Anti­se­mi­tis­mus, Frem­den­feind­lich­keit, Erinnerungsstörungen

War­um nach Hal­le vor Hal­le ist…

Hel­mut Dahmer

Die Hys­te­ri­schen wis­sen nicht, was sie nicht wis­sen wol­len […].“ (S. Freud1)

Am 9. Okto­ber 2019, dem Jom Kip­pur-Fest, plan­te der 27-jäh­ri­ge Ste­phan Bal­liet, ein schwer bewaff­ne­ter Nach­ah­mer des nor­we­gi­schen Mas­sen­kil­lers Brei­vik und ähn­li­cher Mord­ge­sel­len, ein Mas­sa­ker in der an die­sem Tag unbe­wach­ten Hal­le­schen Synagoge.

Als er die Zugangs­tür weder auf­schie­ßen, noch auf­spren­gen konn­te, erschoss er zunächst eine nichts ahnen­de Pas­san­tin. Dann ent­deck­te er, 500 Meter wei­ter, „das tür­kisch-kur­di­sche Bis­tro ‚Kiez Döner‘. ‚Döner? Neh­men wir‘, mur­mel­te er.“2

Er feu­er­te auf einen Bau­ar­bei­ter, der im Kiosk Deckung such­te und um sein Leben fleh­te. Um sicher zu gehen, dass er die­sen Mann getö­tet hat­te, kam er wenig spä­ter noch ein­mal zurück und schoss erneut auf den Leblosen.

Nach einem Schuss­wech­sel mit Poli­zis­ten und einer andert­halb­stün­di­gen Ver­fol­gungs­jagd, auf der er zwei wei­te­re Men­schen anschoss, wur­de er nach einem von ihm ver­ur­sach­ten Unfall verhaftet.

Roter Holzteufel in Hölle, 03. April 2018 (Foto: Avanti²)

Roter Holz­teu­fel in Höl­le, 03. April 2018 (Foto: Avanti²)

Aus­ge­rüs­tet war er mit vie­ler­lei – zum Teil selbst gefer­tig­ten – Waf­fen und einer Helm-Kame­ra, die sei­ne Aktio­nen samt sei­nen Kom­men­ta­ren simul­tan ins Inter­net übertrug.

Adres­siert war die­se mör­de­ri­sche „Show“ – wie ein kurz zuvor von ihm publi­zier­tes, eng­li­sches „Mani­fest“ – an „Fol­lower“, also an die zer­streu­te Gemein­schaft derer, die glau­ben, sie müss­ten die an sich „über­le­ge­ne“ wei­ße „Ras­se“ mit Atten­ta­ten gegen alle Nicht­wei­ßen ver­tei­di­gen, von denen sie andern­falls über­wäl­tigt würden.

Die­ses Bünd­nis der Haut­far­ben­fe­ti­schis­ten und Para­noi­ker hat vor allem „dem Juden“, in zwei­ter Linie „den Mus­li­men“, den Kampf ange­sagt, das heißt den Ange­hö­ri­gen zwei­er der drei an einen Gott glau­ben­den Weltreligionen.

Bevor­zug­te Atten­tats­zie­le sind dem­entspre­chend Syn­ago­gen und jüdi­sche Fried­hö­fe oder Moscheen,3 für die ersatz­wei­se – wie es die NSU-Ban­de prak­ti­ziert hat – auch „Döner“-Buden und ähn­li­che klei­ne Geschäf­te atta­ckiert wer­den kön­nen, die erkenn­bar von Nicht-Deut­schen geführt werden.

Bal­liets „Mani­fest“ und die Prä­sen­ta­ti­on sei­ner Akti­on „in Echt­zeit“ rich­te­te sich an die­se „vir­tu­el­le“ Com­mu­ni­ty, die „Inter­net-SS“ (so Bal­liet), als deren „Mit­glied“ er sich – ansons­ten eher ein „loser“ – bewäh­ren woll­te und in deren „Rän­gen“ er auf­zu­stei­gen hoff­te, um schließ­lich viel­leicht sogar als einer der gro­ßen Kil­ler (im Sze­ne­jar­gon „Saint“) aner­kannt zu werden.

