„Mischt Euch ein!“
H. N.
Im August 2021 ist die Dokumentation der siebten bundesweiten Konferenz „Betriebsräte im Visier“ vom Komitee „Solidarität gegen BR-Mobbing!“ veröffentlicht worden. Sie enthält die wesentlichen Texte dieser am 17. Oktober 2020 in Mannheim durchgeführten Tagung. Keine Frage, das ist eine Pflichtlektüre für alle, die sich gegen BR-Mobbing wehren wollen.
Im Vorwort heißt es: „Die Corona-Pandemie scheint Unternehmensleitung zu ermutigen, noch mehr als bisher Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen zu bekämpfen. Das Virus der Gewerkschaftsbekämpfung verbreitet sich immer mehr. […] Die Beschlusslage zum Thema BR-Mobbing ist bei IG Metall, ver.di und DGB eindeutig. Aber die praktische Abwehr der kriminellen Angriffe auf demokratisch gewählte Interessenvertretungen muss noch viel wirkmächtiger werden.“
Ernsthaftigkeit und Vielfalt
Der Inhalt der 56 Seiten umfassenden und sehr gut gestalteten Dokumentation spiegelt die beeindruckende inhaltliche Ernsthaftigkeit und Vielfalt der Tagung wider: Konferenzbericht, Grußwort des DGB, Podiumsgespräch, Fazit der Veranstaltung, Entschließung „Grund- und Menschenrechte gelten auch für Betriebsräte!“, fotografische Impressionen und vor allem drei inhaltliche Referate.
Zuerst legt Carl-Friedrich Bossert für die IG Metall unter der Überschrift „Taskforce /Anlaufstelle gegen BR-Mobbing und Gewerkschaftsbekämpfung – ein schöner Traum?” Rechenschaft über die bisherigen Aktivitäten der Vorstandsverwaltung ab. Neben der zentralen Anlaufstelle und bezirklichen Ansprechstationen gebe es Material zur Unterstützung von Ehren- und Hauptamtlichen. Allerdings müssten dringend noch mehr personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Die Abwehr von BR-Mobbing erfordert Bossert zufolge, sich nicht auf einen isolierten Zweikampf – gemobbtes BR-Mitglied gegen mobbende Unternehmensführung – einzulassen. Entscheidend für einen Erfolg sei, Mehrheiten in der Belegschaft zu gewinnen und sich gemeinsam gegen die Kapitalinteressen zu organisieren.
Organizing als Mittel der Gegenwehr
Daran kann die Fragestellung des zweiten Schwerpunkts – „Organizing – wirksames Mittel der Gegenwehr?“ anknüpfen. Alexander Mohrlang (ebenfalls IG Metall) gibt anhand praktischer Erfahrungen überzeugende Antworten.
Organizing meint das systematische Erstellen einer betrieblichen „Landkarte“, das Erlernen des methodischen Erkennens, Ansprechens und Organisierens von möglichen Aktiven, die Aktivierung und Mobilisierung für gemeinsame Ziele und letztendlich die systematische Herausbildung einer handlungsfähigen, gewerkschaftlich organisierten Gegenmacht. Dies sei eine strategische Kernaufgabe. Mit ihr müssten sich sowohl die Gewerkschaften als auch die Betriebsräte noch viel intensiver beschäftigen.
Im dritten Block „(Rechtliche) Strategien – was tun?“ beleuchtet Rechtsanwalt Dietrich Growe mit anschaulichen Beispielen die rechtlichen Möglichkeiten. Er äußert Verständnis für den Wunsch vieler Betroffener nach einem Strafverfahren gegen die BR-Mobber. Allerdings empfiehlt er andere Schritte. Sie zielen vor allem darauf, die Belegschaft um den Betriebsrat zu sammeln und den mobbenden Chef vor weiteren Drangsalierungen zu warnen. Hilfreich könne dabei auf rechtlicher Ebene eine Abmahnung der Geschäftsleitung durch den Betriebsrat oder das Einklagen der sogenannten Geschäftsherrenhaftung wegen der Nichtverhinderung von Straftaten sein.
Wirksame Solidarität erforderlich
Im Fazit der Konferenz heißt es, dass die Existenz eines bundesweiten Netzwerks gegen BR-Mobbing Mut mache. Eine noch engere Zusammenarbeit der darin organisierten unterschiedlichen Initiativen sei allerdings erforderlich.
Zudem wird dort festgestellt: „Solidarität ist erst mal nur ein Wort. Und wir haben oft verlernt – beziehungsweise es ist uns ausgetrieben worden –, in dieser Gesellschaft solidarisch zu sein. Das ist ja das alte Erfolgsprinzip von herrschenden Systemen, von Klassensystemen. […] Wir aber müssen wieder lernen, Solidarität wirksam werden zu lassen. […] Macht da mit, mischt Euch ein.“