Teil II: Wie Gegenmacht im Betrieb organisieren?
O. T.
Im Vorfeld der anstehenden Betriebsratswahlen wollen wir uns mit zwei grundlegenden Fragen beschäftigten. Welche Aufgaben haben Betriebsrat und Gewerkschaft? In welchem Verhältnis stehen sie zueinander und zum Kapital?
Die Gewerkschaften
Die Gewerkschaften sind Vereinigungen der abhängig Beschäftigten zur Vertretung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen. Ihre Aufgabe ist es, für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Rechte im Betrieb, Arbeitszeitverkürzungen und weitergehende gesellschaftspolitische Ziele – wie z. B. für sichere Renten und gegen die Prekarisierung der Arbeitswelt – zu kämpfen.
Die Gewerkschaften schließen als Verhandlungspartner von Kapitalverbänden oder Geschäftsleitungen überbetriebliche (Flächentarife) oder auch betriebliche Tarifverträge ab. Sie führen dazu Lohnkämpfe, gegebenenfalls auch mit Hilfe von Streiks und Boykotten. Die Gewerkschaften sollten versuchen, im Interesse ihrer Mitglieder einen möglichst großen Teil der Unternehmensgewinne als Entgelt und zur Finanzierung von Verbesserungen der Arbeitsbedingungen an die Beschäftigten umzuverteilen. Dagegen vertritt die Unternehmensführung die Interessen der Kapitalseite, die möglichst hohe Gewinne einstreichen will. Da es keine gerechte Aufteilung der Profite gibt, ist die Gewinnverteilung eine Machtfrage. Dies markiert auch den zentralen Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital.
Das Wirkungsrecht der Gewerkschaften leitet sich aus dem Koalitionsrecht bzw. der Koalitionsfreiheit ab. Alle Beschäftigten haben das Recht, sich im Betrieb in Gewerkschaften zusammenzuschließen, um die Interessen der KollegInnen durchsetzen zu können.
Eingeschränktes Streikrecht
Gewerkschaften dürfen Arbeitskampfmaßnahmen wie z. B. Streik oder andere Arbeitskampfmethoden zur Durchsetzung ihrer Ziele anwenden. Allerdings gelten hierbei einschränkende gesetzliche Regelungen, die den Ablauf bis zum Ausrufen von Streiks regulieren und nicht zuletzt auch behindern. So wird z. B. den Gewerkschaften das Risiko erhöhter Streikkosten bei Aussperrungen aufgebürdet (Streikparagraph 116 AFG). Die Furcht der meisten Gewerkschaftsführungen vor solchen Folgen ist sehr ausgeprägt.
Hinderungsgründe für ein kämpferisches Auftreten der Gewerkschaften sind ferner die weitgehende Akzeptanz des kapitalistischen Dogmas der „Wettbewerbsfähigkeit“. In dessen Folge haben sich die Gewerkschaftsführungen weitgehend einer „Standortsicherungspolitik“ verschrieben. Diese vertieft die Illusion der „Sozialpartnerschaft“. Sie erweckt den Anschein, als wäre der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital aufgehoben.
Die Folge ist auch, dass eine immer angepasstere Gewerkschaftspolitik die Suche nach „Kompromissen“ mit dem Kapital dominiert. Das führt dazu, dass Forderungen der Beschäftigten fast nur noch in Verhandlungen umgesetzt wer-den. Die Beschäftigten als Betroffene werden, wenn überhaupt, meist nur noch am Rande mit einbezogen.
Sowohl die Sozialpartnerschaftspolitik als auch die damit verbundene Stellvertreterpolitik münden in eine Sackgasse. Sie nutzen lediglich den Kapitalisten, weil diese ihre eigenen Forderungen immer besser durchsetzen können.
„Betriebliche Standortbündnisse“, die die „Wettbewerbsfähigkeit“ der einzelnen Unternehmens stärken, verschärfen in der Regel nicht nur die Konkurrenz mit KollegInen, die in anderen Betrieben arbeiten. Sie bedeuten zugleich die Akzeptanz von Flexibilisierung, Arbeitsverdichtung, Lohnverzicht und/oder längeren Arbeitszeiten.
Eine weitere Folge ist: Die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften und das Vertrauen der Mitglieder in ihre Organisation gehen verloren. Die Gewerkschaften stellen sich dadurch letztendlich selbst in Frage.
Um in den Betrieben die notwendige Gegenmacht zu organisieren, brauchen wir aber sowohl Betriebsräte als auch Gewerkschaften, die sich nicht am Profitinteresse der Kapitaleigner und der Geschäftsführung, sondern allein an den Interessen der Beschäftigten orientieren.
Gemeinsam handeln!
Das Wichtigste aber ist: Ohne Einbeziehung der Belegschaft lassen sich keine nachhaltigen Erfolge erzielen. Wir müssen deshalb vor allem die Selbsttätigkeit der Beschäftigten im Betrieb fördern. Auf der betrieblichen Ebene ist das durchaus möglich, weil wir selbst im Betrieb die Gewerkschaft sind und die KollegInnen kennen.
Mit unseren guten Argumenten und einer handlungsfähigen Organisation, die die Interessen der Beschäftigten zum Ausdruck bringt, haben wir die Chance, MitstreiterInnen zu gewinnen. Je mehr dazu bereit sind, sich im Betrieb und in den Gewerkschaften für unsere Interessen zu engagieren, desto größer ist unsere Gegenmacht.
* [Teil I ist in Avanti² von Januar 2018 erschienen.]