Der globale Kapitalismus setzt „erfolgreich“ und rücksichtslos sein zentrales Ziel der Profitmaximierung um. Koste es, was es wolle.
Die Herrschenden haben in der Regel sehr gut verstanden, eine langfristige Strategie (nach Clausewitz: die Kunst der Kriegsführung) mit flexiblem taktischen Vorgehen (nach Clausewitz: die Kunst, eine Schlacht zu schlagen) zu kombinieren.
Die Linke und die Überreste der ArbeiterInnenbewegung haben indessen zentrale theoretische und praktische Lehren ihrer eigenen Geschichte vergessen oder ignorieren sie einfach. Ihre tiefe Krise rührt nicht zuletzt daher.
Mit unserem Seminar in Mannheim wollen wir versuchen, einige Grundlagen in Erinnerung zu rufen und aktuelle Bezüge herzustellen.
Aus dem Seminar-Programm
• Clausewitz: Strategie und Taktik - heute noch aktuell?
• Kapitalismus heute: Profitmaximierung ohne Ende?
• Übergangsforderungen: Strategie und Taktik der Veränderung
• Welche Organisation(en) brauchen wir?
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Aus unserem Programm
2.2 Spätkapitalismus
Der Kapitalismus hat das Problem der ungleichmäßigen Entwicklung mit Phasen von Booms und Krisen nicht gelöst. Die „goldenen Jahrzehnte“ der 50er und 60er Jahre mit weitgehender Vollbeschäftigung und ständig wachsenden Realeinkommen sind längst Geschichte. Der technische Fortschritt führt weiterhin zur raschen Entwicklung der Produktivkräfte. Sie wachsen rascher als die Masseneinkommen mit der Folge stetig größerer Massenerwerbslosigkeit. Gleichzeitig sind die nationalen Grenzen durch das Kapital längst gesprengt worden, ohne dass bisher neue übernationale Staaten entstanden wären.
Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde durch eine Reihe von Abkommen eine neue Weltwirtschaftsordnung durch wenige Staaten im Interesse von ein paar hundert multinationalen Konzernen gestaltet. Der Handel untereinander wird durch Zölle oder Schutzmaßnahmen (Qualitätsnormen, „freiwillige Selbstbeschränkungen“, Kontingente) wenig behindert, der Zugang vieler Agrarprodukte und billiger Industriewaren aus Osteuropa und der sogenannten Dritten Welt jedoch eingeschränkt oder unterbunden.
Während die internationale Freizügigkeit der Menschen zunehmend eingeschränkt wird, vagabundiert vor allem das Finanzkapital unkontrolliert um den Globus und lässt sich nur dort nieder, wo günstige Bedingungen für hohe Profite garantiert werden. Dadurch wurde ein Prozess eingeleitet, in dem alle Teile der Welt noch mehr miteinander konkurrieren. Vom Kapital werden die unterschiedlichen Bedingungen zu einem scharfen Druck auf Lohn und Sozialleistungen sowie zur Deregulierung der Arbeitsbedingungen mit dem Ziel ausgenutzt, das bestehende sozialstaatliche System zu zerstören. Angestrebt wird eine neue internationale Arbeitsteilung, die arbeitsintensive Produktion in „Billiglohnländer“ verlagert.
Allerdings: Für den weitaus größten Teil der Unternehmen ergibt eine Verlagerung der Produktion in die sogenannte Dritte Welt keinen betriebswirtschaftlichen Sinn. Dort fehlen nicht nur entscheidende Bedingungen der materiellen Infrastruktur und der Ausbildung der Ware Arbeitskraft. Es fehlen vor allem ausreichende Absatzmärkte. Denn auch bei verkürzten Transportzeiten und künstlich niedrig gehaltenen Transportkosten bleiben dies gewichtige Faktoren der Preisbildung. Somit dient das Trommelfeuer in Sachen des jeweiligen nationalen Standortes im wesentlichen der Erpressung von Belegschaften, Betriebsräten und Gewerkschaften. Die Werktätigen sollen immer mehr für immer weniger arbeiten.