Kern­punk­te sei­nes „Mani­fests“ sind: Den Holo­caust habe es nie gege­ben; der Femi­nis­mus habe sin­ken­de Gebur­ten­ra­ten im Wes­ten zur Fol­ge; das wie­der­um die­ne denen als Recht­fer­ti­gung, die eine Migran­ten-Inva­si­on zwecks Bevöl­ke­rungs­aus­tausch orga­ni­sier­ten … „Die Wur­zel all’ die­ser Pro­ble­me [sei] der Jude“, dar­um müs­se er (Bal­liet) „so vie­le Anti-Wei­ße wie mög­lich [töten], bevor­zugt [aber] Juden.“ Und wenn es ihm auch nur gelän­ge, einen ein­zi­gen von ihnen umzu­brin­gen, sei sein Vor­ha­ben schon gerecht­fer­tigt.4

Empö­rungs-Ritua­le
Was folg­te, war alt­ge­wohnt und dar­um vor­her­sag­bar: Kurz­fris­tig auf­wal­len­de Empö­rung, fol­gen­lo­se Trau­er­ze­re­mo­nien. Die antisemitisch/antimuslimisch moti­vier­ten Unta­ten wur­den als „ent­setz­lich“, „völ­lig uner­war­tet“, „zutiefst erschre­ckend“, „bei­spiel­los“ und „unbe­greif­lich“ etikettiert.

Die drei Affen, Graffiti in Mannheim, 06. Oktober 2019 (Foto: Avanti²)

Die drei Affen, Graf­fi­ti in Mann­heim, 06. Okto­ber 2019 (Foto: Avanti²)

Poli­ti­ker spra­chen zum x-ten Mal rou­ti­niert von einem „Alarm­si­gnal“ und von „Anfän­gen“, die sich lei­der immer­fort wie­der­ho­len, denen es nun jeden­falls zu weh­ren gel­te, und stell­ten aller­lei Maß­nah­men in Aus­sicht, die es nun end­lich wirk­lich zu tref­fen gelte.

Ver­spre­chun­gen die­ser Art sind aus zahl­lo­sen Wahl­kämp­fen bekannt, und kei­ner nimmt sie mehr ernst. Zudem dach­ten die „Reprä­sen­tan­ten“ vor allem an neue Über­wa­chungs­tech­ni­ken und an den per­so­nel­len Aus­bau von Poli­zei und „Ver­fas­sungs­schutz“, die sich ja schon bei der „Auf­de­ckung“ der NSU-Mor­de so her­vor­ra­gend bewährt haben.

Das gesam­te Beru­hi­gungs- und Bewäl­ti­gungs-Ritu­al, das bei Unglücks­fäl­len und Hass­ver­bre­chen zum Ein­satz kommt, weil es zu nichts ver­pflich­tet, wur­de also noch ein­mal abgespult.

Wie üblich waren die Hal­len­ser Bevöl­ke­rung, ande­re „Men­schen drau­ßen im Lan­de“, die sach­sen-anhal­ti­ni­sche Poli­zei, die meis­ten bekann­ten Berufs­po­li­ti­ker sowie man­che „Exper­ten“ völ­lig „über­rascht“ dar­über, dass „so etwas bei uns“ mög­lich ist. Dass sie also in der Aus­nah­me nicht die Regel erkann­ten, auch dies­mal wie­der außer­stan­de waren, zu erken­nen, dass das ver­meint­lich sin­gu­lä­re Ereig­nis nur ein Glied in einer lan­gen Ket­te natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Vor­läu­fer­ereig­nis­se glei­chen Typs ist, bedarf der Erklä­rung.5

Kol­lek­ti­ve Gedächtnisschwäche
Pathi­sches [zwang­haf­tes] Ver­ges­sen trifft vor allem Zusam­men­hän­ge. Wer ihm ver­fällt, sieht den Wald vor lau­ter Bäu­men nicht. Die (Mord-)Serie zer­fällt ihm in lau­ter „Ein­zel­fäl­le“, die Ban­den­kri­mi­na­li­tät in „iso­lier­te Ein­zel­tä­ter“… Die pathe­ti­schen Leer­for­meln, die jede Deu­tung der als „unvor­stell­bar“ cha­rak­te­ri­sier­ten Mord­ak­tio­nen blo­ckie­ren, und die hoh­len Ver­spre­chun­gen, die das Erschre­cken lin­dern sol­len, indem sie irgend­ei­ne Abhil­fe in Aus­sicht stel­len, sind Sym­pto­me einer stets wie­der über­ra­schen­den Ver­gess­lich­keit der „Poli­tik“ und ihrer Klientel.

