Die kapi­ta­lis­ti­sche Zer­stö­rung der Umwelt und die öko­so­zia­lis­ti­sche Alternative

17. Welt­kon­greß der IV. Inter­na­tio­na­le (März 2018)

 

Zum Geden­ken an Ber­ta Cáce­res, die indi­ge­ne Akti­vis­tin, Öko­lo­gin und Femi­nis­tin aus Hon­du­ras, die am 3._März 2016 von Hand­lan­gern der mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­ne ermor­det wur­de, und zum Geden­ken an die Märtyrer*innen in den Kämp­fen um Umweltgerechtigkeit.

Berta Isabel Cáceres Flores (1973–2016), honduranische Menschenrechts- und Umweltaktivistin. Sie wurde am 3. März 2016 ermordet (Foto: UN Environment - ONU Brasil - https://vimeo.com/214055225, CC BY 3.0.)

Ber­ta Isa­bel Cáce­res Flo­res (1973–2016), hon­du­ra­ni­sche Men­schen­rechts- und Umwelt­ak­ti­vis­tin. Sie wur­de am 3. März 2016 ermor­det (Foto: UN Envi­ron­ment - ONU Bra­sil - https://vimeo.com/214055225, CC BY 3.0.)

1. Ein­lei­tung
1.1. Der Druck, den die Mensch­heit auf das Erd­sys­tem aus­übt, wächst seit den 1950er Jah­ren immer schnel­ler. Zu Beginn die­ses Jahr­hun­derts hat er ein äußerst alar­mie­ren­des Niveau erreicht und wächst in fast allen Berei­chen wei­ter. Schwel­len­wer­te wer­den in eini­gen Berei­chen bereits über­schrit­ten, ins­be­son­de­re die der Kon­zen­tra­ti­on von Treib­haus­ga­sen in der Atmo­sphä­re. Die­ser zuneh­men­de quan­ti­ta­ti­ve Druck, der über­all beob­ach­tet wer­den kann, führt zu einer qua­li­ta­ti­ven Ver­schie­bung, die abrupt (inner­halb weni­ger Jahr­zehn­te) und weit­ge­hend irrever­si­bel wer­den kann. Das Erd­sys­tem wür­de dann in einen neu­en dyna­mi­schen Gleich­ge­wichts­zu­stand ein­tre­ten, der durch ganz ande­re geo­phy­si­ka­li­sche Bedin­gun­gen und eine noch stär­ke­re Abnah­me sei­nes bio­lo­gi­schen Reich­tums gekenn­zeich­net wäre. Abge­se­hen von den Kon­se­quen­zen für ande­re Lebe­we­sen, wür­de der Über­gang zu die­sem neu­en Zustand zumin­dest das Leben von Hun­der­ten Mil­lio­nen armer Men­schen gefähr­den, ins­be­son­de­re von Frau­en, Kin­dern und älte­ren Men­schen. Schlimms­ten­falls jedoch könn­te der welt­wei­te öko­lo­gi­sche Kol­laps zum Unter­gang unse­rer Spe­zi­es führen.

1.2. Die Gefahr steigt von Tag zu Tag, aber die Kata­stro­phe kann abge­wen­det oder zumin­dest begrenzt und ein­ge­dämmt wer­den. Nicht die mensch­li­che Exis­tenz über­haupt ist die ent­schei­den­de Ursa­che der Bedro­hung, son­dern deren gesell­schaft­li­che Pro­duk­ti­on- und Repro­duk­ti­ons­wei­se, die auch die Ver­tei­lungs- und Kon­sum­ti­ons­wei­se und die kul­tu­rel­len Wer­te ein­schließt. Das seit etwa zwei Jahr­hun­der­ten herr­schen­de Sys­tem – der Kapi­ta­lis­mus – ist nicht nach­hal­tig, da der Wett­be­werb um den Pro­fit, sei­ne trei­ben­de Kraft, eine blin­de Ten­denz zu gren­zen­lo­sem quan­ti­ta­ti­vem Wachs­tum impli­ziert, das mit den begrenz­ten Roh­stoff- und Ener­gie­re­ser­ven der Erde nicht ver­ein­bar ist. Die Län­der des „real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus“ waren im 20. Jahr­hun­dert nicht in der Lage, eine Alter­na­ti­ve zur pro­duk­ti­vis­ti­schen Umwelt­zer­stö­rung anzu­bie­ten, zu der sie auch in bedeu­ten­dem Maße bei­getra­gen haben. Zu Beginn des 21. Jahr­hun­derts steht die Mensch­heit erst­mals unter dem Zwang, ihre wei­te­re Ent­wick­lung in allen Berei­chen so zu kon­trol­lie­ren, dass sie mit den Gren­zen und der Unver­sehrt­heit der Umwelt, in der sie sich bis­her ent­wi­ckelt hat, ver­ein­bar ist. Kein poli­ti­sches Pro­gramm kann die­se Schluss­fol­ge­run­gen der wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en zum „glo­ba­len Wan­del“ igno­rie­ren. Im Gegen­teil, jede Poli­tik muss vor allem danach beur­teilt wer­den, ob sie die­ses Risi­ko erkennt, wel­che grund­le­gen­den Ant­wor­ten sie dar­auf gibt, ob die­se Lösungs­vor­schlä­ge mit den Grund­for­de­run­gen der Men­schen­wür­de ver­ein­bar sind, und wie sie sich zu den übri­gen Punk­ten in ihrem Pro­gramm, beson­ders in sozi­al- und wirt­schafts­po­li­ti­scher Hin­sicht, verhalten.

