Wie im Betrieb orga­ni­sie­ren? Tipps für kon­se­quen­te BR-Arbeit.

Teil I

 

O. T.

Was tun nach den Betriebs­rats­wah­len? Orga­ni­sie­ren, bil­den, kämp­fen! “ – So nann­ten wir unser sehr posi­tiv bewer­te­tes Semi­nar für Akti­ve in Betrieb und Gewerk­schaft. Es hat am Sams­tag, dem 23. Juni 2018, in Wein­heim statt­ge­fun­den. Wir ver­öf­fent­li­chen im Fol­gen­den den ers­ten Teil eines der Refe­ra­te, das sich auf das Buch Geheim­nis­se einer erfolg­rei­chen Orga­ni­ze­rin von Alex­an­dra Brad­bu­ry u.a. stützt.

Wie kön­nen wir im Betrieb einen har­ten, kämp­fe­ri­schen Kern von Men­schen her­aus­bil­den, die eine kon­se­quen­te Betriebs­rats- und Gewerk­schafts­ar­beit im Betrieb unter­stüt­zen? Dafür braucht es vor allem Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, die zum Enga­ge­ment bereit sind.

Die Erkennt­nis „Allein machen sie dich ein!“ und die logi­sche Schluss­fol­ge­rung, dass mensch sich des­halb orga­ni­sie­ren muss, ist heu­te aber längst nicht (oder nicht mehr) allen geläu­fig. Das macht es nicht leich­ter, im Betrieb kri­ti­sche und auf­ge­schlos­se­ne Men­schen zu finden.

Was sind die Grün­de, war­um sich Beschäf­tig­te nicht wehren?

Die fol­gen­de Über­sicht zeigt fünf ver­brei­te­te Pro­ble­me und Vor­schlä­ge zu Ihrer Lösung.

Füh­rungs­k­rä­te und Geschäfts­lei­tung schaffen …Wir …Die Kol­le­gIn­nen …

Angst vor Kon­flik­ten und vor Bestrafung.

grei­fen die berech­tig­te Wut im Betrieb auf.

fin­den den Mut und die Ent­schlos­sen­heit zum Handeln.

Hoff­nungs­lo­sig­keit – das Gefühl, dass sich nichts ändern wird und wir kei­ner­lei Macht haben.

hel­fen dabei, einen Plan zu ent­wi­ckeln, wie man sich weh­ren kann und berich­ten von ande­ren erfolg­rei­chen Kämpfen.

schöp­fen Hoff­nung auf Ver­än­de­rung und erle­ben, dass es Sinn macht zu kämpfen.

Spal­tung – sie spie­len die Kol­le­gIn­nen unter­ein­an­der und gegen­ein­an­der aus.

fin­den Gemein­sam­kei­ten und bau­en Bezie­hun­gen auf.

erle­ben Geschlos­sen­heit als Vor­aus­set­zung für gemein­sa­mes Handeln.

Ver­wir­rung – sie ver­brei­ten Infor­ma­tio­nen, die uns beun­ru­hi­gen und ablenken.

inter­pre­tie­ren und tei­len Infor­ma­tio­nen, fügen sie ins gro­ße Gan­ze ein.

fin­den Klar­heit und durch­schau­en den Plan der Geschäftsführung.

Taten­lo­sig­keit – wenn Pro­ble­me nicht beho­ben wer­den kön­nen, war­um sich dar­um kümmern?!

mobi­li­sie­ren die Leu­te, um etwas gemein­sam zu unternehmen.

erle­ben, dass Aktio­nen zu Resul­ta­ten füh­ren und Pro­ble­me lösen.

Für vie­le Kol­le­gIn­nen ist es schwer vor­stell­bar, dass sich die Din­ge zum Posi­ti­ven ändern könn­ten. Viel­leicht sehen sie das Pro­blem genau so, wie Du es auch siehst. Aber der Chef hat gan­ze Arbeit geleis­tet um klar­zu­stel­len, dass an die­ser Ent­schei­dung oder an die­sem oder jenem Ablauf nicht mehr gerüt­telt wer­den kann. Es erscheint wie rei­ne Zeit­ver­schwen­dung, dies in Fra­ge zu stellen.

Men­schen wer­den dar­an gewöhnt, mit dem Strom zu schwim­men und nicht auf­zu­fal­len. War­um soll­ten sie davon über­zeugt sein, dass sie selbst etwas groß ver­än­dern könn­ten? Das pas­siert nur, wenn sie die Macht einer Gemein­schaft erfah­ren haben oder erle­ben konn­ten, wie der Zusam­men­schluss zu einer Grup­pe ein Pro­blem erfolg­reich gelöst hat.

