Abschiedsbrief einer Bauhaus-Betriebsrätin (Teil I)*
G. K.
Mehr als zehn Jahre hat sie in einer Bauhausfiliale gearbeitet. Die letzten drei Jahre war sie Betriebsrätin. Bei Bauhaus ist das etwas besonderes, denn bei dem Heimwerkermarkt, dessen deutsche Geschäftsführung auch von „betriebsratsverseuchten Filialen“ spricht, gibt es nicht viele Betriebsräte.
Dann, nach zahllosen Abmahnungen, Kündigungen und Arbeitsgerichtsverfahren – einschließlich Bespitzelung und Verleumdung durch einzelne, vom Arbeitgeber beauftragten Mitarbeiter*innen – wollte sie nicht mehr an ihre alte Arbeitsstelle zurück. Sie hätte sich zum zweiten Mal wieder einklagen können. Entschied sich dann aber – auch, um ihre eigene Gesundheit zu schonen – für eine Bewerbung bei einem anderen Arbeitgeber.
Sie ist nicht gerne gegangen. Ihren ehemaligen Kolleg*innen will sie Mut machen, den Kampf gegen unakzeptable Arbeitsbedingungen und für einen Betriebsrat, der den Namen verdient, weiter zu führen. Wir von Work-Watch [www.work-watch.de] haben sie jahrelang begleitet. Hier ihr Abschiedsbrief.
„Ich gehörte zur ersten Belegschaft, als das Haus eröffnete. Von meinen alten Kolleg*innen sind nicht mehr viele übrig. Und das hat Gründe.
Schon nach wenigen Wochen hatten wir alle gemerkt, nach welchem System bei uns gearbeitet wird. Die Geschäftsführung hatte mehr Mitarbeiter*innen eingestellt, als wir eigentlich brauchten. Diejenigen, die dem Geschäftsführer nicht in den Kram passten, wurden regelmäßig samstags in sein Büro gerufen und erhielten dann ihre Kündigung. Einige fristlos, für die anderen hat sich der Geschäftsführer Gründe aus den Fingern gesaugt. Einige Kolleg*innen wurden sogar zur Selbstkündigung genötigt.
Auch die Auszubildenden wurden regelrecht verheizt. Die „Ausbildung“ stand nicht unbedingt an erster Stelle. Einige mussten auf Anordnung ihrer Vorgesetzten tagelang Regale ein- und ausräumen, bekamen kaum Unterweisungen, mussten den Boden fegen oder andere Reinigungsarbeiten verrichten und sahen dadurch ihr Ausbildungsziel in Gefahr. Wer nicht mitspielte, wurde auch nicht übernommen. Aber auch die anderen konnten beim ersten Konflikt mit der Geschäftsführung schnell auf die Abschussliste kommen.
Trotz der schleichenden Angst um den Arbeitsplatz regte sich Widerstand: Diese Willkür, diese „Nasenpolitik“ der Geschäftsführung wollten wir ändern. Also trafen wir uns mit dem erfahrenen Betriebsrat einer anderen Filiale.
Unser Ziel: Selbst einen Betriebsrat gründen. Unsere Kolleg*innen aus der anderen Filiale und unser Anwalt warnten uns vor: Das würde kein Spaziergang werden.
Auf der ersten, von uns angeleierten Betriebsversammlung haben wir einen Wahlvorstand gewählt. Aber die Geschäftsführung wollte alles im Keim ersticken und hat diese Wahl sofort angefochten. Sie haben behauptet, wir wollten dem Betrieb schaden und die Abstimmung sei nicht rechtens gewesen. Wir zogen vor Gericht und mussten fast 1,5 Jahre prozessieren, um überhaupt einen Wahlvorstand gründen zu dürfen. Die Anwälte der Geschäftsführung ließen unter anderem Termine verschieben, zogen nach unserem Empfinden eine Entscheidung in die Länge. Gleichzeitig wurden in der Filiale Gerüchte gegen einzelne von uns gestreut und Personen aus dem Mitarbeiterstab der Geschäftsführung auf uns angesetzt. Mein Abteilungsleiter etwa beobachtete mich ununterbrochen bei der Arbeit und sorgte dafür, dass andere nicht in meiner Nähe waren und ich mit ihnen reden konnte. Ein Geschäftsleiter sagte mir sogar, er werde mich und alle anderen Kandidaten für einen Betriebsrat „vernichten“. Ich entgegnete ihm, dass ich für unser Recht auf einen Betriebsrat bis vor das Bundesarbeitsgericht ziehen würde.
Erst 2017 bekamen wir Recht vorm Arbeitsgericht, die Organisation der Betriebsratswahl begann, ein Termin wurde festgelegt. Die Wahlbeteiligung war überwältigend: Alle Kolleginnen und Kollegen haben ihre Stimme abgegeben. Für uns ein klares Zeichen, dass die Zeit für einen Betriebsrat (BR) reif war. Von unserer Liste kamen zwei als ordentliche Mitglieder in den BR, eine war Nachrückerin.
Nach der Wahl ging es gleich weiter mit Angriffen durch die Geschäftsleitung. Die Dienstpläne wurden oft so erstellt, dass sie mit unseren BR-Sitzungen kaum vereinbar waren. Die Schichten waren so knapp geplant, dass wir den Zorn einiger Kolleg*innen auf uns zogen, wenn wir zur BR-Sitzung gingen. Sie mussten dann ja unsere Arbeit mitmachen. Erklärungsversuche und Gespräche mit den Kolleg*innen endeten häufig mit der Frage: „Was macht ihr überhaupt in den Sitzungen?“. Ihre Frage war mehr als berechtigt, denn viel brachten die Sitzungen ihnen tatsächlich nicht.
Denn nach und nach entpuppten sich die meisten BR-Mitglieder als U-Boote der Geschäftsführung. Die Sitzungen zogen sich regelmäßig in die Länge, weil wir immer gegen die Betriebsratsmehrheit argumentieren mussten. Das heizte den Unmut weiter an. Alles, was unseren Kolleg*innen zum Vorteil werden könnte, lehnten diese Mitglieder ab. Zum Beispiel unsere Forderung, die Dienstpläne langfristiger und mitarbeiterfreundlicher zu gestalten, damit unsere Kolleg*innen ihr Privatleben und Beruf besser vereinbaren könnten. Eine ihrer Lieblingsbegründungen: „Das genehmigt die Geschäftsleitung nie.“ Anstatt bei schwierigen Konflikten die Einigungsstelle anzurufen, wollten sie lieber den Geldbeutel unseres Chefs schonen: „Das kostet zu viel Geld“, hieß es.