ISO-Infoabend am 20. Januar 2023
R. G.
Die Machtübergabe an den Faschismus vor 90 Jahren war Thema des Januar-Infoabends der ISO Rhein-Neckar. Am 30. Januar 1933, wurde Adolf Hitler vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Damit wurde mit Zustimmung und Unterstützung durch Kapitalisten und Großgrundbesitzer die politische Macht an den Faschismus übergeben.
Unser Referent erinnerte zuerst an die Opfer des Faschismus. Danach skizzierte er Ideologie, Ziele und Ursachen des Faschismus sowie den faschistischen „Umbau“ von Staat und Gesellschaft. Schließlich versuchte er, daraus Lehren für die heutige Zeit zu ziehen.
Die Opfer
Der Faschismus an der Macht habe nicht gezögert, seine politischen, rassistischen und antisemitischen Ziele mit blutigem Terror umzusetzen. Als erstes seien Zehntausende Aktive der Arbeiterbewegung verhaftet, gefoltert, in die Flucht getrieben oder getötet worden. Dadurch sei der einzig ernstzunehmende Gegner des Faschismus zerschlagen worden.
Danach seien 6 Millionen jüdische Menschen, 500.000 Sinti und Roma, 250.000 Menschen mit psychischen Erkrankungen oder körperlichen Beeinträchtigungen, tausende Homosexuelle und politische oder religiöse Regimegegner ermordet worden. Nicht zuletzt habe er den II. Weltkrieg mit 65 Millionen Opfern zu verantworten.
Die Ursachen
Eine wichtige Voraussetzung für den Faschismus sei der Verrat der Sozialdemokratie an der Novemberrevolution 1918 gewesen. Statt die historische Chance zur sozialistischen Umgestaltung zu nutzen, habe sie mit Hilfe der reaktionären Freikorps den Kapitalismus verteidigt. So sei der politische Raum für autoritäre und faschistische Strömungen geöffnet worden.
Die Weimarer Republik sei sozial, wirtschaftlich und politisch instabil gewesen. Der Arbeiterbewegung hätten die gleichen autoritären Machtstrukturen gegenübergestanden wie in der Kaiserzeit. In der Wirtschaft hätten weiterhin die Kapitalisten geherrscht, im Militär der Adel und in den Gerichten, Schulen und Universitäten dieselbe autoritär-reaktionäre Gesinnung.
Die Hyperinflation 1923 und die Wirtschaftskrise 1929 hätten zu sozialer Verelendung der Beamten, Angestellten, Bau- ern und Selbstständigen geführt. Millionen Lohnabhängige seien ohne Perspektive gewesen. In der Folge hätte das parla- mentarische System und auch die autoritär-bürgerlichen Parteien an Vertrauen verloren. Dies sei der Nährboden für den Faschismus gewesen.
Am negativsten hätte sich die Spaltung der Arbeiterbewegung in Sozialdemokraten und Kommunisten ausgewirkt. Diese hätten sich politisch bekämpft und die tödliche Gefahr des Faschismus nicht erkennen wollen. Statt den gemeinsamen Widerstand zu organisieren, hätten sie eine Einheitsfront gegen den Faschismus politisch abgelehnt.
Mögliche Lehren
Der Faschismus sei immer noch eine Gefahr. Dort, wo es auf die Krisen des globalen Kapitalismus keine glaubhaften und kämpferischen Antworten der Arbeiterbewegung und der politischen Linken gegeben habe, seien autoritäre, rassistische und faschistische Strömungen erstarkt oder sogar an die Regierung gekommen.
Angesichts dessen seien die politischen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Der Faschismus sei untrennbar mit dem Kapitalismus verknüpft. Der Kampf gegen den Faschismus müsse mit dem Kampf gegen die sozialen Folgen der Krisen und für eine sozialistische Alternative zu Kapitalismus und Stalinismus verbunden werden. Vor allem aber müsse eine gemein- same Front der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gegen den Faschismus aufgebaut werden.
Intensive Diskussion
Die anschließende spannende Diskussion setzte sich insbesondere mit der aktuellen politischen Entwicklung auseinander. Die Taktik der Einheitsfront könne nicht einfach auf die heutige Zeit übertragen werden. Die ökonomischen und politischen Bedingungen seien nicht vergleichbar. Es gäbe keine in der arbeitenden Klasse verankerten Parteien wie in der Weimarer Republik. Heute stelle sich die Frage, welche politischen Kräfte für eine Einheitsfront überhaupt gewonnen werden könn- ten. Dennoch gäbe es Beispiele erfolgreicher Bewegungen. So sei es in Brasilien gelungen, den rassistisch-faschistoiden Prä- sidenten Bolsonaro durch den Aufbau einer gemeinsamen Front auf Wahlebene vorerst zu besiegen.
Den Teilnehmenden gelang es, ausgehend vom Thema der Machtübergabe an den Faschismus, eine solidarische Diskussion über die aktuellen politischen Erfordernisse zu führen. Damit konnte auch diesmal die Brücke zwischen Information und praktischer Arbeit geschlagen werden.