2. Eine tie­fe Kluft zwi­schen der Dring­lich­keit einer radi­ka­len öko­so­zia­lis­ti­schen Alter­na­ti­ve auf der einen Sei­te und dem Kräf­te­ver­hält­nis und dem Stand des Bewusst­seins auf der ande­ren Seite.

Aktionstag bei Alstom Mannheim, 29. April 2014 (Foto: helmut-roos@web.de)

Akti­ons­tag bei Als­tom Mann­heim, 29. April 2014 (Foto: helmut-roos@web.de)

2.1. Ein ganz ande­res Ver­hält­nis der Mensch­heit zur Umwelt ist drin­gend not­wen­dig, das auf einem respekt­vol­len Umgang mit Mensch und Umwelt basiert. Dies wird nicht ein­fach das Ergeb­nis indi­vi­du­el­ler Ver­hal­tens­än­de­run­gen sein, son­dern bedarf viel­mehr einer struk­tu­rel­len Ver­än­de­rung in den Bezie­hun­gen zwi­schen den Men­schen: der tota­len und glo­ba­len Besei­ti­gung des Kapi­ta­lis­mus als gesell­schaft­li­cher Pro­duk­ti­ons­wei­se. Des­sen kom­plet­te Besei­ti­gung ist in der Tat die not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für eine ver­nünf­ti­ge, wirt­schaft­li­che und umsich­ti­ge Hand­ha­bung der natür­li­chen Res­sour­cen durch die Mensch­heit als Teil die­ser Natur. Wis­sen­schaf­ten und Tech­no­lo­gien kön­nen die­ses Manage­ment erleich­tern, aber nur unter der Bedin­gung, dass ihre Ent­wick­lung nicht dem Dik­tat des kapi­ta­lis­ti­schen Pro­fits unter­wor­fen ist.

2.2. Der grü­ne Kapi­ta­lis­mus und das Pari­ser Abkom­men bie­ten kei­ne Mög­lich­keit, der Umwelt­zer­stö­rung im All­ge­mei­nen und den Gefah­ren der Kli­ma­leug­nung im Beson­de­ren zu ent­rin­nen. Die Alter­na­ti­ve kann nur aus einer welt­wei­ten Poli­tik kom­men, die die wirk­li­chen mensch­li­chen Bedürf­nis­se befrie­digt. Die­se dür­fen nicht vom Markt dik­tiert wer­den, son­dern erge­ben sich aus einer demo­kra­ti­schen Dis­kus­si­on, die es den Men­schen ermög­licht, ihr Schick­sal wie­der selbst in die Hand zu neh­men, sich aus der Ent­frem­dung durch die Waren­pro­duk­ti­on zu befrei­en und den für die Funk­ti­ons­wei­se des Kapi­ta­lis­mus typi­schen Zwang zu immer mehr Pro­duk­ti­on und Kapi­tal­ak­ku­mu­la­ti­on zu durchbrechen.

