Freu­den­berg Weinheim

Abbau durch Produktionsverlagerung?

H. S.

176 der 232 Beschäf­tig­ten des Vlies­stoff-Geschäfts­be­reichs Freu­den­berg Per­for­mance Mate­ri­als Appa­rel in Wein­heim sol­len ihren Arbeits­platz ver­lie­ren. Betriebs­be­ding­te Kün­di­gun­gen schließt das Manage­ment dabei aus­drück­lich nicht aus.

Zum Hin­ter­grund: Die Geschäfts­lei­tung gab Ende Janu­ar 2021 bekannt, dass sie den wesent­li­chen Teil der Pro­duk­ti­on von Ein­la­gevlies­stof­fen für die Beklei­dungs­in­dus­trie bis Ende 2022 nach Ita­li­en ver­la­gern und dar­über hin­aus den ver­blei­ben­den Rest mas­siv „umstruk­tu­rie­ren“ will.

Protest gegen Abbau bei Freudenberg in Weinheim, 27. April 2017 (Foto: Avanit²)

Pro­test gegen Abbau bei Freu­den­berg in Wein­heim, 27. April 2017 (Foto: Avanit²)

Zukunfts­per­spek­ti­ven zerstören?
Das Manage­ment „begrün­det“ sein Vor­ha­ben mit „Markt­ver­än­de­run­gen“ in der Beklei­dungs­in­dus­trie, die einen mas­si­ven Umsatz­rück­gang bewirk­ten. Immer mehr Ver­brau­cher wür­den dem Trend zu lege­rer Klei­dung in vie­len Berei­chen des Lebens fol­gen. Die ent­spre­chen­den Klei­dungs­stü­cke wür­den aber nur weni­ge oder gar kei­ne Ein­la­gevlies­stof­fe ent­hal­ten. Die welt­wei­te Coro­na-Pan­de­mie habe die­se Ent­wick­lung noch beschleu­nigt. Des­halb wol­le man sich in Wein­heim künf­tig nur noch auf die Her­stel­lung von Basis­ma­te­ri­al für Ein­la­gen konzentrieren.

Die geplan­te Pro­duk­ti­ons­ver­la­ge­rung im Ver­bund mit dem geplan­ten Weg­fall der über­le­bens­wich­ti­gen Infra­struk­tur und der Dienst­leis­tun­gen dient aus­schließ­lich der Pro­fit­stei­ge­rung. Die geplan­te Rest­be­leg­schaft mit 56 Beschäf­tig­ten wäre nur noch mar­gi­nal. Der Weg­fall zum Bei­spiel der For­schungs- und Ent­wick­lungs- abtei­lung bedeu­tet nicht weni­ger als die Zer­stö­rung von Zukunfts­perpek­ti­ven. Eine Kom­plett­schlie­ßung zu einem spä­te­ren Zeit­punkt wäre dann umso ein­fa­cher möglich.

Noch vor weni­gen Wochen wur­de gegen­über dem Betriebs­rat von einem Abbau von 50 Arbeits­plät­zen gespro­chen. Nun sind es, sozu­sa­gen von heu­te auf mor­gen, 176 Stel­len, die ver­nich­tet wer­den sollen.

Pan­de­mie als Vorwand
Auch wenn die Pan­de­mie zu einem spür­ba­ren Umsatz­ein­bruch führt, dann ist die­ser nur vor­über­ge­hend. Zudem konn­te sich Freu­den­berg in den letz­ten Mona­ten durch Kurz­ar­beit und coro­nabe­grün­de­te Wirt­schafts­hil­fen weit­ge­hend schad­los hal­ten. Klei­der wer­den trotz alle­dem immer gebraucht. Die Pan­de­mie ist nur ein bil­li­ger Vor­wand für die ange­kün­dig­ten Maß­nah­men. Gerin­ge­re Pro­fit­mar­gen sind jeden­falls kein akzep­ta­bler Grund, um jetzt in Wein­heim die Arbeits­plät­ze zu ver­nich­ten. Zumal die Beschäf­tig­ten auch nicht schuld sind an der der­zei­ti­gen Situa­ti­on, und zudem das Unter­neh­men in den letz­ten Jah­ren aus der Arbeit der Beleg­schaft kei­nen klei­nen Pro­fit gezo­gen hat.

Schon seit Jah­ren wur­de kaum oder gar nicht mehr in die bestehen­den Anla­gen inves­tiert, genau so wenig wur­den Inno­va­tio­nen ent­wi­ckelt. Mit dem Argu­ment, dass ein gro­ßer Teil der Anla­gen nicht mehr „wett­be­werbs­fä­hig“ sei, wird jetzt die Pro­duk­ti­ons­ver­la­ge­rung zusätz­lich begrün­det. Für den deso­la­ten Zustand der Pro­duk­ti­on und für feh­len­de Zukunfts­per­spek­ti­ven trägt allein die Geschäfts­lei­tung die Verantwortung.

Hier wird deut­lich, dass die Pan­de­mie tat­säch­lich nicht ursäch­lich ist. Sie dient vor allem als „Argu­ment“, um mehr Akzep­tanz für die geplan­ten Maß­nah­men zu erhal­ten. Es ist die Unter­neh­mens­stra­te­gie von Freu­den­berg, die, wie schon so oft in der Ver­gan­gen­heit, auf Ver­la­ge­rung, Schlie­ßung oder Ver­kauf setzt, wenn die Pro­fit­stei­ge­rung nicht aus­rei­chend erscheint.

Kampf um alle Arbeitsplätze
Was heißt das alles für die Beleg­schaft, den Betriebs­rat und die zustän­di­ge Gewerk­schaft IG BCE?

Betriebs­rat und Gewerk­schaft soll­ten gemein­sam mit der Beleg­schaft einen Akti­ons­plan für ein gemein­sa­mes Vor­ge­hen und für Alter­na­ti­ven zum Kahl­schlag­kon­zept des Kon­zerns ent­wi­ckeln. Die Ein­be­zie­hung der Beschäf­tig­ten in alle Pha­sen des anste­hen­den Kon­flikts wird ent­schei­dend dafür sein, ob es gelingt, den eige­nen For­de­run­gen Gel­tung zu verschaffen.

Neben dem Auf­bau inner­be­trieb­li­cher und außer­be­trieb­li­cher Soli­da­ri­tät sowie der Vor­be­rei­tung gemein­sa­mer öffent­li­cher Aktio­nen gilt es, wei­te­re wich­ti­ge The­men in die Aus­ein­an­der­set­zung zu tra­gen. Zum Bei­spiel die Fra­ge des Erhalts der Arbeits­plät­ze durch Arbeits­zeit­ver­kür­zung bei vol­lem Lohn- und Per­so­nal­aus­gleich. Zum Bei­spiel das Ver­bot von Ent­las­sun­gen. Zum Bei­spiel die For­de­rung nach Offen­le­gung der Bücher des Konzerns.

Freu­den­berg darf nicht aus der gesell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung ent­las­sen wer­den. In Arti­kel 14 Abs. 2 des Grund­ge­set­zes steht: „Eigen­tum ver­pflich­tet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Woh­le der All­ge­mein­heit die­nen.“ Statt der Pro­fit­ma­xi­mie­rung im Sin­ne der Eigen- tümer von Freu­den­berg muss es des­halb um den sozi­al und wirt­schaft­lich not­wen­di­gen Erhalt der Arbeits­plät­ze gehen. Die Exis­tenz der von Arbeits­platz­ver­nich­tung bedroh­ten Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen muss gesi­chert werden.

Nur wer kämpft, kann gewinnen!

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2021
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