GELBWESTEN“ – Rebel­li­on der Abgehängten?

U. D.

Unter die­sem Titel fand am 31. Janu­ar 2019 in den Räu­men der IG Metall Mann­heim eine Ver­an­stal­tung des Akti­ons­bünd­nis­ses „Wir zah­len nicht für Eure Kri­se!“ statt (unter­stützt durch IG Metall, Attac, IG BCE Wein­heim und Zukunfts­fo­rum Gewerk­schaf­ten Rhein-Neckar). Über 70 Inter­es­sier­te – lei­der auf­fal­lend wenig Jün­ge­re – kamen und sorg­ten für ein mehr als „vol­les Haus“.

Der in Paris arbei­ten­de und leben­de Jurist und Jour­na­list Ber­nard Schmid war als Refe­rent gewon­nen wor­den. Wie von sei­nen Arti­keln gewohnt, stell­te er die „Gelbwesten“-Proteste fak­ten­reich und dif­fe­ren­ziert dar.

Zuerst beschrieb er die Ursa­chen der Bewe­gung. Die auch in den deut­schen Medi­en genann­te Erhö­hung der Treib­stoff­steu­er sei nur der Aus­lö­ser gewe­sen. Vor­an­ge­gan­gen sei die neo­li­be­ra­le Poli­tik des Prä­si­den­ten Macron. Die­se habe den „klei­nen Leu­ten“ immer mehr finan­zi­el­le Las­ten auf­ge­bür­det. Somit habe die Treib­stoff­steu­er ledig­lich das sozia­le Pul­ver­fass gezün­det, das Macron zuvor selbst gefüllt hatte.

Veranstaltung mit Bernard Schmid zur Rebellion der Gelbwesten im Tagunsgraum der Mannheimer IGM, 31. Januar 2019 (Foto: helmut-roos@web.de)

Ver­an­stal­tung mit Ber­nard Schmid zur Rebel­li­on der Gelb­wes­ten im Tagunsg­raum der Mann­hei­mer IGM, 31. Janu­ar 2019 (Foto: helmut-roos@web.de)

Ent­täu­schung über das *herr­schen­de System

Die „Gelb­wes­ten“ sei­en vom herr­schen­den poli­ti­schen Sys­tem tief ent­täuscht. Dar­um wol­len vie­le von Ihnen nichts von „Poli­tik“ und poli­ti­schen Par­tei­en wis­sen. Sie wür­den sich selbst als eine Bewe­gung ver­ste­hen, die mit den staat­li­chen Struk­tu­ren und deren poli­ti­schen Ver­tre­te­rIn­nen nicht zu tun habe. Aber natür­lich wären auch in die­ser Bewe­gung poli­tisch orga­ni­sier­te Men­schen und Grup­pen aktiv, die ver­su­chen, Ein­fluss zu neh­men. Inso­fern fän­den sich inner­halb der „Gelbwesten“-Bewegung auch unter­schied­li­che poli­ti­sche Posi­tio­nen wie­der. Bis­lang sei es aber den Ultra­rech­ten und Faschis­ten nicht gelun­gen, die Mehr­heit die­ser Bewe­gung vor ihren ras­sis­ti­schen und frem­den­feind­li­chen Kar­ren zu spannen.

Sicher hät­te es auch Gewalt der „Gelb­wes­ten“ gege­ben. Aber die weit­aus mas­si­ve­re Gewalt sei von den bru­ta­len Schlä­ger­trupps und Ein­satz­kräf­ten der Poli­zei aus­ge­gan­gen. Es hät­te auf Sei­ten der „Gelb­wes­ten“ bis­lang etwa 2.000 - teil­wei­se durch Ver­lust von Hand und Auge sehr schwer – ver­letz­te Men­schen und sogar Tote gege­ben. Nicht zuletzt set­ze die Poli­zei mas­siv Hart­gum­mi­ge­schos­se, Trä­nen­gas­gra­na­ten und ande­re Waf­fen ein. Meh­re­re Tau­send Demons­tran­ten sei­en bis­her ver­haf­tet und vie­le von ihnen bereits ver­ur­teilt worden.

Zusam­men­ge­hen mit *ande­ren Bewegungen

Inzwi­schen habe es immer wie­der ein Zusam­men­ge­hen ver­schie­de­ner sozia­ler Bewe­gun­gen mit den „Gelb­wes­ten“ gege­ben. So zum Bei­spiel von Tei­len der Gewerk­schaf­ten oder der Ökologiebewegung. 
Wie es mit den Pro­tes­ten wei­ter­ge­he und wel­che Aus­wir­kun­gen sie auf die fran­zö­si­sche Gesell­schaft haben wer­den, kön­ne der­zeit nicht vor­her­ge­sagt wer­den. Aber sicher sei, dass die „Gelb­wes­ten“ eine gro­ße poli­ti­sche Her­aus­for­de­rung für die herr­schen­de Klas­se sei­en. Die nächs­ten Wochen und Mona­te wür­den zei­gen, ob die Rebel­li­on zu einer län­ger­fris­tig poli­tisch insta­bi­len Lage füh­ren könn­te. Dies wür­de den Weg frei machen für wei­te­re Mas­sen­ak­tio­nen der sozia­len Bewegungen.

Eine inten­si­ve Fra­ge- und Dis­kus­si­ons­run­de, in der Ber­nard Schmid immer wie­der mit gro­ßem Detail­wis­sen ant­wor­te­te, setz­te den Schluss­punkt unter einen gelun­ge­nen Abend. Mein per­sön­li­ches Fazit lau­tet: Der Besuch die­ser Ver­an­stal­tung hat sich sehr gelohnt.

Die poli­ti­sche Lin­ke in Deutsch­land darf die „Gelbwesten“-Bewegung nicht den Rech­ten über­las­sen. Als vor­dring­li­che Auf­ga­be soll­te sie jetzt die Soli­da­ri­tät mit den fran­zö­si­schen Pro­tes­ten und den Opfern der staat­li­chen Repres­si­on organisieren.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2019
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