Coro­na-Aus­bruch bei ProMinent

Betriebs­rat sieht mas­si­ve Ver­säum­nis­se der Geschäftsleitung

Pro­Mi­nent ist Her­stel­ler von Dosier­an­la­gen und Sys­te­men für die Was­ser­auf­be­rei­tung mit ca. 700 Beschäf­tig­ten am Stamm­sitz in Hei­del­berg (welt­weit ca. 2.700). Rai­ner Dul­ger, einer der drei Geschäfts­füh­rer, ist seit dem 26.11.2020 Prä­si­dent der Bun­des­ver­ei­ni­gung der deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (BDA) und damit der höchs­te Reprä­sen­tant des Kapi­tals in Deutsch­land. Avan­ti² hat mit zwei Mit­glie­dern des Betriebs­ra­tes der Fir­ma Pro­Mi­nent über die aktu­el­le Situa­ti­on gesprochen.*

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Ihr hat­tet bei Pro­Mi­nent im Novem­ber einen gro­ßen Coro­na-Aus­bruch in der Beleg­schaft. Nur weni­ge Mona­te vor­her, am 18.06.2021, hat Rai­ner Dul­ger in einem Inter­view mit der Rhein-Neckar-Zei­tung fol­gen­des gesagt: „Wir haben die­se Kri­se gemein­sam gut gemeis­tert – Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer haben zusam­men­ge­stan­den. Das hat gut funk­ti- oniert und gezeigt, wie stark die Sozi­al­part­ner­schaft hier in die­sem Land ist.“ Was hal­tet Ihr von die­ser Aussage?
Bene­dikt: Mit die­ser Aus­sa­ge kann er mit Sicher­heit nicht sei­nen eige­nen Betrieb Pro­Mi­nent gemeint haben. Der gro­ße Coro­na­aus­bruch in der Ser­vice­ab­tei­lung der Pro­Mi­nent Deutsch­land GmbH ist doch ganz offen­sicht­lich des­we­gen erfolgt, weil bei uns gera­de nichts gut gemeis­tert wor­den ist und weil es bei uns auch kei­ne Sozi­al­part­ner­schaft gibt.

Kannst Du das genau­er erklären?
Bene­dikt: Anfang Novem­ber wur­den in der Ser­vice­ab­tei­lung von den damals anwe­sen­den neun Beschäf­tig­ten fünf posi­tiv getes­tet und nach Hau­se geschickt. Für den Rest der Abtei­lung wur­de dann „Home­of­fice“ ange­ord­net. Der genaue Anste­ckungs­ver­lauf ist der­zeit noch nicht abschlie­ßend geklärt, aber es liegt der Ver­dacht sehr nahe, dass die­ser Coro­na­aus­bruch durch die Vor­ga­ben der Geschäfts­lei­tung zumin­dest begüns­tigt wor­den ist.

Wie kommst Du zu die­ser Feststellung?
Bene­dikt: Das Gan­ze hat eine Vor­ge­schich­te. Etwa drei Jah­re vor der Coro­na-Pan­de­mie hat die Geschäfts­lei­tung unse­re alte Betriebs­ver­ein­ba­rung „Tele­ar­beit“ gekün­digt, weil sie der Auf­fas­sung war, dass die Beschäf­tig­ten, die zuhau­se arbei­ten wol­len, die­se Ver­ein­ba­rung wegen der nicht zu kon­trol­lie­ren­den Arbeits­zeit miss­brau­chen wür­den. Tat­säch­li­che Vor­fäl­le, die das bestä­ti­gen, sind mir und dem Betriebs­rat aller­dings nicht bekannt.

Das hat aber dazu geführt, dass wir zu Beginn der Pan­de­mie kei­ne gül­ti­ge Betriebs­ver­ein­ba­rung hat­ten, in der die Arbeit im „Home­of­fice“ gere­gelt war. Als die Pan­de­mie im Früh­jahr 2020 Fahrt auf­nahm, muss­te schnell eine Ver­ein­ba­rung her, die aber mit hei­ßer Nadel gestrickt wur­de und von der Geschäfts­lei­tung und den Vor­ge­setz­ten nur noch im Sin­ne der Betriebs­in­ter­es­sen aus­ge­legt wird. Wegen des Miss­trau­ens gegen­über der Beleg­schaft hat die Geschäfts­lei­tung immer dar­auf geach­tet, dass die Tätig­keit im „Home­of­fice“ sehr restrik­tiv gehand­habt wird. Dies hat sich nun gerächt.

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Harald: Hin­zu kommt, dass die Ser­vice­ab­tei­lung im Juli 2021 in ein neu­es Gebäu­de umge­zo­gen ist. Der Betriebs­rat hat die­sem Umzug nicht zuge­stimmt, weil aus sei­ner Sicht wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen zum Schutz vor einer Coro­na­in­fek­ti­on nicht erfüllt waren. Bei der Bewer­tung die­ser Vor­aus­set­zun­gen hat der Betriebs­rat im Rah- men der Gefähr­dungs­ana­ly­se (GFA) und Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung (GFB) ein Mitbestimmungsrecht.

Es waren vor allem die beeng­ten räum­li­chen Ver­hält­nis­se der neu­en Büros, die der Betriebs­rat schon im Vor­feld bean­stan­det und eine gerin­ge­re Bele­gung gefor­dert hat­te. Vor Coro­na haben in den alten Büros maxi­mal zwei Per­so­nen in einem Raum gear­bei­tet. Wäh­rend der Pan­de­mie wur­de die­se Bele­gung wegen der Infek­ti­ons­ge­fahr auf nur noch eine Per­son beschränkt. Nach dem Umzug − wäh­rend die Coro­na­in­fek­tio­nen in der vier­ten Wel­le bereits wie­der stark anstie­gen − soll­ten nun in den neu­en Räum­lich­kei­ten jeweils zwei Per­so­nen pro Büro stän­dig in Prä­senz anwe­send sein.