Die 100 Aus­län­der-Mor­de der neun­zi­ger Jah­re – Schnee von ges­tern, die Atten­ta­te der NSU – war da was? Jede neue Untat löscht offen­bar ihre Vor­gän­ger aus. Die kol­lek­ti­ve Gedächt­nis­schwä­che hat eine Vor­ge­schich­te. Die Fähig­keit zum ange­streng­ten, und dar­um nach­hal­ti­gen Ver­ges­sen wur­de in Deutsch­land im Früh­jahr 1945 ein­ge­übt, als sich die in Krieg, Raub und Mas­sen­mord ver­strick­te „Volks­ge­mein­schaft“ durch einen Sprung in das Ver­drän­gen zu rei­ni­gen such­te.6

Seit­her wird alles abge­wehrt, was an die „dunk­len“ zwölf Jah­re erin­nert, und das wird immer mehr, seit nicht nur Ver­gan­gen­heits-His­to­ri­ker, die es aus­gra­ben, son­dern auch Ver­gan­gen­heits-Wie­der­ho­ler, völ­ki­sche Ideo­lo­gen und Mord­ge­sel­len, die es dar­stel­len, auf den Plan treten.

Tafel im Karl-Marx-Haus in Trier, 07. Juli 2019 (Foto: Avanti²)

Tafel im Karl-Marx-Haus in Trier, 07. Juli 2019 (Foto: Avanti²)

Nur wer imstan­de ist, sich aus dem Bann des jeweils aktu­el­len „Events“ und der von ihm aus­ge­lös­ten Affek­te zu lösen, ver­mag es, die Ket­te der Unta­ten zurück­zu­ver­fol­gen und die Ten­denz auf­zu­spü­ren, die in ihnen sich gel­tend macht. Die Juden­feind­lich­keit wird nicht von weni­gen, unbe­lehr­ba­ren Anti­se­mi­ten oder von vie­len mus­li­mi­schen Migran­ten in die deut­sche Gesell­schaft hin­ein­ge­tra­gen,7 son­dern lebt, aller Auf­klä­rung zum Trotz, unter­grün­dig – als „All­tags­an­ti­se­mi­tis­mus“ – in ihr fort.8

Die­ser ist zum einen das Erbe vie­ler Jahr­hun­der­te der Ghet­toi­sie­rung, Dis­kri­mi­nie­rung und Ver­fol­gung der jüdi­schen Min­der­heit durch die christ­li­che Mehr­heit, zum andern der Nie­der­schlag von zwölf Jah­ren natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Pro­pa­gan­da und Indok­tri­na­ti­on. Und weil das nie „auf­ge­ar­bei­tet“, also zu Bewusst­sein gebracht wur­de, taucht die Juden­feind­schaft in Zei­ten der Kri­se unwei­ger­lich wie­der auf, als eine „Erklä­rung“, die den Vor­teil bie­tet, dass sie denen, die sie sich zu eigen machen, einen his­to­risch „bewähr­ten“ Aus­weg eröff­net – den der Aus­gren­zung, Ver­trei­bung und Besei­ti­gung aller „Frem­den“, die für die Kri­se ver­ant­wort­lich gemacht wer­den.9

Wür­den deut­sche Men­schen – Jahr­zehn­te nach dem Ende des faschis­ti­schen Schre­ckens­re­gimes – in ihrer Mehr­heit sich des­sen bewusst, dass ihre idyl­li­schen Hei­ma­ten und „blü­hen­den Land­schaf­ten“ unge­heu­re Schind­an­ger sind, auf denen vor nur drei Gene­ra­tio­nen unge­zähl­te Men­schen­schlacht­hö­fe stan­den, sähen sie sich auch nur ein Mal die von Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern gespren­kel­te Kar­te des „Drit­ten Rei­ches“ an – die auf dem gro­ßen Ver­ges­sen basie­ren­de Ahnungs­lo­sig­keit, die sie ange­sichts der aktu­el­len Ver­bre­chen in ihrer Mit­te an den Tag legen, müss­te ihnen die Scham­rö­te ins Gesicht trei­ben. Aus wäre es mit der fei­er­li­chen Beru­fung auf „unse­re west­li­chen Wer­te“, die im bar­ba­ri­schen 20. Jahr­hun­dert nur zu gründ­lich ent­wer­tet wor­den sind.

