ISO-Infoabend am 28. Oktober 2022
R. G.
Die Frage „,Heißer Herbst‘ oder nur heiße Luft?“ stand im Zentrum des Infoabends der ISO Rhein-Neckar am 28. Oktober 2022. Er beschäftigte sich mit Ursachen und Folgen der Teuerungskrise sowie den Möglichkeiten eines linken Widerstands von unten.
Unser Referent brachte bei seinem Vortrag seine reichen Erfahrungen als langjähriger gewerkschaftlicher und politischer Aktivist sowie als Unterstützer des Mannheimer Aktionsbündnisses „Solidarität statt Preistreiberei!“ ein.
Ausweitung der sozialen Krise
Er begann mit einer Beschreibung der aktuellen sozialen und politischen Situation, um davon ausgehend antikapitalistische Antworten zu entwickeln. Die Teuerung setze sich fort. Die Preise für Lebensmittel und Energie seien massiv gestiegen. Die sozialen Folgen würden immer deutlicher. Der Ukraine-Krieg habe diese Entwicklung sicherlich verstärkt, aber nicht verursacht. Vielmehr seien die Ursachen der Krise das kapitalistische System und bewusste Preistreiberei.
Die Politik der Bundesregierung würde weit hinter den Erfordernissen einer ernsthaften Inflationsbekämpfung zurückbleiben. Die angekündigten Entlastungen nütz- ten vor allem den Wohlhabenden, und die sogenannte Gaspreisbremse käme zu spät. Die Folge sei, dass sozial schlecht Gestellte von der Inflation besonders betroffen seien. Genau diese Entwicklung würden rassistische und faschistische Kräfte, zum Teil mit Erfolg, politisch für sich nutzen.
Versagen der Gewerkschaftsspitzen
Angesichts der sozialen und politischen Herausforderung würden die sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaftsführun- gen versagen. Notwendig wären Reallohnsicherung und ein automatischer Inflationsausgleich. Aber genau dafür fehle die Zielsetzung, der Wille und die Kampfbereitschaft.
Besonders tue sich dabei die IGBCE hervor. Sie habe mit ihrem „friedlichen“ Tarifabschluss nicht nur eine überlange Laufzeit, sondern letztendlich auch Reallohnverlust akzeptiert. Damit sei sie allen Beschäftigten, die sich aktuell in Tarifrunden befinden, tarifpolitisch in den Rücken gefallen.
Angesichts dieser Entwicklung sei es notwendig, aktive Widerstandskerne innerhalb und außerhalb der Betriebe aufzubauen. Dabei müssten die Aktiven ihre Kräfte bündeln und eine gemeinsame soziale, ökologische und antifaschistische Front aufzubauen.
Aktionsorientierte Diskussion
Das Referat war ein toller Impuls für die anschließende Diskussion. Einer ihrer Schwerpunkte war die Einschätzung der aktuellen Gewerkschaftspolitik insbesondere der Industriegewerkschaften. Aufgrund der engen personellen und politi- schen Verflechtungen der Spitzen von DGB, IGBCE, IG Metall und SPD sei davon auszugehen, dass die großen Linien der aktuellen Tarifpolitik „hinter den Kulissen“ abgestimmt worden seien.
Das Ergebnis dieser Gewerkschaftspolitik sei widersprüchlich. Auch wenn viele Beschäftigte kurzfristig mit dem Chemieabschluss zufrieden sein dürften, würde er genau betrachtet zu Reallohnverlust und zu einer weiteren Schwächung der Gewerkschaftsbewegung führen.
Solidarische Bewegung aufbauen
Einen breiten Raum nahm die Frage ein, wie Widerstand aufgebaut und entwickelt werden könne. Dabei wurden auch die bundesweiten Demonstrationen vom 22. Oktober 2022 diskutiert. Diese hätten gezeigt, wie gering die Mobilisierungskraft der sozialen Bewegungen, der Gewerkschaften und der politischen Linken derzeit sei.
Umso wichtiger sei es, überall betriebliche, lokale und regionale Aktionsbündnisse aufzubauen. Nur so könne die Basis für eine breite soziale Bewegung mit linken Inhalten geschaffen werden. Ermutigen könne ein Blick auf internationale Ent- wicklungen. In England und Frankreich sei es gelungen, von der Linken geprägte Bewegungen gegen die Teuerung aufzubauen. In Frankreich würden sich seit Wochen Streiks ausweiten und möglicherweise sogar in einen Generalstreik münden.
Auch wenn die Situation in Deutschland davon noch weit entfernt sei, existierten bereits an vielen Orten Bündnisse, an denen gerade auch junge Aktive beteiligt seien. Dies schaffe die Voraussetzungen für eine Bewegung, die auf die politische und soziale Krise solidarische Antworten formuliert. Und schließlich sei dies das beste Mittel, um die entstandenen Ansätze einer faschistischen Bewegung zurückzudrängen.