U. D.
Am 21. Mai 2022 organisierte die ISO Rhein-Neckar ein Betriebsrats- und Gewerkschaftsseminar. Das Einleitungsreferat setzte sich mit den Rahmenbedingungen von Betriebsratsarbeit auseinander. Sein erster Teil erschien in Avanti² von Juli / August 2022. Hier folgt nun der zweite Teil.
Der bereits skizzierte gesellschaftspolitische Rahmen hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden Klasse und damit auch auf die politische und gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb und im Betriebsrat. Aber entscheidend für diese Arbeit sind immer noch die betrieblichen Bedingungen: Die Branche des Unternehmens, produziert es oder bietet es Dienste an, welches Gewicht haben Produktion, Verwaltung, Entwicklung, Instandhal- tung, Logistik, ist es tarifgebunden, gibt es eine gewerkschaftliche Tradition, ist die Belegschaft kämpferisch, wie agiert der betriebliche Führungsapparat …
Bewusstsein und Organisierung
Die meisten Beschäftigten haben andere Interessen als „ihr“ Unternehmen. Sie wollen kürzer arbeiten, mehr Urlaub, höhere Löhne und weniger Arbeitsdruck. Andererseits sehen sie sich in einer „Schicksalsgemeinschaft“ mit „ihrem“ Unternehmen. Geht es dem Unternehmen schlecht, ist „ihr“ Arbeitsplatz bedroht. Geht es ihm gut, fühlen sie sich relativ sicher.
Aber der Unternehmenserfolg ist kein Garant für sichere Arbeitsplätze. Verkäufe, Umstrukturierungen, Ausgliederungen und Verlagerungen von Unternehmen(steilen) sowie stetige „Optimierung“ der Arbeitsprozesse und Erhöhung des Arbeitsdrucks sind betrieblicher Alltag und erzeugen permanente, oftmals unbewusste Verunsicherung.
Doch nicht jede Belegschaft reagiert darauf mit Gegenwehr und Widerstand. Im Gegenteil! Fehlen gewerkschaftliche Organisierung und betriebliche Kampftradition kann die Belegschaft sogar bereit sein, auf bestehende Rechte und Ansprüche zu verzichten. Genau dies führt zu einer Unterbietungskonkurrenz zwischen Belegschaften oder einzelnen Beschäftigten und droht die Bedingungen der gesamten arbeitenden Klasse zu verschlechtern.
Die entscheidende Antwort der arbeitenden Klasse auf diese Situation war die überbetriebliche, gewerkschaftliche Organisierung. Erst dadurch konnte die Vereinzelung überwunden und solidarisch gegen die Kapitalmacht gehandelt werden. Die Erfahrung und das Wissen darüber gehen jedoch immer mehr verloren. Nicht zuletzt, weil die Gewerkschaftsführungen auf „Sozialpartnerschaft“ mit dem Kapital und auf einzelbetriebliche „Standortlogik“ orientieren. Dieser Kurs führt zu Entpolitisierung und Entsolidarisierung und schwächt die arbeitende Klasse.
Wer eine aktive und kämpferische Arbeit im Betrieb und im Betriebsrat aufbauen will, muss versuchen, dieser Tendenz entgegenwirken. Zum Beispiel durch die Ablehnung der „Sozialpartnerschaft“ als Richtschnur für die Praxis, durch die Verdeutlichung der unterschiedlichen Interessen von Belegschaft und Unternehmen sowie den Aufbau der Gewerkschaft im Betrieb als elementare Klassenorganisation.
Strategische Profitmaximierung
Das zentrale Interesse eines Unternehmens bzw. seines Managements ist es, den maximalen Profit zu erzielen. Dabei wird versucht, nichts dem Zufall zu überlassen, sondern strategisch zu planen und zu handeln. Das gesamte Unternehmen wird dafür hierarchisch von oben nach unten durchorganisiert und diesem Ziel des Maximal-Profits untergeordnet. Daran ändern auch „moderne“ Führungsmethoden nichts. Wesentliche Entscheidungen werden immer noch zentralistisch auf oberster Ebene getroffen.
Zur Verfolgung des Profitziels wird ein großer Unternehmensapparat beschäftigt: Das Führungspersonal vom obersten Management bis hin zur Gruppen- und Schichtleitung, ganze Abtei- lungen wie Personalwesen, Controlling und Recht sowie externe Unternehmensberatungen.
Dieser Apparat arbeitet gleichzeitig an vielen Aufgaben und Themen. Und die meisten berühren direkt oder indirekt die Beschäftigten. Daher wird ein Betriebsrat oftmals zur gleichen Zeit mit unterschiedlichen Themen und Problemen konfrontiert. Allerdings verfügt er im Verhältnis zum Unternehmen nur über einen kleinen „Apparat“.
Strategische Betriebsratsarbeit
Den politisch Aktiven in Betrieb und Betriebsrat steht also ein gut organisierter Gegner gegenüber. Aber es gibt Auswege aus diesem Ungleichgewicht der Kräfte. Zum einen die Kraft der Vielen. Sie ensteht dadurch, dass die Belegschaft organisiert und ihre Unterstützung sichergestellt wird. Zum anderen, der Strategie des Unternehmens eine eigene entgegenzusetzen und ebenfalls strategisch zu denken, planen und handeln.
Was dies konkret bedeuten kann, wird in der Oktober-Ausgabe von Avanti² zu lesen sein.