2.3. Die Kern­punk­te die­ser Alter­na­ti­ve sind:
1. Die Ver­ge­sell­schaf­tung des Ener­gie­sek­tors: Nur so kann man aus den fos­si­len Ener­gien aus­stei­gen, die Kern­ener­gie stop­pen, die Pro­duk­ti­on / den Ver­brauch von Ener­gie radi­kal redu­zie­ren und den Über­gang zu einem erneu­er­ba­ren, dezen­tra­li­sier­ten und effi­zi­en­ten Ener­gie­sys­tem nach öko­lo­gi­schen und sozia­len Erfor­der­nis­sen so schnell wie mög­lich verwirklichen.

2. Die Ver­ge­sell­schaf­tung des Kre­dit­sek­tors: Die­se ist ange­sichts der Ver­flech­tung des Ener­gie- und des Finanz­sek­tors bei gro­ßen und lang­fris­ti­gen Inves­ti­tio­nen uner­läss­lich, aber auch um die Inves­ti­tio­nen in die Ener­gie­wen­de über­haupt finan­zie­ren zu können.

FFF-Demo am 20. September 2019 in Mannheim (Foto: Avanti²)

FFF-Demo am 20. Sep­tem­ber 2019 in Mann­heim (Foto: Avanti²)

3. Die Abschaf­fung des Pri­vat­ei­gen­tums an natür­li­chen Res­sour­cen (Land, Was­ser, Wäl­der, Wind, Son­nen­en­er­gie, Erd­wär­me, Mee­res­res­sour­cen) und For­schung und Wissen.

4. Die Ver­nich­tung aller Waf­fen­be­stän­de, die Abschaf­fung nutz­lo­ser (Waf­fen etc.) oder schäd­li­cher Pro­duk­ti­ons­zwei­ge (Petro­che­mie, Atom­ener­gie) und die Pro­duk­ti­on von demo­kra­tisch ermit­tel­ten Gebrauchs­wer­ten anstel­le von Tauschwerten.

5. Eine gemein­wohl­ori­en­tier­te und demo­kra­ti­sche Bewirt­schaf­tung der Res­sour­cen im Diens­te der wirk­li­chen mensch­li­chen Bedürf­nis­se unter Erhal­tung und Wah­rung der Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit der Ökosysteme.

6. Die Abschaf­fung aller For­men von Ungleich­heit und Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Geschlecht, Ras­se, eth­ni­scher Zuge­hö­rig­keit, Reli­gi­on oder sexu­el­ler Vor­lie­ben; die Eman­zi­pa­ti­on aller Unter­drück­ten, ins­be­son­de­re die Eman­zi­pa­ti­on der Frau­en und far­bi­gen Menschen.

7. Die Abschaf­fung der Fließ­band­ar­beit und der ent­frem­de­ten Arbeit in der Waren­pro­duk­ti­on, die im Gegen­satz zur frei­en Betä­ti­gung und Gestal­tung der Frei­zeit des Men­schen steht.

8. Eine lang­fris­ti­ge sozio­öko­no­mi­sche Poli­tik, die dar­auf abzielt, die städ­ti­sche und länd­li­che Bevöl­ke­rung wie­der ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen und den Gegen­satz zwi­schen Stadt und Land zu überwinden.

2.4. Es gibt eine tie­fe Kluft zwi­schen die­ser objek­tiv not­wen­di­gen Alter­na­ti­ve auf der einen Sei­te und den gegen­wär­ti­gen sozia­len Kräf­te­ver­hält­nis­sen und dem Bewusst­seins­stand auf der ande­ren Sei­te. Die­se Kluft kann nur durch kon­kre­te Kämp­fe der Aus­ge­beu­te­ten und Unter­drück­ten zur Ver­tei­di­gung ihrer Lebens­be­din­gun­gen und der Umwelt geschlos­sen wer­den. Indem sie Sofort­for­de­run­gen durch­set­zen, wer­den sich zuneh­mend grö­ße­re Schich­ten radi­ka­li­sie­ren und ihre Kämp­fe wer­den zusam­men­wach­sen. Sie wer­den Über­gangs­for­de­run­gen for­mu­lie­ren, die mit der kapi­ta­lis­ti­schen Logik unver­ein­bar sind.

