Teil I
O. T.
Die Oktoberrevolution ist heutzutage meist kein Thema in den bürgerlichen Medien. Wenn doch, wird oft reißerisch auf „Terror und Chaos“ hingewiesen.
Der Marxismus wird dann gerne als die teuflischste Ideologie der menschlichen Geschichte dargestellt. Offensichtliches Ziel ist es, jeglichen Gedanken an eine fortschrittliche Alternative zum Kapitalismus zu tabuisieren.
Auch die „Bundeszentrale für politische Bildung“ macht hier keine Ausnahme. In ihrem Text Was war die Oktoberrevolution? heißt es unter anderem: „Die siegreichen Bolschewiki waren Gewalttäter, die der Krieg hervorgebracht hatte. Ihre Revolution war der Sieg einer vormodernen Gewaltdiktatur über die Freiheitsversprechen des russischen Liberalismus.“
Am 26. Oktober 1917 (dem 7. November unseres Kalenders) nahmen revolutionären Truppen und Arbeitermilizen das Winterpalais in Petersburg ein, den Sitz der bürgerlichen Regierung Russlands. Diese wurde gestürzt. Der russlandweite Kongress der Räte übernahm die politische Macht. Tatsächlich war die Oktoberrevolution ein – fast völlig unblutiger – Massenaufstand.
Die Ausgangslage
Drei grundlegende Probleme kennzeichneten die Lage vor 1917 in Russland: der Krieg, das große Elend der Bauernschaft und die Rechtlosigkeit der unterdrückten Nationalitäten.
Russlands Beteiligung am 1. Weltkrieg an der Seite Frankreichs und Englands gegen Deutschland und Österreich-Ungarn war ein Katalysator für das Revolutionsjahr 1917. Damals stand Russland vor dem militärischen Zusammenbruch. Kriegsmüdigkeit griff um sich.
Armut und Hunger in Stadt und Land waren im Februar 1917 ein zweiter wesentlicher Auslöser für den Sturz des Zaren. Die wirtschaftliche und soziale Lage insbesondere der Bauern war katastrophal. 10,5 Mio. ruinierter Bauern mit etwa 75 Mio. Hektar Land standen 30.000 meist adelige Großgrundbesitzer mit 70 Mio. Hektar gegenüber.
Das dritte große Problem war die Rechtlosigkeit der unterdrückten Nationalitäten. Sie bildeten die Mehrzahl der Bevölkerung des Riesenreichs.
Im Unterschied zu Westeuropa hatte es in Russland keine bürgerliche Revolution gegeben. Als das Bürgertum in Russland auf der politischen Bühne auftauchte, fühlte es sich bereits von der ArbeiterInnenklasse bedroht.
Diese zählte zwar einschließlich der Land- und Wanderarbeiter etwa 15 Mio. Menschen. Sie war aber alleine zu schwach, um den Zarismus zu stürzen.
Der gemäßigte Flügel der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands (SDAPR-OK), die „Menschewiki”, suchten deshalb das Bündnis mit dem Bürgertum. Sie setzten zudem ihren Arbeitsschwerpunkt auf die Duma – das Parlament – und die Regierungsbeteiligung.
Die „Bolschewiki” hingegen, der radikale Flügel der SDAPR, trat für das Bündnis von ArbeiterInnenklasse und Bauernschaft ein, der großen Mehrheit der Bevölkerung.
Ohne die Partei der Bolschewiki, die den Aufstand unter Führung Trotzkis organisierte, hätte es keine Oktoberrevolution gegeben – aber auch nicht ohne die Person Lenin. Denn nach der Februarrevolution 1917 meinte die Führung der SDAPR-ZK unter Kamenew, Sinowjew und Stalin, mit der bürgerlichen Republik das wesentliche Ziel bereits erreicht zu haben.
Die Wende
Mit seinen „Aprilthesen“ trat Lenin 1917 für eine radikale Kursänderung der Bolschewiki ein. Er propagierte jetzt die sozialistische Revolution. Selbst die Führung der Bolschewiki sah ihn damals als „Phantasten“ an.
Lenins Wende entsprach dem Drängen der Vorhut der klassenbewussten ArbeiterInnen in den Betrieben, in Armee und Marine sowie auf dem Land.
Sie entsprach auch Trotzkis Strategie der permanenten Revolution. Derzufolge müsse die ArbeiterInnenklasse zwar im Bündnis mit der Bauernschaft den Zarismus stürzen. Zudem müsse sie aber ihre eigenen weitergehenden Forderungen auf die Tagesordnung setzen. Die Revolution fange bei der Lösung der demokratischen Aufgaben (Republik, Agrarfrage, Gleichberechtigung) an und führe dann weiter zur sozialistischen Revolution.
Den sofortigen Friedensschluss, die Enteignung und Verteilung des Großgrundbesitzes an die Bauern sowie das Selbst- bestimmungsrecht für die unterdrückten Nationalitäten – bis hin zum Recht auf Lostrennung – konnte nur die Revolution der Räte (der Sowjets) durchsetzen.
Die Losungen der Bolschewiki „Alle Macht den Räten!“ und „Brot, Frieden, Land!“ mobilisierten Massen für das Ziel eines Sozialismus in Russland und der Welt.