Ende Okto­ber 2021 kam es zu einer Besich­ti­gung der neu­en Räum­lich­kei­ten durch einen ehe­ma­li­gen Geschäfts­füh­rer, hier wur­de die Prä­senz der Beschäf­tig­ten in der Ser­vice­ab­tei­lung sogar direkt abver­langt. Die Beden­ken des Betriebs­rats wegen des erhöh­ten Infek­ti­ons­ri­si­kos haben die Geschäfts­lei­tung aber zu kei­nem Zeit­punkt gejuckt, mit der Fol­ge, dass sich jetzt so vie­le Beschäf­tig­te ange­steckt und zumin­dest in einem Fall auch eine schwe­re Erkran­kung zu bekla­gen ist.

Der Coro­na­aus­bruch hät­te also ver­mie­den wer­den können?
Harald: Ich glau­be schon, dass bei einer gerin­ge­ren Bele­gung der Büros bezie­hungs­wei­se bei einer frü­he­ren und umfas­sen­de­ren Nut­zung der „Mobi­len Arbeit“ der Aus­bruch hät­te ver­hin­dert wer­den kön­nen. Zumin­dest die Anzahl der Infi­zier­ten wäre wesent­lich gerin­ger gewe­sen. Die Aus­sa­ge von Rai­ner Dul­ger, es sei in der Coro­na­zeit alles gut gelau­fen, steht in direk­tem Wider­spruch zur geleb­ten Pra­xis bei ProMinent.

Ist das Ver­hal­ten der Geschäfts­lei­tung gegen­über dem Betriebs­rat also problematisch?
Bene­dikt: Das ist lei­der so. Wir erle­ben schon seit Jah­ren, dass unse­re Geschäfts­lei­tung den Betriebs­rat und wich­ti­ge Geset­ze wie das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz oder auch das Arbeits­schutz­ge­setz nicht ernst nimmt. Die Zusam­men­ar­beit im Betrieb setzt aber vor­aus, dass die Mit­be­stim­mung des Betriebs­rats aner­kannt wird. So ist der Betriebs­rat gesetz­lich ver­pflich­tet, die Ein­hal­tung der zuguns­ten der Beschäf­tig­ten wir­ken­den Geset­ze zu über­wa­chen und ein­zu­for­dern. Wir machen schon seit Jah­ren die Erfah­rung, dass die Arbeit des Betriebs­rats nicht gewünscht ist.

Kannst Du das an einem Bei­spiel deut­lich machen?
Bene­dikt: Dem Betriebs­rat wird immer wie­der von vor­ne­her­ein ein destruk­ti­ves Ver­hal­ten unter­stellt, weil er nicht zu allem, was die Geschäfts­lei­tung will, Ja und Amen sagt. Erst kürz­lich wur­de dem KBR-Vor­sit­zen­den und dem stell­ver­tre­ten­den BR-Vor­sit­zen­den von einem Geschäfts­lei­tungs­mit­glied die Kün­di­gung ange­droht, weil sie die Umset­zung des Arbeits­schutz­ge­set­zes for­dern und dies per Eini­gungs­stel­le durch­set­zen wollen.

Des Wei­te­ren wer­den dem Betriebs­rat erfor­der­li­che Schu­lun­gen und Semi­na­re ver­wei­gert, mit dem Argu­ment, die­se sei­en ent­we­der zu teu­er oder aus Unter­neh­mens­sicht nicht not­wen­dig. Der Betriebs­rat wird dadurch gezwun­gen, sei­ne Rech­te über das Arbeits­ge­richt durch­zu­set­zen, was natür­lich zusätz­li­che Kos­ten für das Unter­neh­men bedeu­tet. Dies zeigt aber, dass das Kos­ten-Argu­ment nur als Vor­wand dient, um den Betriebs­rat von sei­ner Arbeit und der dafür erfor­der­li­chen Qua­li­fi­zie­rung abzuhalten.

Die Geschäfts­lei­tung geht dabei soweit, dass sie, wie auf Betriebs­ver­samm­lun­gen schon gesche­hen, den Betriebs­rat vor der ver­sam­mel­ten Beleg­schaft angreift. Sie hat zum Bei­spiel behaup­tet, der Betriebs­rat ver­ur­sa­che so vie­le unnö­ti­ge Kos­ten, dass der Betrieb an ande­rer Stel­le lei­der zu Las­ten der Beleg­schaft spa­ren müs­se. Das heißt nichts ande­res als: Der Betriebs­rat ist schuld dar­an, dass das Unter­neh­men Ver­bes­se­run­gen für die Beleg- schaft nicht finan­zie­ren kön­ne. Das Ziel dabei ist klar. Die Beleg­schaft soll gegen den Betriebs­rat auf­ge­bracht wer­den, um ihn zu iso­lie­ren und fer­tig zu machen. Soweit wer­den wir es aber nicht kom­men las­sen. Wir wer­den uns mit allen Mit­teln dage­gen zur Wehr setzen.

Dazu wün­schen wir Euch viel Erfolg!


* [Das Gespräch führ­te O. T.; die Namen der Kol­le­gen wur­den aus Sicher­heits­grün­den geändert.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2021
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