R. G.
Wenn in Deutschland zurzeit an das Jahr 1923 erinnert wird, dann meist nicht wegen der antikapitalistischen Kämpfe der revolutionären Arbeiterbewegung. Vielmehr geht es dann um die Hyperinflation, die zu Not und Elend und schließlich zu einer Währungsreform führte.
Eine Ursache dieser Inflation war, dass das deutsche Kaiserreich die Kosten des I. Weltkrieges (1914-1918) mit „Kriegsanleihen“ finanzierte. Zurückgezahlt werden sollten diese Kredite nach dem erwarteten Kriegsgewinn durch die Ausplünderung der Besiegten. Doch diese blutige Wette auf den Sieg ging genauso verloren wie der Krieg selbst.
Im Gegenteil: Deutschland musste selbst Reparationen leisten. Um diese zahlen zu können, wurden große Mengen „zusätzlichen“ Geldes gedruckt. Anfang Januar 1923 kam es aufgrund ausbleibender Reparationsleistungen zur belgisch-französischen Besetzung des Ruhrgebietes. Die deutsche Regierung rief zu passivem Widerstand und Streik auf. Sie finanzierte auch dies mit „zusätzlichem“ Geld.
Die Reichsmark (RM) hatte bereits während des Krieges die Hälfte ihrer Kaufkraft eingebüßt. Jetzt verlor sie stündlich an Wert. Am 3. Januar 1923 kostete ein Kilogramm Roggenbrot schon 163 Mark und am 19. November 1923 unvorstellbare 233 Milliarden RM. Im Mai 1923 hatte der US-Dollar einen Wechselkurs von 47.670 Reichsmark und am 20. November 1923 von 4.200.000.000.000 RM.
Diese Entwicklung stürzte alle, die auf regelmäßige Lohnzahlungen angewiesen waren oder „lediglich“ Sparvermögen besaßen, in Armut und Elend.
Die Gewerkschaftsapparate wollten aus Angst vor der Revolution keinen Kampf zur Verteidigung des Lebensstandards führen und verloren zehntausende Mitglieder.
Aber es gab auch Gewinner. Viele Kapitalisten konnten sich bereichern. Allein der Großunternehmer Stinnes kaufte damals 1.300 Firmen in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen auf. (Siehe hierzu auch Jakob Moneta, „1923 – das Jahr der Entscheidung“, in der Theoriebeilage zu dieser Avanti².)