Welt­frau­en­tag in Zei­ten der Pandemie

Ein Gespräch zwei­er Frau­en und Mütter

 

Der 8. März, der Inter­na­tio­na­le Frau­en­kampf­tag, ent­stand als Initia­ti­ve von Sozia­lis­tin­nen in der Zeit vor dem Ers­ten Welt­krieg. Er steht für die For­de­rung nach Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und für das Ziel der Über­win­dung der Unter­drü­ckung von Frau­en. Im Fol­gen­den spre­chen zwei Genos­sin­nen über die Bedeu­tung des 8. März für sie selbst und über ihre ganz per­sön­li­che Situa­ti­on als Frau­en und Mütter.

8. März 2021 in Paris. ( Foto: Photothèque Rouge / Martin Noda / Hans Lucas.)

8. März 2021 in Paris. ( Foto: Pho­to­t­hè­que Rouge / Mar­tin Noda / Hans Lucas.)

Marei­ke: Hal­lo Nad­ja, Du bist Frau, ange­hen­de Leh­re­rin und Mut­ter von drei Kin­dern. Was bedeu­tet Dir der Weltfrauentag?

Nad­ja: Für mich ist der 8. März sehr wich­tig. Er steht in der Tra­di­ti­on einer sozia­lis­ti­schen Frau­en- und Arbei­te­rin­nen­be­we­gung, die sich für eine befrei­te Gesell­schaft ohne Aus­beu­tung und Unter­drü­ckung ein­setzt. Durch die Mobi­li­sie­rung zum Frau­en­streik begann mir bewusst zu wer­den, wie sehr Geschlech­ter­ver­hält­nis­se in der Unter­drü­ckung von Men­schen eine Rol­le spie­len und wie sehr ich als Frau davon betrof­fen bin.

Gera­de in den letz­ten bei­den Jah­ren der Pan­de­mie hat sich vie­les ver­schärft. Als Mut­ter bin ich noch­mal viel stär­ker in ein tra­di­tio­nel­les Rol­len­bild gerutscht, dem ich nie ent­spre­chen wollte.

Marei­ke: Wor­an hast Du das bemerkt?

Nad­ja: Ich habe sehr viel Kin­der­sor­ge über­nom­men und habe mei­ne eige­nen Anlie­gen in den Hin­ter­grund gestellt. Ich war schwan­ger, war im Beschäf­ti­gungs­ver­bot. Die­se Zeit und die anschlie­ßen­de Eltern­zeit woll­te ich eigent­lich dafür nut­zen, mich auf eine Pro­mo­ti­on vor­zu­be­rei­ten. Dann kam der ers­te län­ge­re Lock­down und es gab kei­ne Kin­der­be­treu­ung. Spä­ter haben mein Part­ner und ich aus Sor­ge um die Gesund­heit der Kin­der ent­schie­den, sie nicht in der Kita betreu­en zu las­sen. Auch dann habe ich die Kin­der betreut, da ich ja offi­zi­ell in Eltern­zeit war.

Wie war das bei dir?

Marei­ke: Bei mir war das sehr ähn­lich. Ich habe, wie Du, klei­ne Kin­der und woll­te in den letz­ten bei­den Jah­ren mein Stu­di­um abschlie­ßen. In der Pan­de­mie habe ich jedoch den aller­größ­ten Teil der Zeit damit ver­bracht, mei­ne Kin­der zu ver­sor­gen. Mein Mann arbei­tet im Gesund­heits­be­reich und war daher beruf­lich stark aus­ge­las­tet, konn­te sich wenig um die Kin­der kümmern.

Nad­ja: Auch im Bereich der Lohn­ar­beit waren Frau­en beson­ders von der Pan­de­mie betrof­fen: Es fehlt ja all­ge­mein an Schutz­maß­nah­men in Betrie­ben. Auch sind vie­le Frau­en in Beru­fen tätig, in denen sie sich weni­ger schüt­zen kön­nen. Zum Bei­spiel im Bereich der Erzie­hung und Pfle­ge. Da hat sich der schon zuvor bestehen­de Per­so­nal­man­gel wei­ter verschärft.

Marei­ke: Ja, der Kin­der­gar­ten mei­ner Kin­der wird auf­grund von Per­so­nal­man­gel jeden Tag frü­her geschlos­sen. Ich kann beob­ach­ten, dass fast aus­schließ­lich Frau­en vor den Kin­der­gar­ten­tü­ren ste­hen und ihre Kin­der nach den ver­kürz­ten Betreu­ungs­zei­ten abho­len. Das sind Frau­en in unter­schied­li­chen Beru­fen: Ärz­tin­nen, Leh­re­rin­nen, Stu­den­tin­nen, Köchinnen …

8. März 2020 in Paris. ( Foto: Photothèque Rouge / Martin Noda / Hans Lucas.)

8. März 2020 in Paris. ( Foto: Pho­to­t­hè­que Rouge / Mar­tin Noda / Hans Lucas.)

Nad­ja: Die Frau­en müs­sen ja dafür in ihrer Lohn­ar­beit zurück­ste­cken. Dadurch ver­stärkt sich auch die finan­zi­el­le Abhän­gig­keit vie­ler Frau­en von ihrem Part­ner. Sie sind beson­ders von Armut und Gewalt zuhau­se betroffen.

Marei­ke: Ja, den Inter­na­tio­na­len Frau­en­tag sehe ich des­we­gen als wich­ti­ge Gele­gen­heit, Men­schen dafür zu sen­si­bi­li­sie­ren, dass Frau­en­un­ter­drü­ckung noch immer ein gro­ßes The­ma ist. Das fängt schon bei der Erzie­hung von Mäd­chen und Jun­gen an.

Ich bin damit groß gewor­den, dass mein Kör­per, sowie der aller Frau­en in mei­nem Alter, vor allem unter dem Aspekt der Schön­heit betrach­tet wur­de, der „fucka­bi­li­ty“ [der „sexu­el­len Attrak­ti­vi­tät“]. In mei­ner Schu­le wur­de inten­si­ves „Slut Shaming“ [„Schlam­pen-Dre­schen“] betrie­ben: Mäd­chen muss­ten ein T-Shirt tra­gen, weil sonst „zu viel“ von ihrem Kör­per gese­hen wor­den wäre, und um Leh­rer und Schü­ler nicht vom Unter­richt abzu­len­ken. Heu­te erle­be ich das vor allem, wenn mir beim Stil­len gesagt wird, ich sol­le mei­ne Brust nicht in der Öffent­lich­keit zei­gen. Die stän­di­ge Bewer­tung unse­rer Kör­per hält uns Frau­en davon ab, unser gan­zes Poten­zi­al ent­fal­ten zu können.

Vie­le Men­schen mei­nen ja, Frau­en und Män­ner sei­en in Deutsch­land völ­lig gleich­be­rech­tigt. Gleich­zei­tig stirbt jeden drit­ten Tag eine Frau in Deutsch­land durch die Hand ihres „Part­ners“ oder Ex-„Partners“.

Nad­ja: Das ist grauenvoll!

Ich muss jetzt los zu mei­nen Kin­dern. Aber wir sehen uns spä­tes­tens am 8. März in Hei­del­berg um 16:00 Uhr am Uniplatz.

In Mann­heim fin­det um 16:30 Uhr im Gewerk­schafts­haus eine Ver­an­stal­tung statt, und ab 17:30 Uhr star­tet von dort aus eine Demo des Femi­nis­ti­schen Bündnisses.

Marei­ke: Wir sehen uns auf jeden Fall. Bis dann!

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2022
Tagged , , , , . Bookmark the permalink.