min­des­tens ein Abschluss von 10 % erfor­der­lich gewe­sen, um wenigs­tens eini­ger­ma­ßen die Kauf­kraft­ver­lus­te der nach wie vor hohen Infla­ti­on aus- glei­chen zu kön­nen. Das hät­te je nach Ent­gelt­grup­pe Erhö­hun­gen von 210 € bis 309 € unmit­tel­bar ab dem Abschluss eines ent­spre­chen­den Tarif­ver­tra­ges erfordert.
Auch mit dem „Infla­ti­ons­aus­gleich“ von 3.000 € mach­te ver.di erheb­li­che Zuge­ständ-nis­se, da er nicht tabel­len­wirk­sam ist. Zudem ent­fal­len dadurch die Sozi­al­ver­si­che­rungs­ab­ga­ben, die etwa 22 % des Brut­to- Lohns betragen. 
Die 200 € monat­lich, die im Durch­schnitt gezahlt wer­den, sind für die Post also ein Bil­lig­ab­schluss. Die­se Bewer­tung gilt umso mehr ange­sichts des Rekord­ge­winns des Kon­zerns von 8,4 Milliarden €.
Vor die­sem Hin­ter­grund muss auch die Erhö­hung von 340 € im April nächs­ten Jah­res gese­hen wer­den. Erst ein­mal sieht das nach einer kräf­ti­gen Ent­gelt­stei­ge­rung aus. Wenn man aber bedenkt, dass es bei einer 12-mona­ti­gen Lauf­zeit eine Erhö­hung wie oben beschrie­ben gege­ben hät­te, sind die 340 € ab April 2024 doch stark zu rela­ti­vie­ren. Sie bedeu­ten eine Erhö­hung zwi­schen 5,5 und 8 % bezo­gen auf die Lauf­zeit von 2 Jah­ren. Bei einer ein­jäh­ri­gen Lauf­zeit hät­te aber schon ab Janu­ar 2024 auf die dann aktu­el­le Situa­ti­on reagiert und hät­ten die dann bereits gel­ten­den höhe­ren Lohn­ta­bel­len wei­ter auf­ge­stockt wer­den können.

Nein zu die­sem Ergebnis
Das Ergeb­nis wird von den Mit­glie­dern nun in einer neu­en Urab­stim­mung bewer­tet, und es ist damit zu rech­nen, dass vie­le Mit­glie­der mit Nein stim­men wer­den. Für eine Annah­me des Ergeb­nis­ses ist aber laut ver.di-Satzung nur Zustim­mung von mehr als 25 % erforderlich.
Das Post-Ergeb­nis zeigt ein­mal mehr, dass wie­der eine Tarif­run­de nicht kon­se­quent zu Ende geführt wor­den ist. Trotz der hohen Teue­rungs­ra­te und den immer schlech­ter wer­den­den Arbeits­be­din­gun­gen bei der Post, ist die ver.di-Fachbereichsleitung erneut vor dem Post-Vor­stand eingeknickt. 
Dies hat nicht nur mit der Fach­be­reichs­lei­tung von ver.di, son­dern auch mit den Mit­glie­dern der Tarif­kom­mis­si­on zu tun, die haupt­säch­lich aus Mit­glie­dern von Gesamt­be­triebs- und Auf­sichts­rä­ten besteht. Vertreter:innen aus der Basis sind dort kaum ver­tre­ten. Auch dies muss sich ändern, wenn Tarif­run­den kon­se­quent geführt wer­den sollen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar April 2023
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