Tho­mas Münt­zer und die Bauernaufstände

Ein Geschichts­abend der beson­de­ren Art

 

N. B.

In Koope­ra­ti­on mit dem Akti­ons­bünd­nis „Wir zah­len nicht für Eure Kri­se!“ zeig­te am 5. Juni 2025 das Mann­hei­mer kom­mu­na­le Kino Cine­ma Qua­drat „Tho­mas Münt­zer – Ein Film deut­scher Geschich­te“. Die­ses Werk wur­de bereits 1956 von der DEFA in der DDR veröffentlicht.

Michael Csaszkóczy und Bernd Köhler im Cinema Quadrat, 15. Juni 2025. (Foto: N. B.)

Micha­el Csaszkóc­zy und Bernd Köh­ler im Cine­ma Qua­drat, 15. Juni 2025. (Foto: N. B.)

Der von über 50 Anwe­sen­den gut besuch­te Abend ver­band musi­ka­li­sches Geschichts­er­le­ben mit den fil­mi­schen Ein­drü­cken von den Bau­ern­auf­stän­den, aber auch (impli­zit) der Geschichts- schrei­bung und -dar­stel­lung der DDR.

Musi­ka­li­sche Zeug­nis­se der Zeit
Eröff­net wur­de der Abend im Cine­ma Qua­drat mit ins­ge­samt drei Lie­dern aus der Zeit der Bau­ern­auf­stän­de und teils mit Instru- men­ten der Zeit. So spiel­te Micha­el Csasz-kóc­zy auf der Lei­her das Stück vom schwar­zen Mönch und der Nähe­rin, die sich gegen die strik­te kirch­li­che Ord­nung der Zeit zusam­men­tun. Auf der The­or­be inter­pre­tier­te er das Stück eines ent­flo­he­nen Rit­ters, der zum Auf­stand gegen die Unter­drü­ckung durch Adel und Kle­rus auf­ruft. Bernd Köh­ler ergänz­te stim­mungs­voll mit Franz-Josef Degen­hardts Bal­la­de von Joß Fritz, dem Begrün­der der Bund­schuh-Bewe­gung in der Zeit vor den Bau­ern­auf­stän­den. Degen­hardt nann­te sein Werk auch die „Legen­de von der revo­lu­tio­nä­ren Geduld und Zähig­keit und vom rich­ti­gen Zeitpunkt“.

Ideo­lo­gi­scher Kontext
Nach der musi­ka­li­schen Ein­stim­mung rich­te­te Wolf­gang Alles für das Akti­ons­bünd­nis „Wir zah­len nicht für Eure Kri­se!“ eini­ge Wor­te an das Publi­kum. Er ord­ne­te den Film in sei­ne Ent­ste­hungs­zeit und sei­ne Funk­ti­on für das SED-Regime ein. Die Bau­ern­auf­stän­de und die Figur des Tho­mas Münt­zer soll­ten mit dem Film als Vor­läu­fer des „ers­ten deut­schen Arbei­ter- und Bau­ern­staa­tes“ instru­men­ta­li­siert wer­den, als wel­chen die SED-Füh­rung „ihre“ DDR verstand.

Die­se his­to­ri­sche Ver­fäl­schung wur­de im Film spä­tes­tens mit dem Auf­tau­chen schwarz-rot-gol­de­ner Fah­nen in den auf­stän­di­schen Bau­ern­hau­fen deut­lich, die vom Publi­kum im Cine­ma Qua­drat mit einem erstaun­ten, teil belus­tig­ten, teils ver­är­ger­ten Rau­nen auf­ge­nom­men wurden.

Die Bedeu­tung des Films für die SED-Pro­pa­gan­da zeigt sich auch in dem enor­men Auf­wand, der gemes­sen an den zeit­ge­nös­si­schen Stan­dards für die­sen DEFA- Film betrie­ben wur­de. Schließ­lich soll­te er auch nach außen die deut­sche Ein­heit pro­pa­gie­ren, für wel­che die SED damals noch eintrat.

His­to­ri­sches Miterleben
Bei aller ideo­lo­gi­scher Fär­bung ver­mit­telt der Film „Tho­mas Münt­zer“ jedoch auch vie­le his­to­risch beleg­te Ent­wick­lun­gen und lässt das Publi­kum die Zeit der Bau­ern­auf­stän­de mit­er­le­ben: Das Leid ins­be­son­de­re der Leib­ei­ge­nen und der ver­arm­ten, bis aufs letz­te aus­ge­beu­te­ten Land­be­völ­ke­rung, das Auf­kei­men von Wider­stand und die Sor­gen und Ängs­te, was die­ser bei den Herr­schen­den aus­lö­sen könn­te, der Mut und die Hoff­nung, die aus den kol­lek­ti­ven Erhe­bun­gen hervorgehen.
Und die Bäuerinnen?
In dem Film neh­men auch ver­ein­zel­te Frau- en eine wich­ti­ge Rol­le ein, wor­in er sich von vie­len ande­ren Dar­stel­lun­gen posi­tiv abhebt: Die Frau­en nicht nur als sor­gen­de und besorg­te Beglei­te­rin­nen ihrer Män­ner, son­dern als akti­ve Auf­stän­di­sche und zumin­dest in einem Fall auch als Mit­strei­te­rin im Bauernhaufen.

Tho­mas Münt­zers Frau Otti­lie tritt zwar nicht als akti­ve Kämp­fe­rin auf, nimmt aber zumin­dest teil­wei­se an stra­te­gi­schen Dis­kus­sio­nen teil und bekräf­tigt ihren Mann, auch bei auf­kom­men- den Zwei­feln weiterzumachen.

Ende mit Schre­cken und sei­ne Folgen
Schließ­lich enden die Bau­ern­auf­stän­de im Schre­cken des bru­ta­len, vom stein­rei­chen Fug­ger-Clan finan­zier­ten ers­ten Ver­nich­tungs­feld­zugs des Schwä­bi­schen Bun­des unter Füh­rung des Truch­seß von Wald­burg in Süd­deutsch­land und der ande­ren Gräu­el­ta­ten in den wei­te­ren Aufstandsgebieten.

In sei­ner Ein­füh­rung ver­wies Wolf­gang Alles auf die Opfer des orga­ni­sier­ten Mas­sen­mords: 70.000 bis 100.000 Men­schen­le­ben fie­len den Herr­schen­den in den Auf- stands­ge­bie­ten zum Opfer, das sind etwa 3 % der Bevöl­ke­rung – ganz zu schwei­gen von den phy­si­schen und psy­chi­schen Ver-stüm­me­lun­gen der Überlebenden.

Bis zur Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on waren die armen, unter­drück­ten Mas­sen damit erst­mal ruhig­ge­stellt, wag­ten kei­ne grö­ße­ren Erhe­bun­gen mehr. 
So blei­ben am Ende des Films eine bedrü­cken­de Stim­mung und eine gewis­se Rat­lo­sig­keit, wie sie die Geschich­te der Bau­ern­auf­stän­de und ihrer grau­sa­men Nie­der­schla­gung in sich trägt.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli/August 2025
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