20 Jahre Mannheimer Appell
U. D. / H. N.

Alstom-Demo in Mannheim, 30. Mai 2005. (Foto: Helmut Roos.)
Am 11. Juli 2005 veröffentlichten Betriebsrat und IGM-Vertrauenskörperleitung von Alstom Power ihren Mannheimer Appell. Anlass war der erneute massive Abwehrkampf der Belegschaft gegen die anhaltenden Angriffe der Alstom-Konzernleitung auf die Existenz des großen Werks in Mannheim-Käfertal.
Auch 20 Jahre später vernichten Konzerne massenhaft tarifgebundene Arbeitsplätze. Allein im Jahr 2025 waren es laut Deutschem Gewerkschaftsbund schon über 50.000.
Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz und Daimler Truck haben rund 25.000 Stellen gestrichen, der Maschinenbau bis Mai 2025 mehr als 15.000 und die Chemieindustrie mehr als 8.000.
Auch in anderen Branchen geht es um zehntausende Stellen: Die Deutsche Post will 8.000 Stellen streichen, die Deutsche Bank 2.000 und die Commerzbank bis 2028 3.000.
Profitgier mit verheerenden Folgen
Dies geschieht, obwohl die Konzerne Milliardengewinne machen. Doch damit geben sich Großaktionäre und Management nicht zufrieden. Ihr Ziel ist es, die Profite, Dividenden und Aktienkurse weiter zu steigern.
Ihre „Personal-Maßnahmen“ begründen sie mit Standortnachteilen (z. B. „Bürokratie“, hohen Lohn- und Sozialkosten usw.), globalem Wettbewerb, Digitalisierung oder der US-Zoll-Politik unter Trump. Für Rücksicht auf Beschäftigte ist dabei kein Platz.
Für die Beschäftigten, ihre Betriebsräte und Gewerkschaften stellt dies eine existenzielle Bedrohung dar. Nicht alle Entlassenen erhalten hohe ‚Abfindungen oder „gleiten“ in die Rente. Vielen droht der Wechsel in tariffreie und prekäre Arbeitsverhältnisse, während die Weiterbeschäftigten oftmals mehr leisten müssen.
Diese Entwicklung führt nicht nur zu vermehrten körperlichen und psychischen Erkrankungen. Verunsicherung und soziale Ängste sind wichtige Ursachen für den anhaltenden Rechts- ruck und den Aufschwung der extremen Rechten.
Im Westen nichts Neues?
Wie vor 20 Jahren setzt auch heute die Kapitalseite ihre Interessen auf Kosten der Arbeitenden und der Sozialversicherungen durch. Sie haben Erfolg, weil es ihnen mit Hilfe von „Wirtschaftswissenschaftler:innen“, Medien und Politiker:innen gelingt, mit ihrer neoliberalen Propaganda die Gewerkschaftsbewegung politisch und organisatorisch zu schwächen.
Immer noch hoffen fast alle Gewerkschaftsvorstände auf sozialpartnerschaftliche „Lösungen“.
Statt Gegenwehr zu organisieren, verwalten sie die Verschlechterungen „sozial verträglich“ mit. Dabei geben sie mit jedem „Kompromiss“ erkämpfte Errungenschaften kampflos auf – und schwächen so die Gewerkschaften.
Statt Solidarität zu organisieren und die Interessen aller Arbeitenden zu verteidigen, geht es ihnen um „die deutsche Wirtschaft“ und die „Absicherung“ der „Restbelegschaften“. Das verstärkt die Spaltung der Arbeitenden und macht sie noch anfälliger für die faschistische Hetze.
Kämpfen statt kuscheln
Dass es auch anders geht, haben Betriebsrat, IGM-Vertrauenskörper und Belegschaft des Mannheimer Alstom-Standortes bewiesen. Sie kämpften im Betrieb hartnäckig gegen die Abbau-Pläne des Konzerns, und sie organisierten überbetrieblichen und internationalen Widerstand.
Um diesen weiter zu stärken, kam es 2005 zur Formulierung des Mannheimer Appells (www.resistance-online.de). Darin heißt es, dass eine „betriebsübergreifende Gegenwehr und ein allgemeiner gewerkschaftlicher Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung“ fehlt.
Und weiter: „Wir rufen deshalb alle Kolleginnen und Kollegen innerhalb unserer Gewerkschaften auf: Fordert […] eine aktive Politik gegen Arbeitsplatzabbau! […] Koordiniert den Widerstand über alle Grenzen hinweg!“
Der Appell schließt mit einer klaren politischen Perspektive: „Fordern wir gemeinsam die Einhaltung des Grundgesetzes ein: ‚Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist […] zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.‘ (Artikel 14 GG.) Kämpfen wir deshalb auch für ein Verbot von Entlassungen! Unterstützen wir aktiv den Widerstand gegen Arbeitsplatzabbau – ob bei Alstom oder anderswo!“
Brennend aktuell
Der Mannheimer Appell ist brennend aktuell. Der anhaltende Klassenkampf von oben, der massive globale Rechtsruck und die von Merz/Klingbeil angekündigten Attacken gegen die arbeitende Klasse erfordern, diesen Aufruf wirksam zu erneuern. Unendlich viel Zeit haben wir dafür nicht.