Wie im Betrieb orga­ni­sie­ren? Tipps für kon­se­quen­te BR-Arbeit.

Teil II

 

O. T.

Was tun nach den Betriebs­rats­wah­len? Orga­ni­sie­ren, bil­den, kämp­fen! “ – So nann­ten wir unser sehr posi­tiv bewer­te­tes Semi­nar für Akti­ve in Betrieb und Gewerk­schaft. Wir ver­öf­fent­li­chen im Fol­gen­den den zwei­ten Teil eines der Refe­ra­te, das sich auf das Buch Geheim­nis­se einer erfolg­rei­chen Orga­ni­ze­rin von Alex­an­dra Brad­bu­ry u.a. stützt.

Die Rechts­la­ge für den Betriebsrat

Betriebs- oder Per­so­nal­rä­te sowie die Mit­glie­der des Wahl­vor­stan­des genie­ßen den beson­de­ren Kün­di­gungs­schutz, der aber – wie wir wis­sen – sehr löch­rig wer­den kann. Fühlt Euch also nicht zu sicher.

Die Rea­li­tät zeigt, dass Kapi­ta­lis­tIn­nen und ihre Hand­lan­ger immer wie­der ver­su­chen, Betriebs­rats­wah­len zu ver­hin­dern oder Betriebs­rä­te, die ihnen nicht pas­sen, los­zu­wer­den. Genau wie für gewerk­schaft­lich Akti­ve gilt: Per­so­nal- oder Betriebs­rä­te dür­fen nicht bevor­teilt oder benach­tei­ligt werden.

Ein wich­ti­ger Unter­schied zu Ver­trau­ens­leu­ten ist, dass Betriebs- und Per­so­nal­rä­te alle Beschäf­tig­ten ver­tre­ten und den „Betriebs­frie­den“ wah­ren müs­sen. Sie kön­nen auch klar Flag­ge für die Gewerk­schaft zei­gen, aller­dings nicht in ihrer Funk­ti­on als gewähl­te Inter­es­sen­ver­tre­tung – sie müs­sen dann deut­lich machen, dass sie als Gewerk­schaft­ler sprechen.

Die Rechts­la­ge für die Gewerkschaft

Die zustän­di­ge Gewerk­schaft hat das Recht auf Zutritt zum Betrieb, um Euch zu infor­mie­ren und um wei­te­re Mit­glie­der zu wer­ben. Sie hat Rede­recht auf den Betriebs- bzw. Per­so­nal­ver­samm­lun­gen und kann im Rah­men ihres Teil­nah­me- und Bera­tungs­rechts an Betriebs­rats­sit­zun­gen teil­neh­men (sofern ein Vier­tel der Mit­glie­der das beantragen).

Die Gewerk­schaft hat auch eine Kon­troll­auf­ga­be: Sie kann Betriebs­rats­wah­len anfech­ten, einen Antrag auf Amts­ent­he­bung des Betriebs­rats oder ein­zel­ner Betriebs­rats­mit­glie­der sowie Straf­an­trag gegen das Unter­neh­men stel­len, wenn Rech­te gebro­chen wer­den (z. B. bei Behin­de­rung der Betriebs­rats­wahl, bei Behin­de­rung oder Stö­rung der Betriebs­rats­tä­tig­keit, bei Benach­tei­li­gung oder Begüns­ti­gung von Betriebsratsmitgliedern).

Protest bei Alstom Mannheim, 13. Mai 2014

Pro­test bei Als­tom Mann­heim, 13. Mai 2014 (Foto: helmut-roos@web.de)

Das per­sön­li­che Gespräch ist entscheidend

Men­schen für ihre Inter­es­sen zu akti­vie­ren, geht nicht ohne das per­sön­li­che Gespräch.

