Raue Zei­ten - schon vor der Kri­se! Was tun?

IGM-Protest in Stuttgart gegen Abbau, 22. November 2019 (Foto: helmut-roos@web.de)

IGM-Pro­test in Stutt­gart gegen Abbau, 22. Novem­ber 2019 (Foto: helmut-roos@web.de)

H. N.

Digi­ta­li­sie­rung“, „Elek­tro­mo­bi­li­tät“, „Kli­ma­wan­del“ und Co. sind in aller Mun­de. Die „Trans­for­ma­ti­on“ des Spät­ka­pi­ta­lis­mus haben Kapi­tal und Poli­tik in Deutsch­land und der EU längst ein­ge­lei­tet. Sie wol­len mit aller Gewalt die glo­ba­le „Wett­be­werbs­fä­hig­keit“ der Kon­zer­ne wei­ter stei­gern – und die Gewerk­schaf­ten ent­schei­dend schwächen.

Des­halb kün­di­gen sie immer neue „Spar­pro­gram­me“ an. Daim­ler etwa will im Rah­men sei­nes „Zukunfts­pro­gramms“ bis Ende 2022 bei „Per­so­nal­kos­ten“ rund 1,4 Mil­li­ar­den Euro „ein­spa­ren“.

Wil­de Jagd nach höhe­ren Profiten
Aktu­ell trifft die wil­de Jagd nach noch höhe­ren Pro­fi­ten vor allem die Beschäf­tig­ten in der Auto- und der Auto­zu­lie­fer­indus­trie. In Baden-Würt­tem­berg ist dort jeder 13. Arbeits­platz angesiedelt.

Unge­fähr 160 Betrie­be die­ser Bran­che sind schon jetzt von Abbau, Ver­la­ge­rung oder gar Schlie­ßung betrof­fen. Zehn­tau­sen­de Arbeits- und Aus­bil­dungs­plät­ze sind bedroht. Auch die Aus­he­be­lung von Tarif­ver­trä­gen steht auf der Agen­da der Kapitalseite.

Die IG Metall (IGM) Baden Würt­tem­berg hat­te des­halb am 22. Novem­ber 2019 ihre Mit­glie­der unter dem wohl wit­zig gemein­ten Mot­to „Job­ab­bau? Zukunfts­klau? Halb­schlau!“ zum Akti­ons­tag nach Stutt­gart aufgerufen.

15.000 waren nach Gewerk­schafts­an­ga­ben gekom­men, um ihrem Unmut deut­lich Luft zu verschaffen.

Der IGM-Bezirks­lei­ter für Baden-Würt­tem­berg, Roman Zit­zels­ber­ger, kri­ti­sier­te bei der Stutt­gar­ter Kund­ge­bung den Kurs man­cher Unter­neh­men auf „Pro­fit­ma­xi­mie­rung“. Er beton­te den Stand­punkt der IGM: „Wir for­dern siche­re Beschäf­ti­gung im Wan­del und wol­len unse­re Zukunft mit­be­stim­men.“ Und Zit­zels­ber­ger wei­ter: „Alle Arbeit­ge­ber müs­sen wis­sen: Zukunfts­ge­stal­tung geht nur gemeinsam.“

Da bleibt nur die Fra­ge offen, wie und auf wes­sen Kos­ten „gemein­sam“ der Inter­es­sen­ge­gen­satz von Kapi­tal und Arbeit gelöst wer­den soll.

Ste­fan Wolf, Chef des Kapi­ta­lis­ten­ver­bands Süd­west­me­tall, reagier­te jeden­falls in einem SWR-Inter­view auf den gewerk­schaft­li­chen Akti­ons­tag kalt­schnäu­zig. Die IG Metall gefähr­de mit ihrem Pro­test die „Sozi­al­part­ner­schaft“.

Macht­pro­be zwi­schen Kapi­tal und Arbeit
Schon Mona­te vor der im nächs­ten Jahr anste­hen­den Tarif­run­de ist die Stim­mung also zuneh­mend gereizt. Dabei geht es um wesent­lich mehr als um Geld.

