Was heißt Ein­heits­front gegen Faschis­mus heute?“

ISO-Onlin­ever­an­stal­tung mit Hel­mut Dahmer

 

R. G.

Der Auf­schwung faschis­ti­scher Par­tei­en setzt den anti­fa­schis­ti­schen Kampf wie­der ganz oben auf die Tages­ord­nung. Doch wie kann die­ser erfolg­reich sein, und wel­che Rol­le spielt dabei die Ein­heits­front? Um dies zu dis­ku­tie­ren orga­ni­sier­te die ISO am 12.07.2024 eine Onlin­ever­an­stal­tung mit dem Titel „Was heißt Ein­heits­front gegen Faschis­mus heute?“

Kundgebung gegen Rechts in Mannheim, 27.01.2024. (Foto: N. B.)

Kund­ge­bung gegen Rechts in Mann­heim, 27.01.2024. (Foto: N. B.)

Refe­rent war der bekann­te Sozi­al­wis­sen­schaft­ler Hel­mut Dah­mer (Wien), ein aus­ge­wie­se­ner Ken­ner der Geschich­te der Arbei­ter­be­we­gung. In sei­nem fun­dier­ten Vor­trag ging er auf die Ent­ste­hung und die Ent­wick­lung der Ein­heits­front­tak­tik in den 1920er Jah­ren ein. Nicht zuletzt mach­te er deut­lich, dass die Ein­heits­front vor 1933 die ein­zi­ge rea­lis­ti­sche Chan­ce war, um Hit­ler und den Faschis­mus zu verhindern.

Der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Verrat
Der Beginn des I. Welt­krie­ges stell­te für die inter­na­tio­na­le Sozi­al­de­mo­kra­tie eine Zäsur dar. Sie warf den Inter­na­tio­na­lis­mus über Bord und unter­stütz­te „ihre“ kriegs­füh­ren­den Regie­run­gen. Für den revo­lu­tio­nä­ren Flü­gel der II. Inter­na­tio­na­le war die Sozi­al­de­mo­kra­tie damit ins bür­ger­li­che Lager über­ge­lau­fen. Aus die­sem Grund grün­de­te er im Mai 1919 eine neue, die III. Internationale.

Die ers­ten Jah­re der III. Inter­na­tio­na­le waren geprägt von der Abgren­zung gegen­über der Sozi­al­de­mo­kra­tie und der Ableh­nung des sozi­al ver­klei­de­ten Natio­na- lis­mus. Die neu­en kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­en ver­such­ten, die tra­di­tio­nel­le Bin­dung der arbei­ten­den Klas­se zum sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Refor­mis­mus auf­zu­bre­chen und die Mehr­heit für sich zu gewin­nen. Des­halb ent­wi­ckel­ten Lenin und ande­re die Ein­heits­front­tak­tik. Ihr zufol­ge soll­ten die Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­en Refor­mis­ten gemein­sa­me Aktio­nen zur kon­se­quen­ten Durch­set­zung der Inter­es­sen der arbei­ten­den Klas­se vor­schla­gen, dabei aber gleich­zei­tig ihre poli­ti­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Eigen­stän­dig­keit wahren.

Die faschis­ti­sche Tragödie
Im Ver­lau­fe der 1920er Jah­re set­ze sich in der Sowjet­uni­on und in der III. Inter­na­tio­na­le der Sta­li­nis­mus durch. Eine der Fol­gen war Ende der 1920er Jah­re die Auf­ga- be der Ein­heits­front­tak­tik. In Deutsch­land zeig­te sich die­ser Kurs in Form einer unver­söhn­li­chen Geg­ner­schaft der sta­li­nis­ti­schen Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei (KPD) zur Sozi­al­de­mo­kra­tie (SPD).

Ange­sichts der faschis­ti­schen Bedro­hung for­der­te Trotz­ki uner­müd­lich, aber ver­geb­lich, die Bil­dung einer Ein­heits­front von KPD und SPD. Doch die Füh­rung der KPD folg­te Sta­lins Linie und lehn­te eine Ein­heits­front mit der SPD strikt ab. Die SPD wie­der­um glaub­te an die Wider­stands­kraft der Insti­tu­tio­nen der Wei­ma­rer Repu­blik und lehn­te eine Zusam­men­ar­beit mit der KPD ab. Am Ende konn­te so der Faschis­mus in Deutsch­land – von weni­gen Aus­nah­men abge­se­hen – ohne nen­nens­wer­ten Mas­sen­wi­der­stand siegen.

Die aktu­el­le Bedeutung
Am Ende sei­ner Aus­füh­run­gen ging Dah­mer kurz auf die aktu­el­le Ent­wick­lung in Frank­reich ein. Mit dem Wahl­sieg der Nou­veau Front Popu­lai­re (NFP) und der Nie­der­la­ge der Faschis­ten stellt sich die Fra­ge einer Ein­heits­front erneut und sehr kon­kret. Dabei müs­sen auch die poli­ti­schen Gefah­ren gese­hen wer­den. Denn dies­mal muss – im Unter­schied zur Volks­front in Frank­reich 1936 – ver­hin­dert wer­den, dass die NFP anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche und anti­fa­schis­ti­sche Mobi­li­sie­run­gen abwürgt. Viel­mehr muss sie Aus­gangs­punkt wei­te­rer Mobi­li­sie­run­gen sein.

Inten­si­ve Diskussion
In zahl­rei­chen Bei­trä­gen wur­de auf den Vor­trag ein­ge­gan­gen. Hier kann nur eine klei­ne Aus­wahl wie­der­ge­ben werden.

Die fran­zö­si­sche Volks­front dien­te zwar der Kana­li­sie­rung des Elans der kampf­wil­li­gen Mas­sen. Aber sie war nicht nur Ver­rat, son­dern auch das Ergeb­nis einer star­ken Mas­sen­be­we­gung, die sich nach der Ein­heit sehnte.

Kri­tisch ange­merkt wur­de, dass die heu­ti­gen poli­ti­schen Vor­aus­set­zun­gen nicht mehr die­sel­ben wie 1933 sind. Die Adres­sa­ten der Ein­heits­front waren damals star­ke Arbei­ter­par­tei­en mit klas­sen­be­wuss­tem Mas­sen­an­hang. Heu­te gibt es sol­che Par­tei­en nicht mehr. Dar­um kann die Ein­heits­front­tak­tik nicht ein­fach auf heu­te über- tra­gen werden.

Der faschis­ti­sche Ein­fluss auch in der arbei­ten­den Klas­se wächst ste­tig. Dar­um muss jetzt gehan­delt werden.

Auch wenn vie­le Fra­gen offen­blei­ben muss­ten, war die­ser Abend ein gelun­ge­ner und lehr­rei­cher Ein­stieg zum The­ma Ein­heits­front. Die Dis­kus­si­on über die Ein­heits­front soll­te unbe­dingt wei­ter­ge­führt wer­den. Vor allem aber ist der anti­fa­schis­ti­sche Kampf zu intensivieren.

Es bleibt zu hof­fen, dass Hel­mut Dah­mers Vor­trag in Form eines Arti­kels bald auch denen zur Ver­fü­gung steht, die bei die­ser Ver­an­stal­tung nicht dabei sein konnten.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2024
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