Es ist aber Eure bzw. unse­re gemein­sa­me Auf­ga­be, Kol­le­gIn­nen dar­in zu bestär­ken, dass Ver­än­de­run­gen mög­lich sind. Das erfor­dert, einen sinn­vol­len Plan über die Vor­ge­hens­wei­se zu erstel­len. Fragt Euch: „Wel­che Lösun­gen schla­gen wir vor?“ Und: „Wer im Manage­ment oder im Betriebs­rat ist in der Posi­ti­on, Ja dazu zu sagen?“ Oder: „Was kön­nen wir zusam­men unter­neh­men, um Unter­stüt­ze­rIn­nen zu gewinnen?“

Oft hilft es, klein anzu­fan­gen. Bin­det Eure Kol­le­gIn­nen in Akti­vi­tä­ten ein, die zu kon­kre­ten Ver­bes­se­run­gen füh­ren. Das zeigt ihnen mehr von der Macht kol­lek­ti­ver Akti­on als dar­über zu reden. Sucht Euch Kon­flik­te aus, die Ihr mit der bereits bestehen­den Grup­pe gewin­nen könnt – so dass alle nur einen klei­nen Schritt machen müs­sen. Wenn es funk­tio­niert, zieht das wei­te­re Men­schen an. Je mehr sie mit­ma­chen, des­to mehr wird ihr Selbst­be­wusst­sein wach­sen und des­to wei­ter könnt Ihr gehen.

Hoff­nungs­lo­sig­keit kann eine star­ke Gewohn­heit sein. Es ist ein­fa­cher, Gewohn­hei­ten mit der Unter­stüt­zung einer Grup­pe zu über­win­den. Men­schen zusam­men­zu­brin­gen, kann Ein­zel­nen dabei hel­fen, ihre Resi­gna­ti­on zu überwinden.

Kei­ner ist dazu bereit, etwas zu machen!“

Dies ist oft zu hören. Aber habt Ihr Kol­le­gIn­nen per­sön­lich gebe­ten, etwas Kon­kre­tes zu tun? Die meis­ten von uns sind kei­ne Natur­ta­len­te im Orga­ni­sie­ren. Vie­le von Euren Kol­le­gIn­nen wer­den kei­ne Aktio­nen vor­schla­gen – aber sie wer­den viel­leicht reagie­ren, wenn jemand, dem sie ver­trau­en, sie direkt anspricht. Am Anfang kann das etwas ganz Ein­fa­ches sein, wie zum Bei­spiel eine Umfra­ge zu beant­wor­ten. Oder sich mit Kol­le­gIn­nen zum Mit­tag­essen zu tref­fen, um über ein bestimm­tes Pro­blem zu spre­chen. Oder einen Grup­pen­brief zu unter­schrei­ben. Zeigt Aner­ken­nung für alles, was sie bereit sind zu tun – und macht deut­lich, dass jeder Erfolg der gan­zen Grup­pe zu ver­dan­ken ist. Die­se Wert­schät­zung wird sie dazu ermu­ti­gen, in Zukunft mehr zu unternehmen.

Nie­mand kommt zu den Treffen.“

Denkt dar­über nach, wie die Kol­le­gIn­nen über die Tref­fen infor­miert wer­den. Eine E-Mail oder eine Ein­la­dung am Schwar­zen Brett ist nicht genug. Per­sön­li­che Ein­la­dun­gen sind am bes­ten. Teilt Euch die Arbeits­be­rei­che auf und fin­det mehr Men­schen, die wei­te­re Kol­le­gIn­nen per­sön­lich einladen.

Denkt auch über prak­ti­sche Din­ge nach, damit die Tref­fen zugäng­li­cher für alle wer­den – z. B. den Zeit­punkt oder den Ort. Und wenn Kol­le­gIn­nen zu einem Tref­fen kom­men, dann soll­te es nett und pro­duk­tiv sein – oder sie kom­men nicht wie­der! Men­schen sind heut­zu­ta­ge sehr beschäf­tigt. Die Tref­fen gut vor­zu­be­rei­ten, ist eine Wert­schät­zung Ihres Kom­mens. Bemüht Euch um einen kla­ren Ablauf, gebt einen Zeit­rah­men vor, den Ihr auch ein­hal­tet, und lie­fert am bes­ten einen trif­ti­gen Grund für die Teil­nah­me (wie zum Bei­spiel ein wich­ti­ges The­ma). Wenn auf einem Tref­fen nur infor­miert wer­den soll, fällt es leicht zu schwänzen.

Um wen müs­sen wir uns kümmern?

Stellt Euch Eure Kol­le­gIn­nen ver­teilt auf einer Ziel­schei­be vor. 

Grafik: Unterscheidung der Personengruppen im Betrieb

Gra­fik: Unter­schei­dung der Per­so­nen­grup­pen im Betrieb

Im Zen­trum ist die zu bil­den­de Kern­grup­pe: Das seid Ihr gemein­sam mit den zuver­läs­sigs­ten und aktivs­ten Kol­le­gIn­nen, die auch bereit sind, Ver­ant­wor­tung zu übernehmen.

Im ers­ten Kreis sind die Akti­ven, auf die mensch zäh­len kann, wenn es los geht. Die­se sind auch bereit, ande­re bei Aktio­nen zu mobilisieren.

