Betriebs­rats­wah­len 2022

Wich­ti­ge Wei­chen­stel­lung für die kom­men­den Jahre

 

24-Stundenstreik der IGM beim Benz in Mannheim, 2. Februar 2018. (Foto: Avanti²)

24-Stun­den­streik der IGM beim Benz in Mann­heim, 2. Febru­ar 2018. (Foto: Avan­ti²)

Zwi­schen dem 1. März und dem 31. Mai 2022 fin­den wie­der Betriebs­rats­wah­len statt. Ihr Aus­gang ent­schei­det dar­über mit, ob und wie in den nächs­ten vier Jah­ren die Beschäf­tig­ten­in­ter­es­sen in den Betrie­ben ver­tei­digt wer­den. Avan­ti² hat des­halb mit zwei Betriebs­rats­mit­glie­dern aus einem Indus­trie­be­trieb mit rund 1.000 Beschäf­tig­ten in der Rhein-Neckar-Regi­on gesprochen.*

In weni­gen Mona­ten fin­det auch bei Euch die Betriebs­rats­wahl statt. Was bedeu­tet die Wahl für Euch und wie berei­tet Ihr Euch dar­auf vor?
Ger­hard: Die Betriebs­rats­wahl ist für uns sehr wich­tig. Sie bie­tet die Chan­ce für eine Wei­chen­stel­lung zur effek­ti­ve­ren Durch­set­zung der Beschäf­tig­ten­in­ter­es­sen. Hier ist zu erwäh­nen, dass unser BR-Gre­mi­um mit 13 Mit­glie­dern schon seit lan­gem gegen­über der Geschäfts­lei­tung nicht sehr ein­heit­lich auf­tritt. Man­che BR-Mit­glie­der mei­nen zum Bei­spiel, es sei ihre Auf­ga­be, auch noch die Inter­es­sen der Geschäfts­lei­tung mit ver­tre­ten zu müs­sen. Das schwächt den Betriebs­rat und erschwert es, mehr im Sin­ne der Beschäf­tig­ten zu erreichen.

Wir haben des­halb einen Kern von akti­ven Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen gebil­det, der die­se Situa­ti­on im Betriebs­rat ändern will. Wir möch­ten, dass mehr Akti­ve, die die Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten in den Mit­tel­punkt stel­len, in den neu­en Betriebs­rat gewählt wer­den. Dazu haben wir schon rela­tiv früh einen Akti­ons­plan erstellt, in dem wir sämt­li­che Auf­ga­ben inklu­si­ve der vor­ge­ge­be­nen zeit­li­chen Fris­ten erfasst haben. Also begin­nend mit der Fin­dung von Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für den Wahl­vor­stand und endend mit der kon­sti­tu­ie­ren­den Sit­zung des neu­ge­wähl­ten Betriebs­rats. Die dazwi­schen­lie­gen­den Schrit­te wer­den dabei natür­lich auch erfasst und ent­spre­chend den zeit­li­chen Fris­ten zugeordnet.

Andre­as: Der Wahl­vor­stand wur­de zwi­schen­zeit­lich schon benannt. Wir konn­ten auch Ver­tre­ter aus unse­rem akti­ven Kern im Wahl­vor­stand plat­zie­ren. Das ist wich­tig, um Feh­ler oder Mani­pu­la­tio­nen bei der Durch­füh­rung der Wahl auf­zu­de­cken oder auch eine Ein­fluss­nah­me der Geschäfts­lei­tung zu ver­hin­dern. Wich­tig ist jetzt die Kan­di­da­ten­su­che für die Betriebs­rats­wahl. Es gilt, die Men­schen anzu­spre­chen, die sich ernst­haft im Inter­es­se der Beschäf­tig­ten enga­gie­ren wol­len, die sich trau­en, ihren Mund auf­zu­ma­chen, und die auch bereit sind, für den Betriebs­rat zu kan­di­die­ren. Zu die­sem Zweck haben wir die per­sön­li­che Anspra­che mög­li­cher Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für die ein­zel­nen Unter­stüt­zer unse­res akti­ven Kerns auf­ge­teilt. In unse­ren regel­mä­ßi­gen Tref­fen bespre­chen wir den wei­te­ren Fort­gang und füh­ren die not­wen­di­gen inhalt­li­chen Diskussionen.