FFF-Demo in Aachen, 21. Juni 2019 (Foto: Avanti²)

FFF-Demo in Aachen, 21. Juni 2019 (Foto: Avanti²)

Eini­ge wich­ti­ge For­de­run­gen in die­sem stra­te­gi­schen Rah­men sind:
1. Aus­stieg aus dem fos­si­len Brenn­stoff­sek­tor, Stopp von Sub­ven­tio­nen für die Ent­wick­lung von Pro­jek­ten, die auf fos­si­ler Ener­gie und dem Trans­port­ver­kehr auf der Grund­la­ge von Ver­bren­nungs­mo­to­ren basie­ren, gegen öffent­lich-pri­va­te Part­ner­schaf­ten, die heu­te den Ener­gie­sek­tor welt­weit dominieren.

2. Gegen alle extrak­ti­vis­ti­schen Pro­jek­te, vor allem die Neu­erschlie­ßung von Schie­fer­gas­vor­kom­men und Ölquel­len (Frack­ing) sowie nutz­lo­se Groß­pro­jek­te im Inter­es­se des fos­si­len Sek­tors (Flug­hä­fen, Auto­bah­nen usw.).

3. Stopp der Atom­ener­gie, Ende der Aus­beu­tung von Koh­le, Teer­sand und Braunkohle.

4. Unter­stüt­zung von Volks­bil­dungs­pro­gram­men zur öko­lo­gi­schen Nachhaltigkeit.

5. Ableh­nung jeder kapi­ta­lis­ti­schen Aneig­nung von Land und Meer und deren Ressourcen.

6. Ver­tei­di­gung von Frau­en­rech­ten, ange­fan­gen mit dem Kampf gegen alle Ver­su­che, Ent­schei­dun­gen von Frau­en über ihre Fort­pflan­zungs fähig­keit zu kri­mi­na­li­sie­ren. Kos­ten­lo­se Abtrei­bung und Emp­fäng­nis­ver­hü­tung auf Ver­lan­gen, bezahlt vom Sozi­al­ver­si­che­rungs- / Gesund­heits­sys­tem. Die Betreu­ung von Jun­gen, Kran­ken und Alten darf kei­ne rein weib­li­che Auf­ga­be sein und muss als gemein­schaft­li­che Auf­ga­be aner­kannt werden.

7. Aner­ken­nung des Rechts der Ureinwohner*innen / indi­ge­nen Völ­ker auf Selbst­be­stim­mung, Aner­ken­nen ihrer tra­di­tio­nel­len Kennt­nis­se und ihres nach­hal­ti­gen Manage­ments der Ökosysteme.

8. Flücht­lings­sta­tus für die Opfer von öko­lo­gi­schen und Kli­ma­ka­ta­stro­phen, unein­ge­schränk­te Ach­tung der demo­kra­ti­schen Rech­te der Flücht­lin­ge, ein­schließ­lich der Bewe­gungs- und Niederlassungsfreiheit.

9. Gewähr­leis­tung gut funk­tio­nie­ren­der und exis­tenz­si­chern­der sozia­ler Siche­rungs­sys­te­me für alle Men­schen ein­schließ­lich aus­kömm­li­cher Renten.

10. Abschaf­fung aller mul­ti- und bila­te­ra­len Frei­han­dels­ab­kom­men, Her­aus­nah­me umwelt­freund­li­cher Tech­no­lo­gien aus dem GATT.

11. Ein­hal­tung aller Ver­pflich­tun­gen des Green Fund (100 Mil­li­ar­den US-Dol­lar pro Jahr) in Form von Zuschüs­sen und nicht von Dar­le­hen. Öffent­li­che Ver­wal­tung des Green Fund nicht durch die Welt­bank, son­dern von Ver­tre­tern der Län­der des Südens unter der Kon­trol­le von sozia­len Ver­bän­den und Bewegungen.

12. Besteue­rung des inter­na­tio­na­len Luft- und Schiffs­ver­kehrs; das Auf­kom­men die­ser Steu­er soll­te als (Teil-)Kompensation der öko­lo­gi­schen Schuld direkt an die Län­der des Südens gehen.

13. Aner­ken­nung der öko­lo­gi­schen Schul­den gegen­über den Län­dern des Südens. Außer für Klein­an­le­ger ent­schä­di­gungs­lo­se Strei­chung der öffent­li­chen Schul­den, die vom Impe­ria­lis­mus ver­wen­det wur­den, um ein unge­rech­tes und unhalt­ba­res Ent­wick­lungs­mo­dell durchzusetzen.

14. Besteue­rung von Finanz­trans­ak­tio­nen und Umset­zung einer steu­er­li­chen Umver­tei­lungs­re­form, so dass Kapitaleigentümer*innen und ihre Erben für die Ener­gie­wen­de zahlen.

