ZERO COVID?

NUR MIT PLAN!

H. N.

Vor etwas mehr als einem Jahr ist die ers­te COVID-19-Infek­ti­on in Deutsch­land fest­ge­stellt wor­den. Die seit­dem im Auf­trag der Herr­schen­den betrie­be­ne „Coro­na-Poli­tik“ ist geschei­tert. Selbst die Kanz­le­rin soll am 24.01.2021 laut Pres­se gesagt haben: „Uns ist das Ding entglitten.“

Titelseite A² Februar 2021 (Grafik: L'Anticapitaliste)

Titel­sei­te A² Febru­ar 2021 (Gra­fik: L’Anticapitaliste)

War­um ist ihnen das „Ding ent­glit­ten“? Die Ket­te des Ver­sa­gens der Bun­des- und der Lan­des­re­gie­run­gen fing an mit dem Miß­ach­ten der von dem Coro­na­vi­rus SARS-CoV-2 aus­ge­hen­den Gefahr. Es ging wei­ter mit dem Igno­rie­ren der Risi­ko-Ana­ly­se des RKI von Janu­ar 2012. Es hat­te ziem­lich genau die Ent­wick­lung der Pan­de­mie vor­her­ge­sagt. Dann folg­te das Leug­nen der Wirk­sam­keit von Schutz­mas­ken. Poli­tik und Viro­lo­gen hat­ten Angst, dass der Mas­ken­man­gel für das medi­zi­ni­sche Per­so­nal ver­schärft wer­den würde.

Abge­ris­se­ne Lieferketten
Zum Glück ris­sen pan­de­mie­be­dingt die glo­ba­len Lie­fer­ket­ten gro­ßer Indus­trie­be­trie­be ab. Dadurch war das Infek­ti­ons­ge­sche­hen an vie­len Fabrik­ar­beits­plät­zen infol­ge des Pro­duk­ti­ons­still­stands wirk­sam ein­ge- schränkt. Schon der ers­te „Lock­down“ im Früh­jahr 2020 war ver­bun­den mit dem Ein­schrän­ken demo­kra­ti­scher Grund­rech­te. Par­al­lel dazu kün­dig­ten Kapi­ta­lis­ten­ver­bän­de wie Gesamt­me­tall einen ver­schärf­ten Klas­sen­kampf von oben an.

Danach begann auf Druck vor allem der export­ori­en­tier­ten Wirt­schaft eine unko­or­di­nier­te Rei­hen­fol­ge von „Locke­run­gen“. Im Som­mer schien fast alles gut zu sein. Aber dann kam völ­lig über­ra­schend der Herbst und – wie zu erwar­ten war – die zwei­te Wel­le der Pandemie.

Jetzt war der Aktio­nis­mus der kapi­tal­hö­ri­gen Poli­tik dar­auf aus­ge­rich­tet, den enor­men Auf­schwung vor allem der Auto­in­dus­trie nicht zu gefähr­den. Der Preis dafür war hoch. Ihn zahl­ten nicht nur die bis­he­ri­gen Opfer von COVID-19, son­dern wir alle.

Die Poli­tik ver­trös­te­te nun auf die Ende 2020 anste­hen­de Impf­kam­pa­gne. Mit ihr begann das nächs­te Desaster.

Pan­de­mie-Bekämp­fer“ Söder for­dert des­halb jetzt eine staat­lich gelenk­te „Not-Impf­stoff­wirt­schaft“. Es gebe, so Söder, eine Not­la­ge, die auf län­ge­re Sicht „die Markt­wirt­schaft“ (d. h. den Kapi­ta­lis­mus) fun­da­men­tal beschä­di­gen könne.

Sys­te­mi­sches Versagen
Das offen­kun­di­ge sys­te­mi­sche Ver­sa­gen „der Markt­wirt­schaft“ hat Ursa­chen. Der Wider­spruch zwi­schen letzt­lich gesell­schaft­lich statt­fin­den­der (Lohn-)Arbeit und der pri­va­ten Aneig­nung (Aus­beu­tung) der Ergeb­nis­se die­ser Arbeit kenn­zeich­net den Kapi­ta­lis­mus. In ihm haben die Pro­fit­in­ter­es­sen des (Groß-)Kapitals Vor­rang vor den grund­le­gen­den gesell­schaft­li­chen Bedürf­nis­sen und öko­lo­gi­schen Erfordernissen.

Die eta­blier­te Poli­tik han­delt dem­entspre­chend im Rah­men einer „markt­kon­for­men Demo­kra­tie“ (Mer­kel). Ihre Fol­gen sind ver­hee­rend. Um nur eini­ge zu nen­nen: Zer­stö­rung des Gesund­heits­sys­tems, Ver­schär­fung der sozia­len Ungleich­heit, Abwäl­zung der Kri­sen­kos­ten auf die arbei­ten­de Klas­se, zuneh­men­de Aus­he­be­lung von Grund­rech­ten und wach­sen­de faschis­ti­sche und krie­ge­ri­sche Bedro­hun­gen. Das ist die eine Sei­te der Medaille.

Die ande­re ist das fort­ge­setz­te Ver­sa­gen der mehr­heit­lich von der „Sozi­al­part­ner­schaft“ träu­men­den Gewerk­schafts­ap­pa­ra­te und der meist ihre Zer­split­te­rung hät­scheln­den Linken.