Um was geht es dabei? Was ist die Ziel­set­zung? Ihr möch­tet, dass Kol­le­gIn­nen begrei­fen: Es gibt ein Pro­blem, das zu lösen ist. Es gibt Ent­schei­dungs­trä­ge­rIn­nen, die die Macht haben, das Pro­blem zu behe­ben. Die Ent­schei­dungs­trä­ge­rIn­nen wer­den das Pro­blem aber nicht behe­ben, solan­ge sie nicht dazu gedrängt wer­den. Wenn Kol­le­gIn­nen das Pro­blem wirk­lich gelöst haben wol­len, müs­sen sie sich Euch anschlie­ßen und aktiv werden.

Das jeder Per­son im Detail zu erklä­ren, wäre nicht beson­ders effek­tiv. Statt­des­sen gilt es, die rich­ti­gen Fra­gen zu stel­len, sodass jeder/jede die Ant­wor­ten selbst erkennt und selbst aus­spricht. Wir ten­die­ren näm­lich dazu, uns eher an das zu erin­nern, was wir selbst gesagt haben, und nicht an das, was ande­re Per­so­nen uns erzählt haben.

Wie das Gespräch führen?

1. Fangt an Fra­gen zu stel­len – und hört auf die Antworten. 
Dadurch kann mensch bes­ser ver­ste­hen, was Ein­zel­ne beschäftigt.

2. Ihr müsst agi­tie­ren (auf­wüh­len, Bewusst­sein für das Pro­blem schaffen).
Reagiert auf das, was sie Euch erzäh­len, und fragt wei­ter nach. Durch Eure Reak­ti­on helft Ihr der ande­ren Per­son, sich im Recht zu füh­len, wütend zu sein.

3. Fin­det den Schuldigen.
Lasst sie dar­über reden, wer für den Miss­stand ver­ant­wort­lich ist. Oft den­ken wir, unse­re Pro­ble­me sind eben so, wie die Umstän­de es bestim­men. Zu begrei­fen, dass schlech­te Bedin­gun­gen nicht ein­fach vom Him­mel fal­len, kann ermäch­ti­gend sein. Wenn jemand eine Ent­schei­dung getrof­fen hat, die zu einer Schwei­ne­rei geführt hat, dann kann die­ser Jemand die Ent­schei­dung auch wie­der aufheben.

4. Ent­werft einen Plan.
Jetzt, wo Dei­ne Kol­le­gin­nen wütend sind, ist es Zeit, ihnen Hoff­nung zu geben. Hoff­nung kommt vom Wis­sen über die Macht vie­ler Men­schen und die Wirk­sam­keit eines durch­setz­ba­ren Plans. So macht Ihr Euer Pro­blem zu einem Pro­blem des Entscheidungsträgers.

5. Holt euch eine Zusage.
Bit­tet die Kol­le­gin­nen, Teil der Lösung zu wer­den, indem sie bestimm­te Auf­ga­ben über­neh­men. Wenn sie Angst haben, erkennt an, dass es rea­le Grün­de für die­se Angst geben kann. Aber die Din­ge wür­den nicht bes­ser wer­den, wenn sie nicht aktiv mit­ma­chen. Eure Auf­ga­be ist es nicht, sie davon zu über­zeu­gen, dass ihre Ängs­te unbe­rech­tigt sind. Son­dern dass sie trotz­dem aktiv wer­den müs­sen. Wenn ihr Euch auf die Din­ge bezieht, die sie selbst geäu­ßert haben, könnt Ihr ihnen am ehes­ten über die Angst hin­weg­hel­fen. Nicht aber wenn Ihr ver­sucht, ihnen eine Akti­on „zu verkaufen“.