15. Abschaf­fung des Patent­sys­tems, ins­be­son­de­re sofor­ti­ges Ver­bot aller Paten­te auf (auch pflanz­li­che) Lebe­we­sen und auf Tech­no­lo­gien zur Ener­gie­um­wand­lung und -spei­che­rung. Schluss mit dem Dieb­stahl von über­lie­fer­tem Wis­sen der indi­ge­nen Völ­ker, ins­be­son­de­re durch phar­ma­zeu­ti­sche Unternehmen.

16. Reor­ga­ni­sie­rung der öffent­li­chen For­schung, Been­di­gung aller Vor­keh­run­gen, die die For­schung der Indus­trie unterstellen.

17. För­de­rung der Ernäh­rungs­sou­ve­rä­ni­tät und des Schut­zes der Bio­di­ver­si­tät durch Agrarreformen.

18. Umstel­lung auf öko­lo­gi­sche, regio­na­le und bäu­er­li­che Land­wirt­schaft ohne Gen­tech­nik oder Pes­ti­zi­de und ihre Aner­ken­nung als ein öffent­li­ches Gut.

19. Been­di­gung der indus­tri­el­len Tier­zucht, star­ke Redu­zie­rung der Pro­duk­ti­on und des Kon­sums von Fleisch. Respek­tie­rung des Tierwohls.

20. Ver­bot von Wer­bung. Ein­füh­rung von Recy­cling, Wie­der­ver­wen­dung und Redu­zie­rung. Schluss mit dem vom Kapi­tal auf­ge­zwun­ge­nen kon­su­mis­ti­schen, ver­schwen­de­ri­schen und ener­gie­in­ten­si­ven Modell.

21. Kos­ten­lo­se Bereit­stel­lung von Ener­gie und Was­ser für das Grund­be­dürf­nis und, jen­seits die­ser Schwel­le, Fest­le­gung ver­brauchs­ab­hän­gi­ger, stark pro­gres­si­ver Tari­fe, um Ver­schwen­dung zu bekämp­fen und gleich­zei­tig die Grund­ver­sor­gung zu sichern. Ent­wick­lung einer Stra­te­gie zur Aus­wei­tung der kos­ten­lo­sen Ver­ga­be von Gütern (Grund­nah­rungs­mit­tel) und Dienst­leis­tun­gen (öffent­li­cher Ver­kehr, Bil­dung, Gesund­heits­für­sor­ge usw.).

22. Beschäf­tig­te, deren Unter­neh­men im Rah­men der Ener­gie­wen­de geschlos­sen wer­den, sol­len das Recht haben, eine Pro­duk­ti­ons­um­stel­lung vor­zu­schla­gen, die not­wen­dig ist, um eine nach­hal­ti­ge Inf­ra- struk­tur auf­zu­bau­en. Wenn die­se Plä­ne unrea­lis­tisch sind: Erhalt der sozia­len Rech­te auf Umschu­lung, auf einen neu­en Arbeits­platz oder den Ruhestand.

23. Auf­bau öffent­li­cher oder genos­sen­schaft­li­cher Unter­neh­men zur Schaf­fung von Arbeits­plät­zen durch die Umset­zung der öko­lo­gi­schen Wen­de, unab­hän­gig vom Pro­fit, unter Kon­trol­le von Beschäf­tig­ten und Bür­gern (ins­be­son­de­re in den Berei­chen Strom­erzeu­gung, Was­ser­ver­sor­gung, Errich­tung / Iso­lie­rung / Sanie­rung von Gebäu­den, Mobi­li­tät von Men­schen durch Aus­stieg aus dem Auto­fi­xier­ten Sys­tem, Recy­cling von Abfäl­len und Repa­ra­tur von Ökosystemen).

24. Gene­rel­le und radi­ka­le Arbeits­zeit­ver­kür­zung mit Lohn­aus­gleich und nied­ri­ge­ren Arbeits­tak­ten, pro­por­tio­na­le Neu­ein­stel­lun­gen (ins beson­de­re von Jugend­li­chen, Frau­en und Ange­hö­ri­gen von Min­der­hei­ten). Zugleich mit der Ent­wick­lung des öffent­li­chen Sek­tors ist dies der bes­te Weg, um die Ver­rin­ge­rung der Pro­duk­ti­on von Gütern und des Ener­gie­ver­brauchs einer­seits, eine Voll­be­schäf­ti­gung und eine demo­kra­tisch betrie­be­ne Wen­de ande­rer­seits mit­ein­an­der in Ein­klang zu bringen.