Das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit hat sich verändert, und es werden derzeit vorrangig defensive Kämpfe geführt. Doch die Gegensätze werden sich in absehbarer Zeit zuspitzen. Wenn es keine organisierte Gegenwehr und keine Solidarität gibt, werden nationalistische und faschistische Strömungen erstarken und autoritäre Lösungen der Widersprüche suchen. Der gesamten Welt droht der Absturz in die Barbarei, wenn keine demokratische und sozialistische Massenbewegung weltweit geschaffen werden kann. Der Aufbau einer politischen und organisatorischen Alternative ist darum das Gebot der Stunde.
2.3 „Klassenkampf von oben“
Das deutsche Kapital will seine internationale Position stärken. Zu diesem Zweck wird das „Modell Deutschland“, das heißt der sozialpartnerschaftliche Ausgleich mit den Gewerkschaften, zunehmend zugunsten einer Politik der Konfrontation aufgegeben. Seit Anfang der 80er Jahre werden soziale Rechte massiv abgebaut, und das Kapital erringt seit Anfang der 90er Jahre im „Klassenkampf von oben“ fast kampflos einen Sieg nach dem anderen. Die Folge war eine beträchtliche Steigerung der Profite. Seit Mitte der neunziger Jahre halten Kapital und Regierung die Zeit für reif, die neoliberale Wende konsequent durchzusetzen.
Der „Klassenkampf von oben“ erfolgt im Interesse einer winzigen Schicht des Kapitals, die nur etwa 300 000 Menschen zählt. Die Hälfte davon lebt in einem Freizeitpark mit unglaublichem Luxus. Sie tut buchstäblich nichts und verprasst die Erträge ihres Kapitals.
Unterstützt wird das Kapital jedoch durch das Kleinkapital in Handel, Handwerk, Landwirtschaft und Dienstleistungen - etwa ein Zehntel der Erwerbstätigen - sowie durch das Leitungspersonal in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Sie stellen etwa 4% der Erwerbsfähigen und werden hoch bezahlt. Im Interesse dieser Oberschichten wird Politik gemacht. Über 85% der Erwerbsfähigen sind hingegen lohnabhängig oder sozial ausgegrenzt.
Über die Hälfte aller Einkünfte entfällt auf das Kapital, seine kleinbürgerliche Basis und sein Leitungspersonal. Die Vermögen sind noch ungleicher verteilt. Knapp zwei Drittel der Menschen in der Republik sind vermögenslos und haben weder Wohneigentum noch nennenswerte Reserven. Das Produktivvermögen konzentriert sich auf Kapital und Leitungspersonal, und das zu sehr ungleichen Teilen. Das Kleinkapital hat keinen großen Einfluss auf die Organisation der Wirtschaft.
2.4 Neoliberale Wirtschaftspolitik
Dieses spätkapitalistische Wirtschaftssystem ist nur durch staatlichen Schutz und Förderung lebensfähig. Ganze Bereiche wie die Landwirtschaft, die Wohnungswirtschaft oder der Kohlebergbau, existieren sogar nur dank massiven staatlichen Subventionen. Bei formal progressiver Besteuerung ist die Bundesrepublik durch Gesetzgebung und Tolerierung der Steuervermeidung zu einem Steuerparadies für die Reichen geworden. Durch Subventionen - über ein Zehntel des Volkseinkommens - und aus Profiten staatlicher Aufträge erhält das Kapital sogar mehr als es an Steuern zahlt. Der Staat ist eine Umverteilungsmaschine, die die Massen belastet, um den Reichen zu geben. Die Kosten des Staatsapparates und die Sozialleistungen werden ausschließlich von den Werktätigen bezahlt. Die Folge sind gigantische Profite, die aber nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern vor allem in Immobilien und in der Spekulation angelegt werden.