6. „Imp­fen“ und erneu­te Zusage. 
Jetzt sind Kol­le­gIn­nen dabei – aber wis­sen sie wirk­lich, wor­auf sie sich ein­ge­las­sen haben? Fragt sie, wie ihrer Ansicht nach das Manage­ment auf die Akti­on reagie­ren wird. Wenn es eine mög­li­che Gefahr gibt, über die sie noch nicht nach­ge­dacht haben, warnt sie davor. Sprecht über die mög­li­chen Fol­gen. Fragt sie anschlie­ßend erneut, ob ihr auf sie zäh­len könnt.
Die­ser Teil hört sich viel­leicht so an, als wür­det ihr den Erfolg des Gesprächs gefähr­den. Ihr seid so weit gekom­men, Kol­le­gin­nen möch­ten aktiv wer­den – und jetzt ver­sucht Ihr, es ihnen wie­der aus­zu­re­den? In Wirk­lich­keit ist das eine Imp­fung gegen die Atta­cken des Unter­neh­mers. Genau­so wie bei der Imp­fung gegen einen Virus, ver­sucht Ihr ihnen an die­ser Stel­le zu hel­fen, indem Ihr ihnen eine Vor­stel­lung davon gebt, was auf sie zukom­men könn­te: Durch Eure Vor­be­rei­tung auf die Situa­ti­on wird es sie nicht umwer­fen, wenn das Manage­ment tat­säch­lich so reagiert. Die rich­ti­ge Vor­her­sa­ge wird sogar eure Glaub­wür­dig­keit steigern.

7. Macht das nächs­te Tref­fen klar.
Ver­ein­bart den nächs­ten Schritt, und wann ihr das nächs­te Mal mit­ein­an­der sprecht. Macht Euch bewusst, dass Ihr nicht nur die­se eine Akti­on durch­füh­ren wollt. Ihr möch­tet die Kol­le­gIn­nen Stück für Stück näher ans Zen­trum der Ziel­schei­be brin­gen und ein bestän­di­ges Kom­mu­ni­ka­ti­ons­netz­werk auf­bau­en. Ihr ver­sucht kol­lek­ti­ves und orga­ni­sier­tes Auf­be­geh­ren als eine selbst­ver­ständ­li­che und nor­ma­le Sache im Betrieb zu etablieren.

Vier wich­ti­ge Din­ge, die zu beach­ten sind

Damit jemand aktiv wird, braucht es:
Wut – Da ist eine Unge­rech­tig­keit. Wir müs­sen das ändern.
Hoff­nung – Ver­än­de­rung ist mög­lich. Wir kön­nen das behe­ben. Hier ist unser Plan.
Dring­lich­keit – Jetzt ist der rich­ti­ge Zeit­punkt. Wir kön­nen nicht län­ger warten.
Dich – Du kannst das ver­än­dern. Dei­ne Teil­nah­me ist wichtig.

Wei­te­re Grund­sätze

Ihr könnt natür­lich nie sicher sein, ob Ihr gewin­nen wer­det. Aber es ist mög­lich zu sagen, ob Ihr eine Chan­ce habt. Ihr müsst Eure For­de­run­gen an Eure aktu­ell exis­tie­ren­de Macht koppeln.

Um zu gewin­nen, müsst Ihr es dem „Ent­schei­der“ schwe­rer machen, bei sei­nem „Nein“ zu blei­ben als „Ja“ zu sagen. Je mehr Druck Ihr auf­bau­en könnt, umso mehr The­men wer­den durchsetzbar.

Macht Euch bewusst, inwie­weit der jewei­li­ge Kampf Euch für zukünf­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen stär­ken wird.

Wird die­ses The­ma wei­te­re Kol­le­gIn­nen anzie­hen, die bis­her noch nicht betei­ligt sind? Wird es die Soli­da­ri­tät zwi­schen Grup­pen beför­dern? Wird es Euch die Chan­ce geben, einen Schritt wei­ter zu gehen als bis­her? Wird die Lösung die Grund­la­ge für wei­te­re Ver­bes­se­run­gen in der Zukunft schaffen?

Jeder Kampf soll­te auf dem vori­gen auf­bau­en. Es pas­siert häu­fig, dass wir nicht das errei­chen, wofür wir gekämpft haben – wir sind nun aber schlau­er und bes­ser orga­ni­siert. Das erhöht unse­re Chan­ce, dass wir das nächs­te Mal gewinnen.

(Teil I in Avan­ti² Nr. 47/48.][Fortsetzung folgt.)

Aus der Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2018
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