Gruß­wort Gün­ter Wall­raffs an die 10. Bun­des­kon­fe­renz „Betriebs­rä­te im Visier“*

Konferenz in Mannheim, 14.Oktober 2023. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Kon­fe­renz in Mann­heim, 14.Oktober 2023. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Lie­be Kol­le­gin­nen und Freunde!
als ich vor über zehn Jah­ren das ers­te Mal auf eurer Kon­fe­renz gespro­chen habe, gab es nur ver­ein­zel­te Initia­ti­ven gegen Betriebs­rat-Mob­bing, die man an einer Hand abzäh­len konn­te. Auch bei den Gewerk­schaf­ten war das kein zen­tra­les The­ma und – mit Aus­nah­me der Mann­hei­mer IG Metall – kaum präsent.

Ganz anders auf Sei­ten der Arbeit­ge­ber: Schon damals gab es zahl­rei­che Unter­neh­mens­be­ra­tun­gen und Unrechts­an­wäl­te, die sich auf das geziel­te Mob­ben bis hin zum Psy­cho­ter­ror gegen enga­gier­te Mitarbeiter:innen und Betriebs­rä­te spe­zia­li­siert hat­ten. Sie hat­ten mas­sen­haft Auf­trä­ge und das trotz meist hor­ren­der Kos­ten­sät­ze und exor­bi­tan­ten „Abschuss­prä­mi­en“.

Durch Medi­en­ver­öf­fent­li­chun­gen und Auf­klä­rungs­kam­pa­gnen ist Betriebs­rat-Mob­bing, Bos­sing oder Uni­on Bus­ting heu­te für vie­le kein Fremd­wort mehr. Doch das eigent­li­che Pro­blem wur­de damit nicht gelöst. Unter­neh­men ver­schlei­ern ihr ille­ga­les Han­deln und gehen dabei immer sub­ti­ler zu Wer­ke: So set­zen Geschäfts­füh­run­gen mitt­ler­wei­le dar­auf, die Gre­mi­en der Mit­be­stim- mung mit eige­nen, gekauf­ten oder hand­zahm-will­fäh­ri­gen Gefolgs­leu­ten zu beset­zen, um Ent­schei­dun­gen ein­zig im Sin­ne der Arbeit­ge­ber durch­zu­set­zen. Betrieb­li­che Mit­be­stim­mung als rei­ne Far­ce und Schein-Demokratie.

Die Gewerk­schaf­ten ver­hal­ten sich unein­deu­tig: Man­che wagen den Kon­flikt mit den Arbeit­ge­bern und gehen in die Offen­si­ve. Ande­re hän­gen den frü­he­ren Tagen der Sozi­al­part­ner­schaft nach, die von Arbeit­ge­ber­sei­te längst auf­ge­kün­digt wor­den ist. Die­se Pola­ri­sie­rung wird aktu­ell auch im Kon­flikt bei Pro­Mi­nent in Hei­del­berg deut­lich, dem Unter­neh­men des BDA-Prä­si­den­ten Rai­ner Dul­ger und sei­nes Bruders.

Die Teilnehmer:innen die­ser Kon­fe­renz posi­tio­nie­ren sich unmiss­ver­ständ­lich und eindeutig.

Euch gilt mei­ne vol­le Unter­stüt­zung. Euer Enga­ge­ment ist vor­bild­lich und bewun­derns­wert – zum einen als Soli­da­ri­tät für betrof­fe­ne Kol­le­gen. Zum ande­ren aber auch, damit das men­schen- rechts­ver­let­zen­de Betriebs­rat-Mob­bing nicht mehr län­ger nur ein straf­recht­li­ches Antrags­de­likt bleibt, son­dern zum Offi­zi­al­de­likt wird, so wie es im Koali­ti­ons­ver­trag der Bun­des­re­gie­rung ange­kün­digt war.

Es ist längst über­fäl­lig, Betriebs­rat-Mob­bing nicht mehr als Kava­liers­de­likt zu behan­deln, son­dern mit Para­graf 119 des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes auch end­lich eine effek­ti­ve Gegen­wehr der Kol­le­gen durch­zu­set­zen. Arbeit­ge­ber, die die psy­chi­sche und phy­si­sche Gesund­heit ihrer Mitarbeiter:innen von lan­ger Hand geplant, gewis­sen­los und mit kri­mi­nel­ler Ener­gie rui­nie­ren, dür­fen nicht mit einer gering­fü­gi­gen Geld­stra­fe davon­kom­men, son­dern müs­sen wis­sen, dass Ihnen auch Gefäng­nis droht.

Bis dahin ist noch viel Auf­klä­rungs­ar­beit zu leis­ten. Doch wir dür­fen nicht ver­ges­sen: Die posi­ti­ven Rea­li­tä­ten von heu­te, wie zum Bei­spiel die Gleich­stel­lung der Frau, Kin­der- und Min­der­hei­ten­rech­te, Umwelt­schutz­be­stim­mun­gen und Arbeits­schutz­ge­set­ze waren die Visio­nen von einst. Unse­re jet­zi­gen ganz kon­kre­ten For­de­run­gen müs­sen schnellst­mög­lich die Rea­li­tä­ten von heu­te wer­den. Ihr seid nicht allein! Ich wün­sche euch eine erfolg­rei­che und ermu­ti­gen­de Konferenz.

Mit soli­da­ri­schen Grüßen

Euer Gün­ter Wallraff


* [Es gilt das gespro­che­ne Wort. Link zur Video­bot­schaft Gün­ter Wallraffs.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Novem­ber 2023
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