Men­schen­rech­te

End­lich durchsetzen!

 

M. G.

Was soll das denn hei­ßen? Das Grund­ge­setz für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land (GG) vom 23. Mai 1949 bezieht sich doch aus­drück­lich auf sie. Eigent­lich ist dann ja alles klar. Oder etwa doch nicht?

„Der Kuß von Gerechtigkeit und Friede“, Ölbild Antwerpen, um 1580. (Foto: Gemeinfrei.)

Der Kuß von Gerech­tig­keit und Frie­de“, Ölbild Ant­wer­pen, um 1580. (Foto: Gemeinfrei.)

In Arti­kel 1 GG heißt es unmiss­ver­ständ­lich: „(1) Die Wür­de des Men­schen ist unan­tast­bar. Sie zu ach­ten und zu schüt­zen ist Ver­pflich­tung aller staat­li­chen Gewalt. (2) Das Deut­sche Volk bekennt sich dar­um zu unver­letz­li­chen und unver­äu­ßer­li­chen Men­schen­rech­ten als Grund­la­ge jeder mensch­li­chen Gemein­schaft, des Frie­dens und der Gerech­tig­keit in der Welt.“

Spie­geln wir die­se rich­ti­ger­wei­se aus den Erfah­run­gen mit den Ver­bre­chen des Faschis­mus abge­lei­te­ten Sät­ze an der Rea­li­tät, dann wird die Kluft zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit offensichtlich.

Anspruch und Wirklichkeit
Um nur eini­ge Bei­spie­le ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit zu nen­nen: die Benach­tei­li­gung von Frau­en, die Gewalt gegen Frau­en, die Miss­hand­lung und der sexu­el­le Miss­brauch von Kin­dern, die Alters­ar­mut, die Dis­kri­mi­nie­rung von Ein­ge­wan­der­ten, die Feind­se­lig­keit gegen bestimm­te sexu­el­le Ori­en­tie­run- gen, die staat­li­che Bespit­ze­lung und Unter­drü­ckung von Pro­test­be­we­gun­gen, die deut­sche Außen- bzw. Außen­wirt­schafts­po­li­tik, die Mili­ta­ri­sie­rung der Gesell­schaft oder die Bekämp- fung von Gewerk­schaf­ten und akti­ven Betriebsräten …

Die­se und ande­re Miss­stän­de sind einer­seits Ergeb­nis einer Gesell­schaft, die in Klas­sen auf­ge­spal­ten ist. Ande­rer­seits ist sie Resul­tat des lang­an­hal­ten­den Nie­der­gangs von organ­sier­ter Gegen­macht der arbei­ten­den Klas­se und der damit ein­her­ge­hen­den Schwä­chung soli­da­ri­scher, lin­ker Orga­ni­sa­tio­nen, Par­tei­en und Bewegungen.
Die Herr­schen­den kön­nen auch des­halb die Gesetz­ge­bung und ihre Aus­le­gung durch die Recht­spre­chung viel wirk­sa­mer beein­flus­sen als die Beherrsch­ten. Auf­grund ihrer wirt­schaft­li­chen Macht, ihres Reich­tums und ihres dar­aus resul­tie­ren­den gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Anse­hens ver­mö­gen sie zudem, Geset­ze viel eher als Ange­hö­ri­ge der arbei­ten­den Klas­se zu umgehen.

Im Zuge des anhal­ten­den neo­li­be­ra­len Umbaus des Kapi­ta­lis­mus gelingt es den Super­rei­chen und Kon­zer­nen immer leich­ter, jen­seits des Grund­ge­set­zes ein „Recht des Stär­ke­ren“ durch­zu­set­zen. Das hat die mas­si­ve Miss­ach­tung von Grund- und Men­schen­rech­ten ins­be­son­de­re in der Arbeits­welt zur Folge.

Die Erklä­rung der Menschenrechte
Als am 10. Dezem­ber 1948 die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te in Form einer recht­lich nicht bin­den­den Reso­lu­ti­on von der UN-Gene­ral­ver­samm­lung in Paris ver­ab­schie­det wur­de, war das Wis­sen um die schreck­li­chen Ver­bre­chen des Faschis­mus, des Sta­li­nis­mus und des Zwei­ten Welt­kriegs noch frisch.

Die Erklä­rung der Men­schen­rech­te umfasst 30 Arti­kel. Sie ent­hal­ten grund­le­gen­de Aus­sa­gen über die jeder Per­son zuste­hen­den Rechte.

Sie gel­ten für alle Men­schen „ohne irgend­ei­nen Unter­schied, etwa nach Ras­se, Haut­far­be, Geschlecht, Spra­che, Reli­gi­on, poli­ti­scher oder sons­ti­ger Über­zeu­gung, natio­na­ler oder sozia­ler Her­kunft, Ver­mö­gen, Geburt oder sons­ti­gem Stand“, und das unab- hän­gig davon, in wel­chem recht­li­chen Ver­hält­nis ein Mensch zu dem Land steht, in dem er sich aufhält.

Zen­tral ist für die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te der Anspruch eines jedes Men­schen auf Schutz vor Macht­miss­brauch und Aus­beu­tung. Die Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten gilt als grund­le­gen­de Bedin­gung für Frie­den, Sicher­heit und Gerechtigkeit.

Rechts­ver­bind­lich­keit von Menschenrechten
Im Unter­schied zu der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te sind der Inter­na­tio­na­le Pakt über bür­ger­li­che und poli­ti­sche Rech­te (UN-Zivil­pakt) und der Inter­na­tio­na­le Pakt über wirt­schaft­li­che, sozia­le und kul­tu­rel­le Rech­te (UN-Sozi­al­pakt) völ­ker­recht­lich bin­den­de Verträge.

Sie garan­tie­ren rechts­ver­bind­lich grund­le­gen­de Men­schen­rech­te in der Gesell­schaft und in der Arbeits­welt: zum Bei­spiel das Recht auf Leben, das Ver­bot der Skla­ve­rei und Zwangs­ar­beit, das Recht auf per­sön­li­che Frei­heit und Sicher­heit, das Recht auf Gedan­ken-, Gewis­sens- und Reli­gi­ons­frei­heit, das Recht auf Teil­nah­me an all­ge­mei­nen, glei­chen und gehei­men Wah­len, die Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau, das Ver­bot von Hass- und Kriegs­pro­pa­gan­da, das Recht auf siche­re und gesun­de Arbeits­be­din­gun­gen, das Recht zur Bil­dung von Gewerk­schaf­ten oder etwa das Recht auf Streik.

Die Bun­des­re­pu­blik hat sowohl den UN-Zivil­pakt als auch den UN-Sozi­al­pakt unter­schrie­ben. Wäre es nicht an der Zeit, die Bun­des­re­gie­rung an die Ein­hal­tung ihrer gesetz­li­chen und ihrer Ver­trags­pflich­ten zu erinnern?

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2024
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