So aber wird ein „Auf­stand der Anstän­di­gen“ nach dem andern aus­ge­ru­fen, als leb­ten wir in einer ewi­gen „Stun­de Null“ oder im Mor­gen­grau­en eines immer­wäh­ren­den Neu­jahrs­tags. Alt­be­kann­te Gebets­müh­len wer­den ange­dreht, das „Nie wie­der!“ wird beschwo­ren statt gelebt,10 und ein Spre­cher der säch­sisch-anhal­ti­ni­schen Poli­zei kom­men­tiert das Hal­le­sche Atten­tat mit dem Satz, man kön­ne schließ­lich „nicht Alles [!] vor­her­se­hen und verhindern“…

Faschis­ti­scher „Unter­grund“
Seit 1945 hat sich in deut­schen See­len und Lan­den ein faschis­ti­scher „Unter­grund“ her­aus­ge­bil­det,11 eine unheim­li­che Par­al­lel­welt uner­le­dig­ter Wunsch- und Alb­träu­me, deren Send­bo­ten immer öfter in die so oft beschwo­re­ne und ver­meint­lich längst erreich­te „Nor­ma­li­tät“ ver­stö­rend ein­bre­chen. Wer mit schwei­gen­den Groß­el­tern und unwis­send gehal­te­nen, Fins­te­res allen­falls ahnen­den Eltern auf­wuchs, der ist auch an das Ver­ges­sen unlieb­sa­mer Erfah­run­gen gewöhnt. Und wer am gro­ßen Ver­ges­sen teil­hat, ver­liert jede Ori­en­tie­rung, kennt weder sich, noch die Gegen­wart und kann nichts und nie­man­den identifizieren.

Helmut Dahmer in Mannheim, 07. November 2017 (Foto: Kamillus Wolf)

Hel­mut Dah­mer in Mann­heim, 07. Novem­ber 2017 (Foto: Kamil­lus Wolf)

Die Nach­kriegs­zeit war die hohe Zeit der Iden­ti­täts­wechs­ler und ihrer Mas­ken­bäl­le, und auch die heu­ti­ge poli­ti­sche Sze­ne gleicht einem ver­wir­ren­den Mum­men­schanz. Leug­ner und Igno­ran­ten fül­len die Büh­ne, mit­ten drin die Nost­al­gi­ker, die glanz­vol­len Mord­zei­ten nach­trau­ern, und so, wie einst Faschis­ten als Demo­kra­ten auf­tra­ten, spie­len sich heu­te Anti­se­mi­ten als ziem­lich bes­te Freun­de Isra­els auf. In den Kulis­sen war­ten der­weil die Wie­der­käu­er der NS-Welt­an­schau­ung und ihr Stoß­trupp, die Akti­vis­ten, die Wor­ten Taten fol­gen las­sen.12