25. Garan­tie des Rechts der Beschäf­tig­ten, sich zu orga­ni­sie­ren und Kon­trol­le am Arbeits­platz aus­zu­üben, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich Gesund­heits­schutz, Pro­dukt­nach­hal­tig­keit, Pro­duk­ti­ons­ef­fi­zi­enz etc., Schutz von Whistleblowern.

26. Reform von städ­ti­schen Gebie­ten mit dem Ziel, die Boden­spe­ku­la­ti­on zu bre­chen, die Zweck­ent­frem­dung der Böden auf­zu­he­ben (durch För­de­rung von Gemein­schafts­gär­ten und städ­ti­scher Land­wirt­schaft, Wie­der­her­stel­lung von in den städ­ti­schen Rah­men ein­ge­bet­te­ten Bio­to­pen) und ihre Befrei­ung vom Auto zuguns­ten des öffent­li­chen Ver­kehrs und der sanf­ten Mobi­li­tät (Schaf­fung von Fuß­gän­ger- und Radfahrerzonen).

2.5. Die­ses Pro­gramm ist nicht erschöp­fend. Es soll und wird durch kon­kre­te Kämp­fe berei­chert wer­den. Aus öko­so­zia­lis­ti­scher Per­spek­ti­ve geht es hier­bei dar­um, dass die Wen­de prin­zi­pi­ell gerecht von­stat­ten­geht: öko­lo­gi­sche und sozia­le Gerech­tig­keit, eine wohl gemein­sa­me, aber den­noch unter­schied­lich star­ke Ver­ant­wor­tung, Kampf gegen die Ungleich­hei­ten und für eine Ver­bes­se­rung der Lebens­be­din­gun­gen, gegen den grü­nen Kolo­nia­lis­mus und Umwelt­ras­sis­mus, Prio­ri­tät für kol­lek­ti­ve Lösun­gen, Inter­na­tio­na­lis­mus und das Vor­sor­ge­prin­zip. Vor allem aber geht es um die Eman­zi­pa­ti­on der Aus­ge­beu­te­ten und Unter­drück­ten durch Demo­kra­tie, Dezen­tra­li­sie­rung, Kon­trol­le und kol­lek­ti­ve Aneig­nung oder Wie­der­an­eig­nung der Gemein­gü­ter. Was sol­che Gemein­gü­ter sind, ergibt sich im Ver­lauf die­ses gesell­schaft­li­chen Demo­kra­ti­sie­rungs­pro­zes­ses. Es sind nicht per se bestimm­te Din­ge „Gemein­gü­ter“ und ande­re per se zur pri­va­ten Aneig­nung bestimmt.

Die oben genann­ten For­de­run­gen stel­len daher kei­ne uni­ver­sal gül­ti­ge Ant­wort dar. Sie zei­gen im Gro­ben den Weg zu einer anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen, inter­na­tio­na­lis­ti­schen, öko­so­zia­lis­ti­schen und öko­fe­mi­nis­ti­schen Gesell­schaft, die alle Tätig­keits­be­rei­che (Pro­duk­ti­on, Ver­tei­lung, Kon­sum) ver­än­dern und von einem tief­grei­fen­den Wan­del der kul­tu­rel­len Wer­te beglei­tet sein wird. Sie las­sen sich getrennt anwen­den, aber ein Ende der Kri­se ist nur durch ihre koor­di­nier­te und geplan­te Anwen­dung mög­lich. Die­se Maß­nah­men bil­den ein zusam­men­hän­gen­des Gan­zes, das mit dem nor­ma­len Funk­tio­nie­ren des kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems unver­ein­bar ist. Es gibt kei­nen ande­ren Weg und kei­ne Abkür­zung im Umgang mit der Dring­lich­keit der Situation.


* [Dies ist der ers­te und der zwei­te Teil des ins­ge­samt 24 Sei­ten umfas­sen­den Tex­tes mit Datum vom 26.03.2018. (Für die voll­stän­di­ge Ver­si­on sie­he hier.) Die Über­set­zung aus dem Eng­li­schen besorg­te Björn Mertens.]

Theo­rie­bei­la­ge Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2021
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