Wir trau­ern um Udo Filt­haut, geb. Hei­ber (17.01.1951 - 11.07.2025)

Freund, Genos­se, Mensch

 

W. A.

Völ­lig über­ra­schend ist unser Genos­se Udo Ernst Filt­haut am 11. Juli 2025 in Ober­hau­sen gestor­ben. Sein plötz­li­cher Tod ruft uns schmerz­haft in Erin­ne­rung, wie ver­letz­lich das Leben und wie kost­bar die uns gege­be­ne Zeit ist.

Udo Filthaut beim IGM-Aktionstag in Köln, 15. März 2025. (Foto: Privat.)

Udo Filt­haut beim IGM-Akti­ons­tag in Köln, 15. März 2025. (Foto: Privat.)

Mit Udo ver­lie­ren wir einen sehr lie­ben Freund, einen lang­jäh­ri­gen Genos­sen und soli­da­ri­schen Mitmenschen.

Gebo­ren wird er am 17. Janu­ar 1951 in dem klei­nen bay­ri­schen Dorf Graßl­fing unweit von Dach­au. Sei­ne Mut­ter Mar­ga­re­the Hei­ber (geb. Kocha­now­ski) ist als Haus­frau tätig. Sein Vater Ernst Albert Hei­ber arbei­tet als Eisen­bah­ner. Bei­de Eltern stam­men aus der im Zwei­ten Welt­krieg weit­ge­hend zer­stör­ten Ruhr­me­tro­po­le Essen. Sie ler­nen sich jedoch erst als Flücht­lin­ge in Bay­ern kennen.

Udo wird katho­lisch getauft und nach sei­nem Vater mit dem zwei­ten Vor­na­men Ernst benannt. In sei­ner Jugend ist er Minis­trant. Infol­ge des nah erfah­re­nen sexu­el­len Miss­brauchs durch Pries­ter ent­wi­ckelt sich bei ihm ein tie­fes Miss­trau­en gegen­über der katho­li­schen Kir­che im Beson­de­ren und gegen Reli­gi­on im Allgemeinen.

Auch die Volks­schu­le ist für Udo ein Alp­traum mit Leh­re­rin­nen, die Kin­der wegen ihrer Armut demü­ti­gen und sich von Eltern rei­cher Kin­der ger­ne beschen­ken las­sen. Eine der oft unter­schätz­ten, aber lan­ge nach­wir­ken­den Aus­wir­kun­gen des Faschis­mus ist, dass Erwach­se­ne – wie Udo selbst erfährt – Kin­der nach Belie­ben „schur­igeln“ dürfen.

Nach dem Abschluss der Volks­schu­le 1965 in Mün­chen beginnt Udo in einer orts­an­säs­si­gen Fir­ma für Sani­tär­groß­han­del eine Aus­bil­dung zum Kauf­mann im Groß- und Ein­zel­han­del. Seit dem Wen­de­jahr 1968 arbei­tet er als kauf­män­ni­scher Ange­stell­ter bis 1982.

Einen tie­fen Bruch in Udos Arbeits­le­ben bedeu­tet die Ent­schei­dung, sich nach der Geburt sei­ner Toch­ter Anna Mag­da­le­na als Haus­mann zu enga­gie­ren und der Kin­der­er­zie­hung zu wid­men. Sei­ne Part­ne­rin Elfrie­de bestrei­tet unter­des­sen den Groß­teil des Familienunterhalts.

Dane­ben ist er ab 1982 als Zustel­ler der Süd­deut­schen Zei­tung tätig. Nach einem schwe­ren Unfall im Jahr 2000 muss Udo die­se Tätig­keit bis 2004 unterbrechen.

Im sel­ben Jahr orga­ni­siert sich Udo in der neu gegrün­de­ten Wahl­al­ter­na­ti­ve Arbeit (WASG). Eini­ge Zeit danach kommt er in Kon­takt mit der Münch­ner Orts­grup­pe des RSB/IV. Inter­na­tio­na­le. Sein Enga­ge­ment vor Ort – nicht zuletzt als Mit­or­ga­ni­sa­tor der jähr­li­chen Pro­tes­te gegen die inter­na­tio­na­le „Sicher­heits­kon­fe­renz“ – machen ihn auch bei den Behör­den bekannt. Wenn er früh­mor­gens als Zei­tungs­trä­ger auf Tour ist, fährt über einen län­ge­ren Zeit­raum immer wie­der die Poli­zei neben ihm her.