Die Wirtschaftspolitik dient allein den Interessen des Kapitals. Exemplarisches Beispiel dafür ist Ostdeutschland. Das „Volkseigentum“ der DDR wurde in einem der größten Raubzüge der Geschichte Deutschlands entschädigungslos enteignet und dem westdeutschen Kapital faktisch kostenlos und zudem mit hohen Zuschüssen übergeben. Was die Kapitalisten nicht übernehmen wollten, wurde einfach liquidiert. Über ein Drittel der ostdeutschen Arbeitsplätze ist verschwunden. Die sozialen Kosten dieses Anschlusses tragen das Sozialsystem und die öffentliche Hand. Entindustrialisierung und Massenerwerbslosigkeit - insbesondere die Verdrängung der Frauen und Jugendlichen aus dem Erwerbsleben - sind die Folgen. Die Werktätigen in Ostdeutschland sind durch niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen, durch Verunglimpfung ihrer Kultur und eigenständigen Entwicklung diskriminiert. Dies kann Grundlage unfruchtbarer Nostalgie, aber auch fortschrittlicher Bewusstseinsbildung werden. Es bleibt Aufgabe, die Einheit der arbeitenden Klasse beider Teile dieses Landes in solidarischem Kampf herzustellen.
Die im Neoliberalismus verkörperte Ideologie der Marktextremisten hat sich weltweit durchgesetzt, auch in der Sozialdemokratie und bei den Grünen. Sie strebt die Entfesselung des Kapitalismus von allen gesellschaftlichen Bindungen und Regelungen an und will Staat und Gesellschaft entsprechend gestalten. Unter dem Vorwand der Senkung des Anteils öffentlicher Ausgaben am Volkseinkommen (Staatsquote) soll der erst seit den fünfziger Jahren aufgebaute „Sozialstaat“ demontiert, und die Lohnkosten sollen drastisch gesenkt werden. Tatsächlich werden nur die Sozial- und Bildungskosten gesenkt, die Kosten der Zerstörung der Umwelt oder des Verschleißes der Arbeitskraft aber der Gesellschaft aufgebürdet. Ähnlich ist es mit den geschäftlichen Risiken und den Kosten der Entwicklung neuer Techniken, die der Gesellschaft aufgeladen werden. Mit hohen Kosten wird ein starker Staat aufgebaut, der die Interessen des Kapitals weltweit militärisch durchsetzen, soziale Unruhen unterdrücken und die Umverteilung von unten nach oben organisieren soll.
Das vereinte Europa soll ein neoliberales Europa sein. Über die Kriterien von Maastricht (Senkung der Staatsausgaben durch Begrenzung des Haushaltsdefizits und der öffentlichen Schulden, Preisstabilität) wird diese Politik vertraglich vorgeschrieben und durch die Unabhängigkeit der Zentralbanken abgesichert. Diese Politik wird von Regierungsspitzen in einem undurchschaubaren Prozess ausgehandelt und durch die Kommission umgesetzt. Es gibt nicht einmal den Anschein einer parlamentarischen Kontrolle.
Die Folgen sind sinkende Reallöhne und Sozialeinkommen sowie wachsende Armut. Dieser Prozess hat erst eingesetzt und wird durch die Politik der Deregulierung aller Arbeitsbedingungen rasch vorangetrieben. Insbesondere soll der Arbeitsmarkt gespalten werden in noch relativ gut bezahlte Stammbelegschaften von SpezialistInnen und Leitungspersonal und die Masse der übrigen Beschäftigten, deren Einkommen stark sinken soll.
Die sozialen Konflikte werden sich infolge dieser Politik in naher Zukunft zuspitzen und meist Verteidigungskämpfe der Betroffenen sein. Ob sie im Interesse der Werktätigen ausgetragen werden, hängt davon ab, ob der Widerstand organisiert und erfolgreich gekämpft wird, ob es dafür Organisationen gibt.
Die Festung Europa, die gegen die Armut aus dem Süden und dem Osten sowie gegen politische Flüchtlinge und Folteropfer dicht gemacht werden soll, ist nicht das Europa der Werktätigen. Wir lehnen die „Kriterien von Maastricht“ zur Einführung der gemeinsamen Währung ab. Wir wollen offene Grenzen für alle Menschen, und wir wollen die internationale gewerkschaftliche und politische Zusammenarbeit der Ausgebeuteten und Unterdrückten gegen die Interessen des Kapitals und der etablierten Parteien.