Wien, 17. Okto­ber 2019


Fuß­no­ten
1 Sig­mund Freud, „Zum psy­chi­schen Mecha­nis­mus der Ver­gess­lich­keit“ (1898); in: Gesam­mel­te Wer­ke, Bd. I, Frank­furt (Fischer) 1952, S. 526.
2 Maik Baum­gärt­ner u.a., „Stream läuft“ (Der Spie­gel vom 12.10.2019, S. 15).
3 Im Mani­fest des Hal­le-Atten­tä­ters Bal­liet heißt es, das Nie­der­bren­nen einer Moschee sei für ihn „knusp­ri­ger Kebab“…
4 Maik Baum­gärt­ner u.a., „Stream läuft“ (Der Spie­gel vom 12.10.2019, S. 12-17). Hele­ne Bubrow­ski und Con­stan­tin van Lijn­den, „Mord­lust im Netz“ (Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung [FAZ] vom 12.10.2019, S. 3). Con­stan­tin van Lijn­den, „Mör­der aus der Meme-Maschi­ne“ (FAZ vom 11.10.2019, S. 2). Jonas Jan­sen, „Wie Twitch zur Büh­ne des Atten­tä­ters von Hal­le wur­de“ (FAZ vom 11.10.2019, S. 19). Mona Jäger, „Eine Tat auf frucht­ba­rem Boden?“ (FAZ vom 10.10.2019, S. 3).
5 2017 wur­den in Deutsch­land pro Tag fünf anti­se­mi­ti­sche Delik­te bekannt, jede Woche wur­den zwei jüdi­sche Fried­hö­fe ver­wüs­tet. Vgl. Der Spie­gel, a. a. O., S. 19. Ben­n­dorf, Bal­liets Wohn­ort, ist ein klei­ner Ort mit 2.100 Ein­woh­nern im Mans­fel­der Land, „nicht nur eine der ent­christ­lichs­ten Regio­nen in Deutsch­land, son­dern auch ein Armen­haus von Sach­sen-Anhalt. […] Bei der Kreis­tags­wahl in die­sem Jahr wur­de die AfD mit 19,3 Pro­zent stärks­te Kraft.“ („Eine Tat auf frucht­ba­rem Boden“, FAZ vom 11.10. 2019.)
6 Vor­aus­ge­gan­gen war die­sem Ver­such, sich aus der eige­nen Geschich­te davon­zu­steh­len, eine groß ange­leg­te Akti­on zur Ver­tu­schung der NS-Ver­bre­chen, die erst vor kur­zem doku­men­tiert wor­den ist. Ste­phan Lehn­staedt cha­rak­te­ri­siert die­se Ver­öf­fent­li­chung (in sei­ner Bespre­chung für H-Soz-Kult) als „eine Art Abschluss­be­richt des Holo­caust, der minu­ti­ös die Taten auf­lis­tet und die Ver­ant­wort­li­chen iden­ti­fi­ziert.“ (Andrej Angrick, „Akti­on 1005“, Spu­ren­be­sei­ti­gung von NS-Mas­sen­ver­bre­chen 1942-1945, Göttingen[Wallstein] 2018.)
7 Die Fra­ge nach den „Ursa­chen“ des laten­ten oder „All­tags­an­ti­se­mi­tis­mus“, also des Nähr­bo­dens, auf dem der mani­fes­te gedeiht, wird so wenig gestellt wie die nach den „Flucht-Ursa­chen“, wenn es um Migran­ten aus Kriegs- und Elend­slän­dern geht. Im Fall der Juden­feind­schaft wie im Fall der Migra­ti­on wer­den allen­falls „Schul­di­ge“ mar­kiert – anti­se­mi­ti­sche Het­zer und „Schlep­per“ –, um der Fra­ge aus­zu­wei­chen, wie­so es Het­zern und Schlep­pern gelingt, Mil­lio­nen von Men­schen zu über­zeu­gen und zu mobilisieren.
8 Die Mut­ter des Atten­tä­ters von Hal­le äußer­te sich zum Anti­se­mi­tis­mus ihres Soh­nes fol­gen­der­ma­ßen: „Er hat nichts gegen Juden in dem Sin­ne. Er hat was gegen die Leu­te, die hin­ter der finan­zi­el­len Macht ste­hen – wer hat das nicht?“ (Der Spie­gel vom 12.10.2019, S. 16.)
9 Annet­te Groß­bon­gardt u.a., „Der neue alte Hass“ (Der Spie­gel vom 12.10.2019, S. 18-22). Han­nah Beth­ge, „In der Mit­te wird es eng“ (FAZ vom 11.10.2019, S. 11). Chris­ti­an Mei­er, „Tabus und Bagatellisierung“(FAZ vom 14.10.2019, S. 10).
10 Der für Über­ra­schun­gen stets wie­der gute Innen­mi­nis­ter See­ho­fer ver­stieg sich sogar zu der Behaup­tung, „Deutsch­land“ (!) „habe gegen­über der Welt einen Schwur abge­legt […]. ‚Nie wie­der‘.“ (FAZ vom 10.10.2019.)
11 Nach sechs Jahr­zehn­ten im Ver­bor­ge­nen mani­fes­tier­te er sich in Gestalt der „Zwi­ckau­er Zel­le“ (Zsch­ä­pe, Böhn­hardt, Mund­los und ihre Hel­fers­hel­fer) unter eben die­sem Namen als „Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Untergrund“.
12 Mit von der Par­tie sind auch deren Gegen­spie­ler, Leu­te wie Cou­li­ba­ly (Paris) und Amri (Ber­lin), anti-west­lich-juden­feind­li­che, „isla­mis­ti­sche“ Rächer kolo­nia­ler Mas­sa­ker und post­ko­lo­nia­ler Dis­kri­mi­nie­rung – Brü­der im Ungeist, die wie die ein­hei­mi­schen Nazis auf die „Pro­to­kol­le der Wei­sen von Zion“ schwören.

Theo­rie­bei­la­ge Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2019
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