„Gemeinsam sind wir stärker“
O. T.
Seit mehreren Wochen organisiert das Aktionsbündnis „Solidarität statt Preistreiberei!“ in der Mannheimer Innenstadt Kundgebungen, Plakatmärsche und Flugblattverteilungen gegen die aktuellen Preissteigerungen.
Die Hauptrede bei der Aktion am 25. Oktober 2022 auf dem Mannheimer Marktplatz hielt Andreas Hauk (DGB-Jugendsekretär Nordbaden). Im Folgenden veröffentlichen wir einen redaktionell bearbeiteten Auszug aus seinem mit großem Beifall von den Anwesenden bedachten Beitrag.
Bevor ich mich in Detailfragen verliere, mich in halbgaren Analysen über die Ursachen der Krise versuche oder Forderungen aufstelle, möchte ich eigentlich lieber darstellen, was mich heute hier stehen lässt: Wut!
Wut über die Tatsache, dass während der Corona-Pandemie allein im ersten Halbjahr 2020 die Zahl der Dollar-Millionäre in Deutschland um 58.000 gestiegen ist, während dem Pflegepersonal, das sich während dieser Zeit den Buckel krumm geschuftet hat, lediglich mit einem warmen Applaus vom Balkon aus gedankt wird.
Wut darüber, dass auch während der jetzt einschlagenden Krise, die finanziell schwächer gestellten Menschen schon wieder die Krisenlasten aufgedrückt bekommen, während große Unternehmen Rekordgewinne erzielen.
Wut darauf, dass die Arbeitgeberverbände die anstehenden Tarifverhandlungen mit lächerlichen Angeboten abspeisen. Wut darüber, dass in Mannheim über 1.200 Arbeitsplätze bei EvoBus gestrichen werden sollen und sich einen Dreck um die sozialen Folgen gekümmert wird!
Wut auf die Tatsache, dass Menschen Angst davor haben, nicht über die Runden zu kommen.
Nein zu den rechten Heuchlern
Es ist jedoch nicht nur die Wut auf die zunehmende brutale Ungleichheit, die mich auf die Straße treibt. Es ist auch die Wut auf diese rechten Heuchler, die mich hier stehen lässt. Alice Weidel, Björn Höcke, Alexander Gauland und wie sie alle heißen.
Ich richte diese Worte direkt an sie: Wie könnt Ihr es wagen Euch als „Stimme der kleinen Leute“ aufzuspielen, wo Ihr nichts zu bieten habt außer Hass auf die, die Ihr als schwach betrachtet und die Ihr spaltet?
Alles was die politische Rechte als Lösung anzubieten hat, ist gelogen und zielt darauf ab, nach unten auf vermeintlich schwächere einzutreten. […]
Ich bin außerdem wütend auf die vermeintlich starken Männer Erdogan, Bolsonaro, Modi, Putin, Chamenei und wie sie alle heißen, die mit Skrupellosigkeit, Ignoranz, Gewalt und Spaltung regieren und nicht erst seit gestern ihre autoritäre Fratze offenbart haben.
Profitsystem als Hauptproblem
Nein, diese „starken Männer“ sind nicht unser Hauptproblem, aber sie sind die Zuspitzung und der Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, das mir große Angst macht. Ein Klima, in dem Härte und Brutalität, Rücksichtslosigkeit als etwas Gutes und Solidarität, Zärtlichkeit, gegenseitige Hilfe als etwas Schlechtes betrachtet wird. In so einer Welt möchte ich nicht leben!
Ich bin wütend auf ein Wirtschaftssystem, dessen Logik auf grenzenlosem Wachstum basiert und nach und nach unsere Lebensgrundlage dem Profit einiger weniger opfert.
Das zeigt sich im Kleinen im Dorf Lützerath, welches mit politischer Rückendeckung der Grünen von RWE weggebaggert wird und im Großen an der uns bevorstehenden Klimakatastrophe.
Ich habe das, was uns bevorsteht nicht im Geringsten verarbeitet und bin dennoch nahezu ohnmächtig vor Wut. All das hinterlässt mich fassungslos und ich nehme es der Politik, den vermeintlich starken Männern, den rechten Heuchlern, den Konzernen, der − entschuldigt bitte die vielleicht altbacken anmutende Formulierung − herrschenden Klasse ganz persönlich übel.
Es braucht Druck und Bewegung
Apropos Streik: Ich stehe hier heute nicht nur als Andreas mit Wut im Bauch und einem Kopf voller Ideen über eine gerechte Welt, sondern auch als Gewerkschafter, und als dieser möchte ich ebenfalls sprechen.
Es ist bekannt, dass Ideen alleine, so gut sie auch sein mögen, die Welt nicht verändern werden. Es braucht einen Hebel mit dem wir arbeiten. Einen Hebel um ganz konkret das Leben vieler Menschen zu verbessern. Ich möchte von daher mit aller Dring- lichkeit auf die anstehenden Tarifverhandlungen meiner Kolleginnen und Kollegen der IG Metall und von ver.di aufmerksam machen. […]
Um einen erfolgreichen Tarifabschluss sowohl bei den Unikliniken als auch in der Metall- und Elektroindustrie erreichen zu können, braucht es Druck und Bewegung. Nicht nur in den Kliniken und Betrieben, sondern auch auf den Straßen und den Plätzen, um eine Dynamik zu erzeugen, in der die Forderungen nach einer Grundlage, die zum Leben reicht, nicht wie ein Betteln daherkommt, sondern eine Selbstverständlichkeit wird.
Unsere Waffe ist die Solidarität, und es ist an der Zeit, sie einzufordern bzw. anzubieten. Wir müssen endlich aufhören, Gewerkschaften und soziale Bewegungen als etwas getrennt von- einander Existierendes zu begreifen und stattdessen aufeinander zugehen. Es geht uns schließlich um nicht mehr und nicht weniger als um eine gerechte Welt und um ein gutes Leben. Alleine sind wir stark, gemeinsam sind wir stärker!