Die Stadt als Beu­te Gen­tri­fi­zie­rung der Neckarstadt-West

 

N. B.

Seit Juli sorgt in der Neckar­stadt-West das Gen­tri­fi­zie­rungs­pro­jekt „West­wind“ für Auf­ruhr. Bewohner*innen orga­ni­sie­ren im Offe­nen Stadt­teil­tref­fen (OST) Gegenwehr.

West­wind“ für Profite
GRÜ­NEN-Stadt­rat Mar­kus Spreng­ler und Mar­cel Haup­ten­buch­ner, Geschäfts­füh­rer der Immo­bi­li­en­fir­ma Hil­de­brandt & Hees, stell­ten im Juli die­ses Jah­res gemein­sam mit dem Gewer­be­ver­ein Jung­busch-Neckar­stadt-West und dem Netz­werk Wohn­um­feld / Bür­ger­initia­ti­ve Neckar­stadt-West ihr „Westwind“-Papier vor.

Infostand beim Fest der Solidarität in der Neckarstadt, 07. Juli 2019 (Foto: Avanti²)

Info­stand beim Fest der Soli­da­ri­tät in der Neckar­stadt, 07. Juli 2019 (Foto: Avanti²)

Vor­geb­lich geht es um ein sozia­les Pro­jekt zur „Auf­wer­tung“ des Stadt­teils, um Redu­zie­rung des Ver­kehrs und um Bele­bung des öffent­li­chen Raums sowie des Kunst- und Kul­tur­le­bens. Auf den zwei­ten Blick ent­puppt es sich als ein heuch­le­ri­sches Vor­ha­ben der Gen­tri­fi­zie­rung, das „Inves­to­ren“ und Immo­bi­li­en­spe­ku­lan­ten hohe Pro­fi­te ermög­licht und immense Miet­stei­ge­run­gen und die Ver­drän­gung der ärme­ren Bevöl­ke­rung zur Fol­ge hat.1

Bekannt sind die Immo­bi­li­en­fir­ma Hil­de­brandt & Hees und ihre Thor GbR-Fir­men bereits aus dem Jung­busch, wo sie eine Viel­zahl von Miets­häu­sern auf­kauf­ten, sanier­ten und für bis zu 14 € / m² neu ver­mie­te­ten.2

In der Neckar­stadt wol­len sie die „stö­ren­de“ Miet­preis­brem­se und Kap­pungs­gren­ze umge­hen durch die Ver­mie­tung als Gewer­be­flä­chen, sodass ehe­ma­li­ger Wohn­raum – ohne­hin schon knapp in der Neckar­stadt – in den auf­ge­kauf­ten Häu­sern häu­fig durch Gewer­be ersetzt wird.3 Zusätz­lich soll der öffent­li­che Raum mit schi­cken Cafés, Restau­rants und ande­ren Gewer­ben vom öffent­li­chen zum kom­mer­zia­li­sier­ten und damit exklu­si­ven, aus­schlie­ßen­den Raum gemacht werden.

Neben­bei zahlt die Immo­bi­li­en­fir­ma jähr­lich 30.000 € an die Stadt zur „Kin­der- und Jugend­för­de­rung“ im Rah­men der LOS (Loka­len Stadt­er­neue­rung).4 Wel­che Käu­fe von Häu­sern in von der Stadt erklär­ten „Sanie­rungs­ge­bie­ten“5 die­se „Spen­den“ der Immo­bi­li­en­fir­ma ermög­li­chen, lässt sich selbst­ver­ständ­lich nur vermuten.

Pro­test und Gegenwehr
Die Bewohner*innen der Neckar­stadt-West ver­lei­hen ihrer Wut über die­se intrans­pa­ren­te Ver­flech­tung von Stadt und Immo­bi­li­en­ak­teu­ren seit dem Bekannt­wer­den Aus­druck. Sie betei­lig­ten sich als unge­la­de­ne, kri­ti­sche Gäs­te an den Vor­stel­lun­gen der Plä­ne für den Neu­markt am 22. Juli 2020 und für die Damm­stra­ße am 29. Juli 2020.

West­wind“ sieht zwar „Bür­ger­be­tei­li­gung“ vor, aller­dings erst als Ent­schei­dung dar­über, ob eini­ge der Pro­jek­te nach mehr­jäh­ri­ger Test­pha­se bei­be­hal­ten wer­den. Alter­na­tiv-Vor­schlä­ge der Bewohner*innen zur nicht­kom­mer­zi­el­len Gestal­tung des öffent­li­chen Raums wur­den bei den Ver­an­stal­tun­gen – wie zu erwar­ten war – über­gan­gen.6

Das OST for­dert Trans­pa­renz in der Stadt­ent­wick­lung und den Erhalt von bezahl­ba­rem Wohn­raum,7 das Ewwe Long­ts fügt hin­zu, dass die Zusam­men­ar­beit der Stadt mit Hil­de­brandt & Hees been­det wer­den muss.8

Was tun?
In Dis­kus­sio­nen mit den Gen­tri­fi­zie­rungs­ak­teu­ren wer­den die Inter­es­sens­kon­flik­te aber nicht über­wun­den wer­den. Viel­mehr braucht es den mas­si­ven Druck von unten zur Durch­set­zung der Inter­es­sen der Bewohner*innen gegen die der Pro­fi­teu­re der Gentrifizierung.

Die Bele­bung des kul­tu­rel­len und sozia­len Lebens dür­fen nicht im Wider­spruch ste­hen zu güns­ti­gem, gutem Wohn­raum und guter Wohn­raum nicht im Wider­spruch zu güns­ti­gem. Sowohl guter Wohn­raum als auch ein erfül­len­des kul­tu­rel­les und sozia­les Leben müs­sen allen Men­schen zugäng­lich sein!

War­um soll­ten wir des­halb nicht auch in Mann­heim Arti­kel 15 Grund­ge­setz in Erin­ne­rung rufen? Dort steht: „Grund und Boden […] kön­nen zum Zwe­cke der Ver­ge­sell­schaf­tung […] in Gemein­ei­gen­tum oder in ande­re For­men der Gemein­wirt­schaft über­führt werden.“


Fuß­no­ten
1 Roland Schus­ter), „Neckar­stadt-West – quo vadis?“, Kom­mu­nal­in­fo Mann­heim (09.07.2020).
2 Inter­view mit Ewwe Long­ts, „Wie wei­ter mit der Neckar­stadt-West?“, Kom­mu­nal­in­fo Mann­heim (02.08.2020).
3 Gabri­el Höf­le, „West­wind: Aus­ver­kauf des öffent­li­chen Raums“, Neckar­stadt­blog (06.08.2020).
4 Stadt Mann­heim, „Bericht Loka­le Stadt­er­neue­rung (LOS), Mann­heim Neckar­stadt-West“, 2017/18.
5 Inter­view mit Ewwe Long­ts (Anm. 2).
6 Manu­el Schül­ke, „Vor­stel­lung des neu­en Kiosks am Neckar“, Neckar­stadt­blog (30.07.2020).
7 Fair­mie­ten, „Neckar­stadt-West: Ver­nich­tung von Wohn­raum zuguns­ten bevor­zug­ter Gas­tro­no­mie – von der Stadt geför­dert?“, Kom­mu­nal­in­fo Mann­heim (10.07.2020).
8 Inter­view mit Ewwe Long­ts (Anm. 2).

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2020
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