GDL erstreikt 35-Stun­den­wo­che bei vol­lem Lohnausgleich

H. S.

Nach einer fünf­mo­na­ti­gen, erbit­tert geführ­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen haben die Gewerk­schaft Deut­scher Loko­mo­tiv­füh­rer (GDL) und die Deut­sche Bahn AG (DB AG) am 26. März 2024 einen Tarif­ab­schluss erzielt, der für Eisen­bah­nerin­nen und Eisen­bah­ner wich­ti­ge Ver­bes­se­run­gen beinhaltet.

GDL-Streik in Mannheim, 11. Januar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

GDL-Streik in Mann­heim, 11. Janu­ar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Gegen alle Wider­stän­de des Bahn­vor­stands und übels­ter media­ler und poli­ti­scher Het­ze ist es der Gewerk­schaft gelun­gen, nicht nur das Haupt­ziel durch­zu­set­zen, die Absen­kung der Arbeits­zeit für Schicht­ar­bei­ten­de und den stu­fen­wei­sen Über­gang in die 35-Stun­den­wo­che bei vol­lem Lohn­aus­gleich, son­dern zudem noch akzep­ta­ble Ent­gelt­er­hö­hun­gen. Auch wenn die 35-Stun­den­wo­che erst in 2029 end­gül­tig erreicht sein wird, ist dies ein gro­ßer Erfolg, der ohne die Streiks nicht erreicht wor­den wäre.

Das sind die zen­tra­len Ver­ein­ba­run­gen des Abschlusses:
• All­ge­mei­ne Erhö­hung der Monats­ent­gelt­ta­bel­len um einen Fest­be­trag in Höhe von 210 Euro zum 1. August 2024 und um wei­te­re 210 Euro zum April 2025.

• Erhö­hung bei Aus­zu­bil­den­den und Stu­die­ren­den zu den glei­chen Zeit­punk­ten hälftig.

• Erhö­hung der dyna­mi­sier­ten Zula­gen um jeweils vier Pro­zent zum 1. August 2024 und zum 1. April 2025

• Zah­lung einer Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie (IAP) in Höhe von 2.850 Euro (Teil­zeit­ar­beit­neh­mer antei­lig) und in Höhe von 1.425 Euro für Aus­zu­bil­den­de und Dual-Studierende.

• Durch­set­zung der Fünf-Tage-Woche mit Begren­zung der ma xima­len Län­ge von Arbeits­pha­sen von bis­her 144 Stun­den auf 120 Stun­den ab 1. Janu­ar 2025.

• Schritt­wei­se Absen­kung der jeweils maß­geb­li­chen Refe­renz­ar beits­zeit um drei Stun­den von 2026 bis 2029 für Schicht­ar­bei­ten­de ohne antei­li­ge Ent­gelt­kür­zung. Es soll aber die Mög­lich­keit geben, mehr Stun­den zu arbei­ten. Wer das möch­te, erhält pro Stun­de 2,7 Pro­zent mehr Entgelt.

• Zuschuss zum Deutsch­land-Ticket von monat­lich 12,25 Euro.

• Kei­ne Aus­wei­tung des Gel­tungs­be­rei­ches der GDL-Tarif­ver­trä­ge auf Infra­GO AG und Regio­Netz Infra­struk­tur GmbH.

• Anpas­sung Beson­de­re Teil­zeit im Alter. Sie wird wei­ter­hin mit dem Ein­stiegs­al­ter von 59 Jah­ren begin­nend fort­ge­schrie­ben. Dabei wird das Arbeits­zeit-Soll auf 1.607 Stun­den fest­ge­legt (Wert der bis­he­ri­gen 81 Pro­zent). Dem­nach sinkt das Arbeits zeit-Soll mit Absen­kung der Arbeits­zeit für Schicht­ar­bei­ter nicht zusätz­lich. Das Zugangs­al­ter bleibt im Jahr 2024 zunächst bei 59 Jah­ren und wird dann in den Fol­ge­jah­ren bis 2030 pro Jahr um ein hal­bes Jahr angehoben.

• Die Lauf­zeit beträgt für die mone­tä­ren Kom­po­nen­ten sowie die Rege­lung zur Fünf-Tage-Woche 26 Mona­te (bis 31. Dezem­ber 2025). Alle wei­te­ren Inhal­te haben eine Lauf­zeit bis zum 31. De zem­ber 2028.