Im zwei­ten Kreis fin­den wir die Unter­stüt­ze­rIn­nen: Men­schen, die viel­leicht bei Aktio­nen ein Trans­pa­rent tra­gen oder sich an einer Unter­schrif­ten­samm­lung betei­li­gen, die aber sonst kei­ne Ver­ant­wor­tung über­neh­men und kei­ne wei­te­ren Leu­te mobilisieren.

Im drit­ten Kreis fin­den sich die Kol­le­gIn­nen, die am meis­ten unbe­tei­ligt erschei­nen: Sie mei­nen, dass die Gewerk­schaft in ihrem Leben kei­ne Rol­le spielt, also machen sie auch nicht mit.

Es gibt auch noch Men­schen, die außer­halb des Krei­ses ste­hen. Die­se sind nicht nur unbe­tei­ligt, son­dern sogar feind­se­lig gegen­über der Gewerk­schaft. Ver­schwen­det Eure Zeit nicht mit denen, die sich selbst als Geg­ne­rIn­nen der Gewerk­schafts­be­we­gung sehen. Viel­leicht öff­nen sie eines Tages Ihre Augen. Aber der Grund dafür wird wahr­schein­lich eine gemach­te Erfah­rung sein und kei­ne Debatte.

Rech­te von gewerk­schaft­lich Aktiven

Es ist hilf­reich zu wis­sen, wel­chen Schutz mensch durch das Gesetz genießt. Die Wahr­neh­mung der eige­nen Rech­te kann den Kol­le­gIn­nen die Augen dar­über öff­nen, dass die Chefs nicht all­mäch­tig sind.

Das Recht ist aber kei­ne Wun­der­waf­fe. Man­che Schutz- und Sank­ti­ons­maß­nah­men sind schwach – und Pro­zes­se vor Gericht kön­nen sich jah­re­lang hin­zie­hen. Trotz­dem ist das Recht ein wich­ti­ges Werk­zeug. Oft muss man gar nicht vor Gericht zie­hen, um sei­ne Rech­te durch­zu­set­zen. Die eige­nen Rech­te zu ken­nen und ein­zu­for­dern, kann aber bereits eine kraft­vol­le Wir­kung haben.

Auf der siche­ren Sei­te seid Ihr in jedem Fall mit gewerk­schaft­li­chen Akti­vi­tä­ten vor und nach der Arbeit – und in den Pau­sen­zei­ten. Ihr dürft in die­ser Zeit Infos ver­tei­len, Unter­schrif­ten-Lis­ten her­um­rei­chen, Kol­le­gIn­nen infor­mie­ren (nicht nur die Mit­glie­der) und sie auf Mit­glied­schaft in der Gewerk­schaft anspre­chen. Auch an Orten, an denen nicht gear­bei­tet wird, kann Euch nie­mand etwas ver­bie­ten. Das kön­nen zum Bei­spiel Park­plät­ze und die Cafe­te­ria sein, die Stech­uhr, oder über­all dort, wo die Kol­le­gIn­nen ihre Pau­sen ver­brin­gen. Außer­dem dürft Ihr Pla­ka­te an Schwar­zen Bret­tern aufhängen.

Den Betriebs­rat darf mensch wäh­rend der Arbeits­zeit auf­su­chen. Jede Regel, die das ver­bie­tet, ist ille­gal – auch wenn sie im Betrieb bis­her befolgt wird.

Offi­zi­ell gilt auch die Mei­nungs- und Press­frei­heit nach Arti­kel 5 Absatz 1 des Grund­ge­set­zes: „Jeder hat das Recht, sei­ne Mei­nung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­brei­ten und sich aus all­ge­mein zugäng­li­chen Quel­len unge­hin­dert zu unterrichten.“

Das bedeu­tet z. B., dass Ihr öffent­lich zum Ver­hal­ten der Kapi­tal­sei­te Stel­lung bezie­hen könnt. Ihr könnt in Euren Publi­ka­tio­nen die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung des Unter­neh­mens oder der Bran­che ana­ly­sie­ren und dar­aus eige­ne Fol­ge­run­gen ablei­ten. Auch könnt Ihr die Kapi­tal­sei­te wegen der Ver­nich­tung von Arbeits­plät­zen oder schlech­ten Arbeits­be­din­gun­gen öffent­lich kritisieren.

Häu­fig ist dann zu hören, das wäre straf­bar, weil mensch über Betriebs­ge­heim­nis­se spricht oder Per­sön­lich­keits­rech­te ver­letzt. Lasst Euch nicht ins Bocks­horn jagen – aber macht Euch schlau, wie weit ihr in Eurem kon­kre­ten Fall gehen könnt.

Seid am Anfang lie­ber vor­sich­tig. Vor allem wenn Ihr in Eurem Betrieb gera­de erst anfangt, Euch zu orga­ni­sie­ren. Wenn Ihr Ärger bekommt, oder Eure Rech­te ver­letzt wer­den, sucht Schutz in der Grup­pe und wen­det Euch an Eure Gewerk­schaft. Sie kann und muss Euch bei recht­li­chen Schrit­ten unterstützen.

[Fort­set­zung folgt .]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli/August 2018
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