N. B.
Am internationalen ZeroCovid-Aktionstag organisierte auch #ZeroCovid Rhein-Neckar eine Kundgebung. Etwa 80 Menschen versammelten sich auf dem Mannheimer Paradeplatz. Zahlreiche Passant*innen blieben interessiert stehen, lauschten den vielfältigen engagierten Redebeiträgen und zeigten ihre Unterstützung für eine konsequente und solidarische Pandemiebekämpfung.
In der Begrüßung machte Wolfgang Alles von #ZeroCovid Rhein-Neckar deutlich, dass eine grundlegende Umkehr in der Corona-Politik dringend erforderlich und auch möglich sei. Das zeigten Länder wie Taiwan mit 10 Toten seit Ausbruch des Corona-Virus. Eine solidarische Pandemiebekämpfung bedeute, Arbeitswelt, Bildungswesen, Kultur, den öffentlichen Raum ebenso wie den privaten einzubeziehen und niemanden zurückzulassen: „Statt Konzerne mit Milliarden an Steuergeldern zu subventionieren – soziale Absicherung und Infektionsschutz für alle!“ Dafür brauche es insbesondere den Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesens, freie Vergabe von Desinfektionsmitteln und Schutzmasken sowie die Freigabe der Impf-Patente. Für die zu dem Zeitpunkt beinahe 78.000 Corona-Toten in der BRD legten die Demonstrations-Teilnehmer*innen eine Schweigeminute ein.
Überlastetes Personal, leidende Patient*innen
Bis heute fehle es in der Altenpflege an persönlicher Schutzausrüstung, berichtete Altenpflegerin Claudia Omoregie. Immer wieder müssten Pfleger*innen auch bei einem positiven Corona-Testergebnis weiterarbeiten und Schutzmaßnahmen würden nicht umgesetzt. Der Grund dafür: zu wenig Personal, das zudem überlastet und erschöpft sei.
Ralf Heller, Betriebsratsvorsitzender des Uniklinikums Mannheim, berichtete vom Druck, der auf den Beschäftigten im Krankenhaus laste. An Erholung vom Dauerstress sei seit Beginn der Pandemie nicht mehr zu denken. In Zeiten mit weniger Infektionen habe das Finanzierungssystem der Fallpauschalen die Krankenhäuser veranlasst, weiter zu operieren, statt dem Personal eine Pause zu ermöglichen. Heller nahm auch Bezug auf die Situation der Patient*innen: Im Klinikalltag werde offenbar, wie gefährlich das Corona-Virus sei, unter dem Infizierte und Angehörige enorm litten.
Umso unerträglicher sei das Treiben der Corona-Leugner. Omoregie und Heller drückten ihre große Wut auf die sogenannten Querdenker aus, die die täglichen Erfahrungen, den Druck und das Leid im Gesundheitssektor missachteten und wesentlich zur Verschlimmerung der Situation beitrügen: „Infizieren sich gegenseitig, tragen das Virus überall hin. Und die KollegInnen im Krankenhaus müssen das ausbaden“, so Omoregie.
Der Klassencharakter der Pandemie
Zunehmend sei die Rede vom Migrationsstatus der Hälfte der COVID-19-Patient*innen auf Intensivstationen, so Umut As von DIDF. Von den ökonomischen Zusammenhängen werde aber geschwiegen: Das Virus mache zwar keinen Unterschied zwischen Menschen unterschiedlicher Klassen, aber die soziale Situation bestimme maßgeblich mit, inwieweit Menschen dem Virus ausgesetzt seien, wie die Krankheit verlaufe, und welche gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen eine Infektion und die Corona-Politik hätten.
Wohnen und Überleben
Beengte Wohnverhältnisse spielen dabei eine wesentliche Rolle. Karlheinz Paskuda wies auf weitere Probleme in Bezug auf Wohnen und Mieten in der Pandemie hin. Gerade in Mannheim mit den zweithöchsten Mieten in Baden-Württemberg befinden sich viele Menschen in Kurzarbeit oder haben ihre 450€-Jobs verloren. In der Krise entstandene Mietschulden können oft nicht zurückgezahlt werden und nach der Mietzahlung bleibe vielen kaum noch Geld für andere Ausgaben.
Auf die besonders schlimme Wohnsituation in Asylunterkünften machte Claudia Omoregie für die Seebrücke aufmerksam. Gemeinsam genutzte Küchen, Toiletten und Bäder in engen, vollen Unterkünften sowie fehlende Masken und Desinfektionsmittel erlaubten keinen Gesundheitsschutz. In den Lagern an den EU-Außengrenzen, deren Bewohner*innen ohnehin schon immungeschwächt seien, gebe es oft kein Wasser, geschweige denn Seife, Hygieneartikel und ausreichend Nahrung. Die Seebrücke fordert daher die dezentrale Unterbringung Schutzsuchender und die Evakuierung der Lager an den EU-Außengrenzen.
Nora Bräcklein wies in ihrem Redebeitrag darauf hin, dass Frauen besonders von der Pandemie und den Folgen der herrschenden Corona-Politik betroffen seien. Für Frauen, die zu Hause Gewalt erleben, seien Schutzräume dringender nötig denn je. Um der Überlastung durch bezahlte wie unbezahlte Pflege- und Sorgearbeiten entgegenzuwirken, müssten diese Arbeiten endlich in gemeinschaftliche, gesamtgesellschaftliche Verantwortung gegeben werden.
Sicherheit der Bürger*innen?
Hedwig Sauer-Gürth vom Friedensbündnis zitierte Kriegsministerin Kamp-Karrenbauer: Die Gewährung der Sicherheit der Bürger*innen Deutschlands sei zentrale Aufgabe des Staates. Für die Kosten des geplanten Kaufs von 45 atombombenfähigen F-18 Kampfflugzeugen (7,47 Milliarden €) könnten die Kosten für 100.000 Intensivbetten, 30.000 Beatmungsgeräte, 60.000 Pflegekräfte sowie 25.000 Ärzt*innen getragen werden. Aber: „Viren können mit Kriegswaffen und Soldaten nicht bekämpft werden. Wir brauchen den Rüstungsetat für ein funktionierendes Gesundheitssystem!“
Zum Abschluss der Kundgebung gingen zwei Sprecher auf die Situation in den Betrieben ein. Helmut Schmitt vom Solikomitee gegen Betriebsratsmobbing berichtete, wie die Kapitalseite in der Krise noch rigoroser als zuvor alles daransetze, aktive Betriebsratsarbeit für die Beschäftigten zu be- oder gar zu verhindern. Durch die Pandemie und das „Homeoffice“ sei die solidarische Gegenwehr der Belegschaft besonders erschwert. Wolfgang Alles betonte, dass die Umsetzung des geltenden Arbeitsschutzgesetzes einen großen Teil der Infektionen im Betrieb verhindern könnte. In den allermeisten Betrieben finde hier aber ein „folgenschwerer Gesetzesbruch“ statt, kaum wahrgenommen von der breiten Öffentlichkeit.
Kollektive, solidarische Gegenwehr
Einig waren sich alle Redner*innen: Die Corona-Politik der Regierung schert sich nicht um die soziale Lage und die existenziellen Fragen der arbeitenden Klasse. Für ihre Interessen und Rechte müssen wir uns stark machen und Druck aufbauen. Das ist der einzige Weg, um die Corona-Pandemie solidarisch eindämmen zu können.