Die GDL konn­te sich mit der For­de­rung, die bestehen­den Tarif­ver­trä­ge für den Netz­be­trieb- und Netz­in­stand­hal­tung zu über­neh­men, noch nicht durch­set­zen. Sie will dies in der kom­men­den Tarif­run­de aber erneut auf die Agen­da setzen.

Aller­dings gelang es der GDL alle Gegen­for­de­run­gen des Bahn­kon­zerns abzu­weh­ren. Dies betrifft unter ande­rem die The­men Arbeit in Arbeits­zy­klen (DB Car­go), Mul­ti­funk­tio­na­les Trans­port­per­so­nal (DB Car­go), Abwer­tung der Wochen­end­ru­hen, Erhö­hung des Dis­po­an­teils in der Monats­pla­nung, Anpas­sun­gen zum Jah­res­schicht­ras­ter­plan, Ver­rech­nung von Min­der- und Über­stun­den, Abfluss von Zeit­gut­ha­ben aus dem Aus­gleichs­kon­to, Liqui­da­ti­on des Fair­ness­Plan e. V.

GDL-Streik in Mannheim, 11. Januar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

GDL-Streik in Mann­heim, 11. Janu­ar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Es lohnt sich zu streiken
Lan­ge sah es so aus, als sei die DB AG zu kei­ner­lei Arbeits­zeit­ver­kür­zung zu bewe­gen, weil sie sich mit der grö­ße­ren Eisen­bahn- und Ver­kehrs­ge­werk­schaft (EVG) ja auch bloß auf eine Gehalts­er­hö­hung ver­stän­digt hatte.

Nun ist es der GDL gelun­gen, die­ses Tabu zu durch­bre­chen. Dass sie auch noch eine zusätz­li­che Lohn­stei­ge­rung um ins­ge­samt 420 Euro brut­to pro Monat raus­ge­holt hat, soll­te der EVG zu den­ken geben, die sich mit nur 410 Euro zufrie­den­ge­ge­ben hat­te – ohne Arbeitszeitverkürzung.

Der GDL-Abschluss beweist trotz eini­ger Zuge­ständ­nis­se, dass es sich lohnt, sich nicht unter­krie­gen zu las­sen und zu kämp­fen. Ande­re Gewerk­schaf­ten, für die der Begriff Erzwin­gungs­streik ein Fremd­wort ist, müss­ten davon sehr viel ler­nen können.

Dass nun die DB AG so tut, als hät­te sie der GDL unheim­lich viel abge­run­gen, weil der Tarif­ab­schluss auch Abwei­chun­gen von der Regel­ar­beits­zeit nach oben bis zu einer 40-Stun­den-Woche zulässt, ist allein dem Ver­such der Gesichts­wah­rung geschuldet.

Wenn das Bahn­vor­stands­mit­glied Sei­ler jetzt davon schwärmt, dies gebe den Beschäf­tig­ten „den indi­vi­du­el­len Frei­raum, sich für das zu ent­schei­den, das am bes­ten zu ihnen und ihrer Lebens­pha­se passt“, dann stimmt das zwar – aber zur Wahr­heit gehört, dass die GDL kei­nes­wegs eine „Arbeits­zeit­ver­kür­zung“ gefor­dert hat­te, „die allen zwangs­wei­se über­ge­stülpt wird“, wie Sei­ler unterstellt.

Tat­säch­lich hat die GDL das Modell, das sie jetzt mit der DB ver­ein­bart hat, bereits zuvor mit 29 klei­ne­ren Schie­nen­ver­kehrs­un­ter­neh­men abge­schlos­sen. Die­se Fle­xi­bi­li­tät muss­te ihr also nicht mehr abge­run­gen wer­den. Ent­schei­dend war für die GDL viel­mehr das Ziel der 35 Stun­den pro Woche als Regel­ar­beits­zeit bei vol­lem Lohn­aus­gleich – wovon auch die­je­ni­gen etwas haben, die län­ger arbei­ten wol­len, weil sich die DB das jetzt etwas kos­ten las­sen muss.

In den kom­men­den knapp zwei Jah­ren wer­den die Züge jeden­falls nicht mehr wegen eines Streiks der GDL ver­spä­tet kom­men oder aus­fal­len. Die Ver­spä­tun­gen und Aus­fäl­le sind wie bis­her der maro­den und kaputt gespar­ten Infra­struk­tur, dem kata­stro­pha­len Agie­ren des Bahn-Manage­ments und letzt­lich einer Ver­kehrs­po­li­tik im Inter­es­se der Auto­kon­zer­ne geschuldet.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar April 2024
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