Solidarität organisieren*
N. B.
Am Internationalen Frauentag, dem 8. März 2022, fanden auch in der Kurpfalz Demonstrationen statt. Im Folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag der ISO Rhein-Neckar für die Kundgebung in Heidelberg.
Zum 111. Mal begehen wir heute den Internationalen Frauentag. Von Anfang an war der Frauentag auch ein Antikriegstag. Es war das Jahr 1911, die Zeichen standen bereits auf Krieg.
Die radikalsten unter den Frauen, wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg, erkannten damals, dass sie sich im Krieg nicht auf die Seite eines Nationalstaats stellen konnten. Sie erkannten, dass es in dem Krieg nicht um die Interessen der arbeitenden Bevölkerung gehen würde, erst recht nicht um die der Frauen.
Militärbündnisse – oder wie sich die aggressivsten und mächtigsten heute nennen: Verteidigungsbündnisse – sind keine Bündnisse der Bevölkerung, sondern der Vertreter*innen des Kapitals. Für sie sind Kriege eine willkommene Gelegenheit, ihren Reichtum und ihre Einflusssphären zu vergrößern.
1911 und in den darauffolgenden Jahren stellten sozialistische Frauen dem Kriegstreiben eine internationalistische, antimilitaristische Position entgegen. Während des Krieges wurden die Aktionen zum Internationalen Frauentag dementsprechend auch verboten.
Auch heute setzen sich Frauen an vorderster Front gegen Krieg ein, nicht zuletzt Feministinnen in Russland.
Das erinnert uns daran, dass Geschlechterverhältnisse und Frauenunterdrückung nicht unabhängig von anderen gesellschaftlichen Verhältnissen bestehen, sondern eng damit verwoben sind. Plötzlich kann die BRD 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung einer – entgegen aller Beteuerungen – ohnehin schon hochgerüsteten Armee ausgeben. Um „Frieden zu schaffen“ mit noch mehr Waffen.
Für unsere Gesundheit, die Pflege und Betreuung unserer Kinder und Angehörigen, für den Schutz von Frauen vor Gewalt waren diese Milliarden nie locker. Und sie werden dafür auch in Zukunft nicht locker gemacht, wenn wir nicht eine grundlegend andere Gesellschaft aufbauen.
Heute leiden wir alle unter dem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das nahezu die gesamte Welt umklammert und zerstört. Als Frauen leiden wir in besonderer Weise darunter. Das kapitalistische System hat sich Jahrtausende der Frauenunterdrückung und der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung angeeignet und weiß sie für sich zu nutzen.
Immer noch arbeiten Frauen besonders häufig in Sorgeberufen wie der Pflege und Betreuung, als Reinigungskräfte oder Verkäuferinnen. Tätigkeiten, die schlechter bezahlt sind als andere.
Schlechte Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen führen direkt zu Überarbeitung, Armut während des Erwerbslebens und im Ruhestand, und sie machen psychisch und physisch krank. In der Corona-Pandemie haben deswegen immer mehr Menschen ihre Arbeit in der Pflege aufgegeben. Sie konnten nicht mehr, hatten schon längst weit über ihre Grenzen hinaus gearbeitet.
So führen die schlechten Arbeitsbedingungen zusätzlich zu Personalmangel, der die Arbeitsbedingungen noch weiter verschärft.
Und er wirkt auch auf viele andere Frauen zurück. Wer holt denn die Kinder ab, wenn die Kita wegen Personalmangel früher schließt? Wer pflegt die Menschen, für die es keine würdige Möglichkeit der Unterbringung außerhalb des privaten Heims gibt?
Diese unbezahlten Arbeiten werden hauptsächlich von Frauen geleistet. Es können tolle, erfüllende Arbeiten sein. Sie werden aber zur erdrückenden Last, wenn sie zum Zwang werden, wenn wir uns dafür zwischen Lohnarbeit und unbezahlter Sorgearbeit zerreißen müssen, wenn sie zu Armut führen.
Diese Armut ist kein gottgegebenes Schicksal. Armut ist eine brutale Form der Gewalt von Ausbeutern an Ausgebeuteten, von Firmeneigentümer*innen an uns Arbeiterinnen, von Wohnungseigentümer*innen an uns Mieterinnen, von Kriegstreibern an Vertriebenen und Bekriegten. Von dieser Gewalt sind Frauen ganz besonders betroffen.
Was also tun?
Der Weg in eine befreite, an menschlichen Bedürfnissen ausgerichtete Gesellschaft wird kein Spaziergang, da gibt es keine Geschenke.
Was wir deswegen vor allem brauchen ist Solidarität – echte, gelebte, internationalistische Solidarität, die wir in konkreten Kämpfen in unseren Lebens- und Arbeitsbereichen organisieren müssen, wie die Kolleginnen im Sozial- und Erziehungsdienst es im Moment tun!
Eine wesentliche Forderung war und ist für uns als Internationale Sozialistische Organisation die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Es geht also darum, die Arbeit auf alle Schultern zu verteilen und für die einzelnen Menschen die Arbeitszeit zu reduzieren. So können wir uns daran machen, Sorgearbeit zu vergesellschaften und gemeinsam entsprechend der Fähigkeiten und Bedürfnisse aller zu gestalten.
Wir müssen überall, wo es geht, feministische und klassenkämpferische Arbeit zusammenführen, sei es im Bereich der Sorgearbeit oder in anderen Arbeits- und Gesellschaftsbereichen.
Mit Rosa Luxemburg gesprochen: Treten wir ein für eine revolutionäre Realpolitik, mit der wir endlich den Kapitalismus und das Patriarchat überwinden können!