24-Stundenstreik der IGM bei Wabco in Mannheim, 1. Februar 2018. (Foto: Avanti²)

24-Stun­den­streik der IGM bei Wab­co in Mann­heim, 1. Febru­ar 2018. (Foto: Avan­ti²)

Wel­che inhalt­li­chen The­men ste­hen bei Euch im Vordergrund?
Ger­hard: In der Pro­duk­ti­on haben wir es ver­brei­tet mit schwe­rer kör­per­li­cher Arbeit zu tun. Dadurch haben ver­gleichs­wei­se vie­le Beschäf­tig­te Rücken­pro­ble­me. Dazu kommt, dass die Leis­tungs­in­ten­si­vie­rung und die Schicht­ar­beit das ihre dazu bei­tra­gen, dass die Arbeits­be­din­gun­gen zum Teil mehr als zu wün­schen übrig­las­sen. Der Arbeits- und Gesund­heits­schutz müss­te des­halb bei uns eine viel grö­ße­re Rol­le spie­len als bis­her, zumal die Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten aus dem Arbeits­schutz­ge­setz den Hand­lungs­spiel­raum für den Betriebs­rat wesent­lich vergrößern.

Die bei uns prak­ti­zier­te Schicht­ar­beit, die sai­so­nal auch das Wochen­en­de mit ein­be­zieht, ist für einen Teil der Beleg­schaft ein rich­ti­ges Pro­blem. Sie erschwert nicht nur die Orga­ni­sie­rung des Pri­vat­le­bens, son­dern ist auch zusätz­lich belas­tend, weil sie unter Teil­zeit­be­din­gun­gen ver­rich­tet wer­den muss. Unterm Strich erhal­ten die Betrof­fe­nen dadurch weni­ger Geld als im nor­ma­len Schicht­be­trieb, was für vie­le ein gro­ßes Pro­blem dar­stellt. Der Wech­sel die­ser Beschäf­tig­ten in den nor­ma­len Schicht­be­trieb muss in der Zukunft ermög­licht werden.

Andre­as: Nicht zu ver­ges­sen ist, dass die Geschäfts­lei­tung seit einem Jahr einen Teil­be­trieb mit rund 50 Arbeits­plät­zen inklu­si­ve Ver­trieb und Ver­sand ver­kau­fen will. Bis jetzt hat sie das noch nicht geschafft. Ver­ein­ba­run­gen mit der Geschäfts­lei­tung zum Schutz der dort Beschäf­tig­ten konn­ten bis­her nicht getrof­fen wer­den. Zur­zeit soll die Braut schö­ner gemacht wer­den, um sie doch noch gewinn­brin­gend ver­äu­ßern zu kön­nen. Ohne Absi­che­rung der Beleg­schaft darf der zukünf­ti­ge Betriebs­rat den Ver­kauf nicht akzeptieren.

Für uns, als akti­ver Kern, ist es ent­schei­dend, die Kraft der Beleg­schaft in die Betriebs­rats­ar­beit ein­zu­bin­den. Wir sehen uns nicht als die Ver­tre­ter der Beschäf­tig­ten, die in deren Namen han­deln, son­dern als die­je­ni­gen, wel­che die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen unmit­tel­bar als selbst han­deln­de Kraft in die Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Geschäfts­lei­tung ein­be­zie­hen. Das kon­se­quent umge­setzt garan­tiert aus unse­rer Sicht den größt­mög­li­chen Erfolg.

