N. B.
Seit Juli sorgt in der Neckarstadt-West das Gentrifizierungsprojekt „Westwind“ für Aufruhr. Bewohner*innen organisieren im Offenen Stadtteiltreffen (OST) Gegenwehr.
„Westwind“ für Profite
GRÜNEN-Stadtrat Markus Sprengler und Marcel Hauptenbuchner, Geschäftsführer der Immobilienfirma Hildebrandt & Hees, stellten im Juli dieses Jahres gemeinsam mit dem Gewerbeverein Jungbusch-Neckarstadt-West und dem Netzwerk Wohnumfeld / Bürgerinitiative Neckarstadt-West ihr „Westwind“-Papier vor.
Vorgeblich geht es um ein soziales Projekt zur „Aufwertung“ des Stadtteils, um Reduzierung des Verkehrs und um Belebung des öffentlichen Raums sowie des Kunst- und Kulturlebens. Auf den zweiten Blick entpuppt es sich als ein heuchlerisches Vorhaben der Gentrifizierung, das „Investoren“ und Immobilienspekulanten hohe Profite ermöglicht und immense Mietsteigerungen und die Verdrängung der ärmeren Bevölkerung zur Folge hat.1
Bekannt sind die Immobilienfirma Hildebrandt & Hees und ihre Thor GbR-Firmen bereits aus dem Jungbusch, wo sie eine Vielzahl von Mietshäusern aufkauften, sanierten und für bis zu 14 € / m² neu vermieteten.2
In der Neckarstadt wollen sie die „störende“ Mietpreisbremse und Kappungsgrenze umgehen durch die Vermietung als Gewerbeflächen, sodass ehemaliger Wohnraum – ohnehin schon knapp in der Neckarstadt – in den aufgekauften Häusern häufig durch Gewerbe ersetzt wird.3 Zusätzlich soll der öffentliche Raum mit schicken Cafés, Restaurants und anderen Gewerben vom öffentlichen zum kommerzialisierten und damit exklusiven, ausschließenden Raum gemacht werden.
Nebenbei zahlt die Immobilienfirma jährlich 30.000 € an die Stadt zur „Kinder- und Jugendförderung“ im Rahmen der LOS (Lokalen Stadterneuerung).4 Welche Käufe von Häusern in von der Stadt erklärten „Sanierungsgebieten“5 diese „Spenden“ der Immobilienfirma ermöglichen, lässt sich selbstverständlich nur vermuten.
Protest und Gegenwehr
Die Bewohner*innen der Neckarstadt-West verleihen ihrer Wut über diese intransparente Verflechtung von Stadt und Immobilienakteuren seit dem Bekanntwerden Ausdruck. Sie beteiligten sich als ungeladene, kritische Gäste an den Vorstellungen der Pläne für den Neumarkt am 22. Juli 2020 und für die Dammstraße am 29. Juli 2020.
„Westwind“ sieht zwar „Bürgerbeteiligung“ vor, allerdings erst als Entscheidung darüber, ob einige der Projekte nach mehrjähriger Testphase beibehalten werden. Alternativ-Vorschläge der Bewohner*innen zur nichtkommerziellen Gestaltung des öffentlichen Raums wurden bei den Veranstaltungen – wie zu erwarten war – übergangen.6
Das OST fordert Transparenz in der Stadtentwicklung und den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum,7 das Ewwe Longts fügt hinzu, dass die Zusammenarbeit der Stadt mit Hildebrandt & Hees beendet werden muss.8
Was tun?
In Diskussionen mit den Gentrifizierungsakteuren werden die Interessenskonflikte aber nicht überwunden werden. Vielmehr braucht es den massiven Druck von unten zur Durchsetzung der Interessen der Bewohner*innen gegen die der Profiteure der Gentrifizierung.
Die Belebung des kulturellen und sozialen Lebens dürfen nicht im Widerspruch stehen zu günstigem, gutem Wohnraum und guter Wohnraum nicht im Widerspruch zu günstigem. Sowohl guter Wohnraum als auch ein erfüllendes kulturelles und soziales Leben müssen allen Menschen zugänglich sein!
Warum sollten wir deshalb nicht auch in Mannheim Artikel 15 Grundgesetz in Erinnerung rufen? Dort steht: „Grund und Boden […] können zum Zwecke der Vergesellschaftung […] in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“