Belegschaften als Spielball des Großkapitals
(Teil III*)
S. T.
Ein Gespenst geht um. Auch in der Rhein-Neckar-Region. Immer öfter kommt es zum Kauf beziehungsweise Verkauf von Firmen, ja von ganzen Konzernen. ABB und Hitachi, Alstom und General Electric, Nora und Interface, PFW und Hutchinson, VAG und Aurelius – das sind nur einige der Namen, die in der letzten Zeit bekannt geworden sind.
Die Maßnahmen der im zweiten Teil unserer Artikelserie beschriebenen „systematische Gehirnwäsche“ sind nur der Anfang.
Zusätzlich wird in Betrieben oft auch zu einer „Matrixorganisation“, das heißt einer „Mehrlinienorganisation“, übergegangen. Da in der Matrix fast alle zwei oder sogar mehr Chefs haben, müssen alle Bereiche lernen, mit den mehrfachen und oft widersprüchlichen Anforderungen umzugehen. So entstehen weitere Druckpotenziale, von denen die Belegschaft noch mehr belastet wird.
Das Betriebsklima verschlechtert sich daher. Der Wunsch nach Arbeitsplatzsicherheit und verlässlichen Informationen wächst hingegen. Der Informationsbedarf der Belegschaft trifft auf ein Management, das ständig taktiert und seine strategischen Ziele verdeckt.
Geheimrat oder Betriebsrat?
Ein „sozialpartnerschaftlicher“ Betriebsrat lässt sich gerne von der Geschäftsleitung einbinden und wird gegenüber der Belegschaft zum Geheimrat. Wenn Interessenvertretungen sich so verhalten, fördern sie direkt oder indirekt die Passivität und Resignation der Belegschaft.
Das erste Jahr nach der Übernahme ist schnell vorbei und damit der gesetzliche Schutz nach § 613a BGB beendet.
Das Management verkündet eine „neue“ Strategie. Sie wird mit Begriffen wie „Optimierung“ und „Restrukturierung“ getarnt. Diese Worte stehen in Wirklichkeit für Profitmaximierung durch Personalabbau. Die handelnden Manager verharmlosen, beschwichtigen und versuchen, mit Scheinargumenten zu beweisen, dass es überhaupt keinen Grund gibt, sich Sorgen zu machen.
Bei Personalabbau im Zuge von „Restrukturierung“ ist relativ schnell die Schwelle zu einer Massenentlassung erreicht: Bei mehr als 500 Beschäftigten sind das 30 Entlassungen innerhalb von 30 Arbeitstagen (§ 17 Kündigungsschutzgesetz). Dies be- deutet meist eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG. Mit dem Betriebsrat muss also ein Interessenausgleich verhandelt und gemäß § 112 a BetrVG ein Sozialplan vereinbart werden.
Die meisten Betriebsräte versuchen zum Nachteil der Beschäftigten einen Personalabbau so „sozialpartnerschaftlich“ als möglich zu begleiten. Hingegen schöpft das Unternehmen in der Regel sämtliche rechtlichen Möglichkeiten aus, um die betroffenen KollegenInnen möglichst rasch, billig und zu Lasten der Sozialkassen loszuwerden.
Das Arbeitsumfeld vieler KollegenInnen wird kräftig durcheinandergewirbelt. Etliche erhalten einen neuen Chef und / oder werden neuen Bereichen zugeordnet. Viele müssen umziehen oder werden degradiert, einige Abteilungen und Führungsebenen werden aufgelöst oder neu zusammengesetzt.
In solch einer Situation steht der gesamte Betrieb unter massiven Stress. Die Angst vor dem Personalabbau überwiegt im Verhältnis zu der Angst vor den organisatorischen Veränderungen. Bald wird klar unterschieden zwischen denen, die gehen müssen, und denen, die bleiben dürfen.
Einbindung durch das Management
Das neue Management versucht, die Belegschaft und die Betriebsräte mit immer neuen Tricks zu überlisten. Aufwendige Studien dienen dazu, die „Notwendigkeit“ weiterer „Einsparungen“ durch den „Nachweis von Produktivitätsreserven“ als „alternativlos“ darzustellen. Dabei helfen Refa-Studien, Multimomentaufnahmen, Gemeinkostenwertanalysen und Prozesskostenrechnungen.
Der Betriebsrat oder zumindest ein Teil des Betriebsrats wird in den Prozess „miteinbezogen“. Die scheinbare Einbeziehung erzeugt Akzeptanz. Denn niemand stellt „Lösungen“ infrage, die er oder sie selbst mit entwickelt hat.
Die Kommunikation des gesamten Integrationsprozesses und des damit verbundenen Personalabbaus ist eine ureigene Aufgabe des Managements.
Wenn aber der Betriebsrat sich als Übermittler der schlechten Nachrichten benutzen lässt, verliert er massiv an Ansehen und an Glaubwürdigkeit in der Belegschaft. Wenn dann auch noch auf Betriebsversammlungen seitens des Betriebsrats die „Restrukturierungspläne“ der Geschäftsleitung nicht infrage gestellt werden, resigniert die Belegschaft schnell. So wird die Chance zur gemeinsamen Gegenwehr vertan.
* [Teil I und Teil II sind in Avanti² Nr. 65 und 66 erschienen.]