24-Stundenstreik der IGM bei Caterpillar in Mannheim, 1. Februar 2018. (Foto: Avanti²)

24-Stun­den­streik der IGM bei Cater­pil­lar in Mann­heim, 1. Febru­ar 2018. (Foto: Avan­ti²)

Wie wollt Ihr errei­chen, dass die aktivs­ten und am bes­ten geeig­ne­ten Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen auch gewählt werden?
Andre­as: Zunächst geht es dar­um, dass unse­re Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten gemein­sa­me inhalt­li­che Posi­tio­nen erar­bei­ten. Die­se sol­len dann als gemein­sa­mes Pro­gramm der Beleg­schaft ver­mit­telt wer­den. Dazu müs­sen ein oder meh­re­re Wahl­in­fos erstellt wer­den, wor­in auch unse­re Akti­ven mit Bild bekannt gemacht wer­den. Genaue­res lässt sich aber erst pla­nen, wenn fest­steht, in wel­cher Form die Wahl erfolgt. Wir favo­ri­sie­ren die Per­sön­lich­keits­wahl, weil die­se den Beschäf­tig­ten die größ­te Ent­schei­dungs­frei­heit lässt. Bei einer Lis­ten­wahl kann ja nur eine ein­zi­ge Stim­me ver­ge­ben werden.

Ger­hard: Wir müs­sen uns auf bei­de Mög­lich­kei­ten vor­be­rei­ten. Auch bei der Per­sön­lich­keits­wahl müs­sen wir uns mit einer Siche­rungs­lis­te absi­chern, weil bis zum Abga­be­schluss der Per­sön­lich­keits­wahl­lis­te immer noch mit dem Ein­rei­chen einer geg­ne­ri­schen Lis­te gerech­net wer­den muss. Es gibt genü­gend Bei­spie­le, wo von „gel­ben“ Betriebs­rats­mit­glie­dern oder sogar von Geschäfts- oder Per­so­nal­lei­tun­gen eine eige­ne Lis­te initi­iert wor­den ist, um den Wahl­er­folg für bestimm­te unter­neh­mens­hö­ri­ge Per­so­nen zu fördern.

Andre­as: Unab­hän­gig davon ist vor allem wich­tig, dass unse­re Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten bekannt und auch akzep­tiert wer­den. Des­halb sol­len sie alle gezielt die Beleg­schaft in den Abtei­lun­gen per­sön­lich anspre­chen. Zudem wol­len wir im Vor­feld der Betriebs­rats­wahl noch eine Betriebs­ver­samm­lung durch­füh­ren. Sie wer­den wir dazu nut­zen, um unse­re inhalt­li­chen Posi­tio­nen und unse­re Wahl­vor­schlä­ge bekannt zu machen. Wen man nicht kennt, den wählt man auch nicht! So ein­fach ist das.

Die Coro­na-Pan­de­mie wird auch in der Zeit bis zu den Betriebs­rats­wah­len bestim­mend sein. Wie geht Ihr damit um?
Andre­as: Wir müs­sen uns dar­auf ein­stel­len, dass uns die Pan­de­mie einen Strich durch die Rech­nung macht. Das fängt an bei der Fra­ge, wie wir an die Beschäf­tig­ten im „Home­of­fice“ her­an­kom­men. Das betrifft bei uns im Wesent­li­chen die Büro-Ange­stell­ten. Das geht wei­ter mit dem Pro­blem, wie wir auf­grund des Abstands­ge­bots die per­sön­li­che Kon­takt­auf­nah­me wäh­rend der Arbeits­zeit über­haupt sicher­stel­len kön­nen. Und natür­lich müs­sen wir die Fra­ge beant­wor­ten, wie wir Abtei­lungs- und Betriebs­ver­samm­lun­gen durch­füh­ren kön­nen. Die bis­her zum Teil sehr laxen betrieb­li­chen Vor­ga­ben bezüg­lich der Ein­hal­tung der Pan­de­mie­vor­schrif­ten dür­fen für uns nicht der Maß­stab sein. Das stellt uns wirk­lich vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen, aber das betrifft auch alle ande­ren Kandidaturen.

Ger­hard: Es stimmt zwar, dass die Pan­de­mie auch alle ande­ren Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten betrifft, aber das darf uns nicht in fal­scher Sicher­heit wie­gen. Um die Chan­cen unse­rer Akti­ven erhö­hen zu kön­nen, müs­sen wir alle Mög­lich­kei­ten nut­zen und noch eini­ges an Krea­ti­vi­tät entwickeln.

Wir wün­schen Euch viel Erfolg bei Euren Vorhaben!


* [Das Gespräch führ­te O. T. am 19. Dezem­ber 2021. Die Namen der Kol­le­gen wur­den aus Sicher­heits­grün­den geändert.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2021
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