Sozia­le Front aufbauen
Es ist aber höchs­te Zeit, eine sozia­le Front gegen den Klas­sen­kampf von oben und gegen das Schei­tern der „Coro­na-Poli­tik“ auf­zu­bau­en. Dies erfor­dert den Auf­bau prak­tisch wir­ken­der Bünd­nis­se und Bewe­gun­gen über alle gewerk­schaft­li­chen und lin­ken poli­ti­schen Bereichs- und Orga­ni­sa­ti­ons­gren­zen hinweg.

Unbe­dingt bedarf es zudem auch einer stra­te­gi­schen Alter­na­ti­ve zum herr­schen­den Cha­os. Der der­zeit kur­sie­ren­de Auf­ruf #Zero­Co­vid ent­hält in die­sem Sinn eini­ge unter­stüt­zens­wer­te For­de­run­gen. Es fehlt jedoch nach wie vor ein gesell­schaft­li­cher Akti­ons­plan, der immer wie­der aktua­li­siert und popu­la­ri­siert wer­den muss.

Gesell­schaft­li­cher Aktionsplan
Sei­ne wesent­li­chen Punk­te soll­ten sein:

1. Eine sys­te­ma­ti­sche, kon­ti­nu­ier­li­che mas­sen­wirk­sa­me Auf­klä­rung über die Gefah­ren der Pan­de­mie und über effek­ti­ve Metho­den des Schut­zes vor Ansteckung.

2. Der unein­ge­schränk­te und staat­lich finan­zier­te Ein­satz aller erfor­der­li­chen und geprüf­ten Schutz­mit­tel (Mas­ken, Des­in­fek­ti­ons­mit­tel, Tests, Imp­fun­gen, Medikamente …).

3. Die flä­chen­de­cken­de Umset­zung der gesetz­li­chen Gebo­te des prä­ven­ti­ven Arbeits- und Gesund­heits­schut­zes nach dem TOP-Prin­zip an allen Arbeits­plät­zen sowie die Ent­wick­lung eines stan­dar­di­sier­ten Infek­ti­ons­schut­zes mit per­ma­nen­ter Anwen­dung und Wir­kungs­kon­trol­le – begin­nend in den Brenn­punk­ten der Pan­de­mie (Alten­hei­me, Kran­ken­häu­ser, Kitas, Schu­len, Industriebetriebe …).

4. Die gesetz­li­che Pflicht, über­all Betriebs­rä­te und von den Kolleg*innen kon­trol­lier­te Kom­mis­sio­nen für Arbeits- und Gesund­heits­schutz zu bilden.

5. Die unmit­tel­ba­re straf­recht­li­che Ver­fol­gung von Gewerk­schafts­be­kämp­fung und Betriebsratsmobbing.

6. Der Stopp aller Pri­va­ti­sie­run­gen im Gesund­heits­we­sen, die Abschaf­fung des Sys­tems der Fall­pau­scha­len, die geplan­te Über­win­dung des Man­gels an qua­li­fi­zier­tem Pfle­ge­per­so­nal, die Schaf­fung guter Arbeits­be­din­gun­gen mit attrak­ti­ver Ver­gü­tung der Pfle­ge­be­ru­fe sowie der Auf­bau eines der gesund­heit­li­chen Prä­ven­ti­on ver­pflich­te­ten öffent­li­chen Gesund­heits- und Pfle­ge­be­reichs als unver­zicht­ba­rer Bestand­teil der gesell­schaft­li­chen Daseinsvorsorge.

7. Die Frei­ga­be aller Impf­stoff-Paten­te sowie die Offen­le­gung aller For­schungs­da­ten und Ver­trä­ge als ers­te Schrit­te zur demo­kra­tisch kon­trol­lier­ten Ver­ge­sell­schaf­tung der Pharmaindustrie.

8. Die Ent­eig­nung des durch Steu­er­gel­der geret­te­ten Finanz­sek­tors und die Bil­dung einer öffent­li­chen, demo­kra­tisch kon­trol­lier­ten Bank, die aus­schließ­lich dem gesell­schaft­li­chen Nut­zen ver­pflich­tet ist.

9. Die kon­se­quen­te Bekämp­fung aller poli­ti­schen sozia­len, wirt­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Fol­gen des kapi­ta­lis­ti­schen „Kri­sen­ma­nage­ments“ – Ver­bot von Ent­las­sun­gen, Arbeits­zeit­ver­kür­zung bei vol­lem Lohn- und Gehalts­aus­gleich, finan­zi­el­le Absi­che­rung aller von Erwerbs­lo­sig­keit, Armut, Woh­nungs­lo­sig­keit und Aus­gren­zung Betrof­fe­nen, grund­le­gen­der öko­lo­gi­scher Umbau der Berei­che Ener­gie, Indus­trie, Land­wirt­schaft und Verkehr.

10. Die Durch­set­zung einer pro­gres­si­ven Soli­da­ri­täts­ab­ga­be für alle Kri­sen­ge­winn­ler, Rei­chen und Super­rei­chen ab einem Bar­ver­mö­gen von 1 Mil­li­on Euro.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2021
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