Udo ist kei­ner die­ser lei­der auch in der Lin­ken oft anzu­tref­fen­den blut­lee­ren und sau­er­töp­fi­schen Dog­ma­ti­ker. Soli­da­ri­tät und Men­schen­rech­te sind für ihn Leit­li­nie im Gro­ßen wie im Klei­nen. Sei­ne Offen­heit für Neu­es, sein Inter­es­se für Lite­ra­tur und (Jazz-)Musik kenn­zeich­nen ihn genau­so wie sei­ne Begeis­te­rung für aus­ge­dehn­te Rad­tou­ren und eine bewuss­te Esskultur.

2010 wäh­len sei­ne Kolleg:innen ihn, den kon­se­quen­ten Gewerk­schaf­ter, in den Betriebs­rat der ZVZ Zen­trum GmbH, eines von der Süd­deut­schen abhän­gi­gen Unter­neh­mens. Um den „läs­ti­gen Betriebs­rat und eine auf­müp­fi­ge Beleg­schaft“ los­wer­den zu kön­nen, kün­digt die Fir­men­lei­tung im Früh­jahr 2012 den 53 dort täti­gen Zusteller:innen und schließt die ZVZ aus „wirt­schaft­li­chen Grün­den“. Danach wird Udo erwerbslos.

Im RSB enga­giert sich Udo auf Bun­des­ebe­ne als gewähl­tes Lei­tungs­mit­glied für den Auf­bau einer in der Arbeits­welt ver­an­ker­ten demo­kra­ti­schen, sozia­lis­ti­schen Organisation.

Am 23. Mai 2013 zieht es Udo der Lie­be wegen nach Ober­hau­sen. Dort fühlt er sich bald „rich­tig zu Hause“.

Sein außer­par­la­men­ta­ri­sches Enga­ge­ment gemein­sam mit der dor­ti­gen RSB- und spä­te­ren ISO-Orts­grup­pe ist so viel­fäl­tig, dass wir es nur grob skiz­zie­ren kön­nen: aktiv in der Roten Hil­fe, im Kampf gegen BR-Mob­bing und unter dem Pseud­onym Ernst Kocha­now­ski für unse­re Publi­ka­tio­nen, Mit­be­grün­der des Esse­ner Kran­ken­haus­bünd­nis­ses und des Ober­hau­se­ner Bünd­nis­ses für eine men­schen­wür­di­ge Gesund­heits­ver­sor­gung, Grün­dungs- und Vor­stands­mit­glied des Bil­dungs­ver­eins Soli­da­ri­sche Gesell­schaft e.V. sowie des Ver­eins zur För­de­rung eines öffent­li­chen und soli­da­ri­schen Gesund­heits­we­sens NRW e.V.

Er selbst fasst die­sen uner­müd­li­chen Akti­vis­mus ein­mal für die Zeit­schrift Avan­ti O.so zusam­men: „Jetzt, zum Jah­res­en­de, könn­ten wir ganz im Sti­le des Zeit­geis­tes ver­wei­len und […] ver­su­chen, unse­re Arbeit quan­ti­ta­tiv zu bewer­ten. Ganz so, aber iro­nisch gebro­chen, wie es uns die ‚sozia­len Medi­en‘ leh­ren: Tau­sen­de von Flug­blät­tern haben wir ver­teilt – unzäh­li­ge Stun­den im Pro­test gegen Nazis wie ‚Bür­ger gegen Poli­tik­wahn­sinn‘ ver­bracht – uns an einer 2-stel­li­gen Zahl von Demons­tra­tio­nen, sogar bun­des­weit, betei­ligt – last but not least auch etli­che Ver­an­stal­tun­gen durch­ge­führt, Fil­me gezeigt und in man­nig­fa­chen Zir­keln gegen das Sys­tem kon­spi­riert. Kurz, alles was Lies­chen M. und Otto N. von Roten Socken erwar­ten oder befürchten.“

Unser herz­li­ches Bei­leid gilt den Ange­hö­ri­gen Udos, ins­be­son­de­re sei­ner Frau Petra und sei­ner Toch­ter Anna Magdalena.

Wir wer­den Udo nicht vergessen!

Vor­ab­ver­öf­fent­li­chung aus  Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2025
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