Endlich durchsetzen!
M. G.
Was soll das denn heißen? Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949 bezieht sich doch ausdrücklich auf sie. Eigentlich ist dann ja alles klar. Oder etwa doch nicht?
In Artikel 1 GG heißt es unmissverständlich: „(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
Spiegeln wir diese richtigerweise aus den Erfahrungen mit den Verbrechen des Faschismus abgeleiteten Sätze an der Realität, dann wird die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit offensichtlich.
Anspruch und Wirklichkeit
Um nur einige Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu nennen: die Benachteiligung von Frauen, die Gewalt gegen Frauen, die Misshandlung und der sexuelle Missbrauch von Kindern, die Altersarmut, die Diskriminierung von Eingewanderten, die Feindseligkeit gegen bestimmte sexuelle Orientierun- gen, die staatliche Bespitzelung und Unterdrückung von Protestbewegungen, die deutsche Außen- bzw. Außenwirtschaftspolitik, die Militarisierung der Gesellschaft oder die Bekämp- fung von Gewerkschaften und aktiven Betriebsräten …
Diese und andere Missstände sind einerseits Ergebnis einer Gesellschaft, die in Klassen aufgespalten ist. Andererseits ist sie Resultat des langanhaltenden Niedergangs von organsierter Gegenmacht der arbeitenden Klasse und der damit einhergehenden Schwächung solidarischer, linker Organisationen, Parteien und Bewegungen.
Die Herrschenden können auch deshalb die Gesetzgebung und ihre Auslegung durch die Rechtsprechung viel wirksamer beeinflussen als die Beherrschten. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht, ihres Reichtums und ihres daraus resultierenden gesellschaftlichen und politischen Ansehens vermögen sie zudem, Gesetze viel eher als Angehörige der arbeitenden Klasse zu umgehen.
Im Zuge des anhaltenden neoliberalen Umbaus des Kapitalismus gelingt es den Superreichen und Konzernen immer leichter, jenseits des Grundgesetzes ein „Recht des Stärkeren“ durchzusetzen. Das hat die massive Missachtung von Grund- und Menschenrechten insbesondere in der Arbeitswelt zur Folge.
Die Erklärung der Menschenrechte
Als am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Form einer rechtlich nicht bindenden Resolution von der UN-Generalversammlung in Paris verabschiedet wurde, war das Wissen um die schrecklichen Verbrechen des Faschismus, des Stalinismus und des Zweiten Weltkriegs noch frisch.
Die Erklärung der Menschenrechte umfasst 30 Artikel. Sie enthalten grundlegende Aussagen über die jeder Person zustehenden Rechte.
Sie gelten für alle Menschen „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“, und das unab- hängig davon, in welchem rechtlichen Verhältnis ein Mensch zu dem Land steht, in dem er sich aufhält.
Zentral ist für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Anspruch eines jedes Menschen auf Schutz vor Machtmissbrauch und Ausbeutung. Die Einhaltung von Menschenrechten gilt als grundlegende Bedingung für Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit.
Rechtsverbindlichkeit von Menschenrechten
Im Unterschied zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) völkerrechtlich bindende Verträge.
Sie garantieren rechtsverbindlich grundlegende Menschenrechte in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt: zum Beispiel das Recht auf Leben, das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit, das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit, das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht auf Teilnahme an allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Verbot von Hass- und Kriegspropaganda, das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, das Recht zur Bildung von Gewerkschaften oder etwa das Recht auf Streik.
Die Bundesrepublik hat sowohl den UN-Zivilpakt als auch den UN-Sozialpakt unterschrieben. Wäre es nicht an der Zeit, die Bundesregierung an die Einhaltung ihrer gesetzlichen und ihrer Vertragspflichten zu erinnern?