Es geht zum einen dar­um, ob und wie alle Arbeits- und Aus­bil­dungs­plät­ze zu ver­tei­di­gen sind. Und zum ande­ren, was Tarif­ab­kom­men und Betriebs­ver­ein­ba­run­gen noch wert sind.

Demo gegen Abbau bei Alstom in Mannheim, 30. Mai 2011 (Foto: helmut-roos@web.de)

Demo gegen Abbau bei Als­tom in Mann­heim, 30. Mai 2011 (Foto: helmut-roos@web.de)

Mit ande­ren Wor­ten: Es dreht sich um eine wirk­li­che Macht­pro­be zwi­schen Kapi­tal und Arbeit im Vor­feld einer kom­men­den Wirtschaftskrise.

Sie wird nicht mit der Metho­de Audi zu bestehen sein. Bei der durch den Abgas­skan­dal beschä­dig­ten VW-Toch­ter sol­len 9.500 Stel­len – natür­lich „sozi­al­ver­träg­lich“ – abge­baut wer­den. Gleich­zei­tig sol­len 2.000 neue Jobs für Elek­tro­mo­bi­li­tät und Digi­ta­li­sie­rung neu geschaf­fen werden.

Aber es gibt da meh­re­re Haken:

Ers­tens zah­len die Beschäf­tig­ten die Zeche für die Pro­fit­gier der Haupt­ei­gen­tü­mer des VW-Kon­zerns – die Fami­li­en Piëch und Porsche.

Zwei­tens fin­det der Abbau statt trotz gel­ten­der „Beschäf­ti­gungs­si­che­rung“ mit Aus­schluss betriebs­be­ding­ter Kün­di­gun­gen bis 2025.

Drit­tens ver­liert die IGM damit vie­le ihrer treu­es­ten betrieb- lichen Mit­glie­der in den wenig qua­li­fi­zier­ten Tätigkeitsbereichen.

Vier­tens spricht fast nie­mand von den Beschäf­tig­ten zwei­ter und drit­ter Klas­se, den Leih­ar­bei­tern und Werk­ver­träg­lern, die ohne viel Feder­le­sen ihre Jobs ver­lie­ren wer­den oder bereits ver­lo­ren haben.

Und Fünf­tens wird die bis­her ein­ge­üb­te Metho­de einer mehr oder weni­ger rei­bungs­los funk­tio­nie­ren­den betrieb­li­chen und gewerk­schaft­li­chen Stell­ver­tre­ter­po­li­tik noch mehr die Zukunft der IG Metall als durch­set­zungs­fä­hi­ger Gewerk­schaft bedrohen.

Wen­de zu akti­ver Poli­tik der Gegenmacht
Es ist aller­höchs­te Zeit für die IG Metall, nicht nur in Mann­heim, son­dern auch anders­wo, ent­schlos­sen und gut orga­ni­siert die Wen­de hin zu einer akti­vie­ren­den und kämp­fe­ri­schen Poli­tik der Gegen­macht in Betrieb und Gewerk­schaft anzugehen.

Gleich­zei­tig muss es dabei um eine Schär­fung des poli­ti­schen Pro­fils gehen. Die kon­se­quen­te Ver­tei­di­gung unse­rer Grund­rech­te, das aus Arti­kel 14 Grund­ge­setz abge­lei­te­te Ver­bot von Ent­las­sun­gen, der Kampf für die 30-Stun­den­wo­che bei vol­lem Lohn- und Per­so­nal­aus­gleich und die Kon­ver­si­on der Auto­in­dus­trie unter Kon­trol­le der Beschäf­tig­ten sind hier an ers­ter Stel­le zu nennen.

Bewuss­te Ent­schei­dun­gen in die­se Rich­tung sind jetzt erfor­der­lich. Sicher ist das kein ein­fa­cher und schnel­ler Pro­zess, aber es wäre fahr­läs­sig, ihn noch wei­ter hinauszuzögern.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2019
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