Kampf um die Arbeitszeit
M. G.
Eine der wichtigsten tarifpolitischen Errungenschaften im Gefolge der Novemberrevolution war der 8-Stundentag – damals bei einer 6-Tagewoche.
Mit dem Heidelberger Abkommen von 1919 war für die süddeutsche Metallindustrie sogar die 46-Stundenwoche vereinbart worden. Die Kapitalisten wollten jedoch das Rad zurückdrehen.
Das Auslaufen des Tarifvertrags zur Wochenarbeitszeit Ende 1921 bot ihnen die Chance zum Gegenangriff. Taktisch klug schlugen sie die Rückkehr zur 48-Stundwoche in Verbindung mit einer besseren Urlaubs- und Überstundenregelung vor.
Dieses Ansinnen lehnten die gewerkschaftlich organisierten Metallarbeiter in einer Urabstimmung am 13. Februar 1922 ab. Aber die anschließend gefällten Schiedssprüche in Württemberg und Bayern bestätigten die Position der Kapitalseite.
Streik und Aussperrung
Während die gelben Gewerkschaften die Schlichtung billigten, rief der Deutsche Metallarbeiterverband (DMV) zu Schwerpunktstreiks auf. Daran waren nach gewerkschaftlichen Angaben über 200.000 Beschäftigte beteiligt.
Die Antwort des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller war die Massenaussperrung der Belegschaften in Süddeutschland ab Mitte März 1922. Der Konflikt war zu einem nationalen Kräftemessen zwischen Kapital und Arbeit geworden. Mit einer gegen den Streik gerichteten Stimmungsmache flankierte die bürgerliche Presse intensiv die Auseinandersetzung.
Inflationsbedingt leerten sich die Streikkassen des DMV sehr schnell. Zudem war die reichsweite Solidarität der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung zu schwach entwickelt. Der in einigen Regionen über zwölf Wochen andauernde Arbeitskampf endete deshalb mit einer Niederlage der Gewerkschaft.
„Dämpfung des Herrendünkels“?
Der DMV sah sich gezwungen, den „Kompromiß“-Vorschlag des Vertreters der bayerischen Staats-Regierung vom 19. Mai 1922 anzunehmen. Diese letztlich in allen Tarifgebieten Süddeutschlands übernommene Festlegung ließ nur formal die 46-Stundenwoche unangetastet. Denn sie räumte den Firmenleitungen das Recht ein, nach vorheriger Unterrichtung des Betriebs- rates jederzeit eine 48 Stundenwoche anzuordnen.
Der DMV stellte in der Metallarbeiter-Zeitung vom 3. Juni 1922 den Arbeitskampf trotzdem als erfolgreiche „Dämpfung des Herrendünkels“ dar.
Die Metallindustriellen sahen hingegen in diesem Konflikt nicht nur den Auftakt für weitere Vorstöße zur Verlängerung der Arbeitszeit, sondern zur Bekämpfung der Gewerkschaften. Knapp elf Jahre später wurden die deutsche Arbeiterbewegung durch die Errichtung der faschistischen Diktatur zerschlagen.