Gespräch mit einem Neunjährigen*
In der Corona-Politik werden Kinder und Jugendliche stark vernachlässigt. Von Interesse sind sie für die herrschende Politik nur am Rande: Insbesondere dann, wenn es darum geht, dass ihre Eltern auf der Arbeit voll einsatzfähig sein sollen. Sie werden auf ihre Rolle als Schüler*innen reduziert. Beim Lernen selbst werden sie aber nicht ernsthaft durch entsprechende politische Maßnahmen unterstützt.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass diese Generation noch lange unter ihren Erfahrungen mit und in der Pandemie leiden wird. Gesundheitlich – psychisch und physisch –, aber auch sozial und beruflich. Wir haben mit einem Grundschüler in Heidelberg darüber gesprochen, wie er die Pandemie erlebt.
Erzähl’ uns doch bitte erstmal etwas von Dir.
Ich heiße Rafael, bin 9 Jahre alt und gehe in die 3. Klasse. Ich mache Kempokan. Das ist ein Kampfkunstsport, so ähnlich wie Karate. Ich bin gerne draußen und bewege mich viel.
Was meinst und fühlst Du, wenn Du über die Pandemie nachdenkst?
Dass es plötzlich so eine andere Zeit ist. Ich bin jetzt öfters einsam und gestresst. Mal ist Schule, dann wieder Homeschooling. Ständig ändern sich die Regeln. Das nervt mich und ich weiß nie, wie mein Leben in der nächsten Woche aussieht. Die meiste Zeit gehe ich auch nicht zu päd-aktiv [Nachmittagsbetreuung in der Schule], weil da nur Notbetreuung ist und ich Angst habe, mich anzustecken.
Wie sieht Dein Unterricht in der Pandemie aus? Wie geht es Dir damit?
Am Anfang hatte ich drei Monate lang nur Lernpakete und ganz selten mal 20 Minuten Online-Unterricht. Als die Schule wieder angefangen hat, musste man nur Stoffmasken anziehen, statt OP-Masken oder FFP2. Es hat sich immer wieder geändert. Manchmal war ich nur jede zweite Woche in der Schule und nur 1,5 oder 2 Stunden am Tag. Dann war wieder normaler Unterricht. Ende 2020 gab es gar keine Maskenpflicht, nur für die Lehrkräfte, obwohl die Zahlen gestiegen sind. Dann hatte ich wieder längere Zeit keine Schule, aber fast jeden Tag 45 Minuten Online-Unterricht.
In den letzten Wochen konnte ich in die Notbetreuung gehen. Zu Hause konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich hatte gar keine Lust mehr zu lernen. Am Anfang der Pandemie fand ich es auch blöd, nur zu Hause zu arbeiten. Aber da habe ich auch viel gelernt. Jetzt hat das gar nicht mehr geklappt. Ich hatte das Gefühl, dass ich gar nicht mehr voran komme, und ich hatte Angst, dass ich gar nichts mehr lernen kann. In der Notbetreuung ist das jetzt ein bisschen besser und nach den Pfingstferien soll die Schule wieder normal laufen.
Dein Leben besteht aber nicht nur aus Schule. Wie hat sich Deine Freizeit verändert?
Lange Zeit gab es vom Kempokan nur Videos zum Anschauen, und ich konnte es nur alleine machen. Das habe ich zwar gemacht, aber es hat mir nicht so viel Spaß gemacht. Jetzt ist es besser, weil wir draußen wieder zusammen üben können.
Weil ich im Moment nicht in die Nachmittagsbetreuung gehe, spiele ich oft auf dem Spielplatz mit meinen Freunden Fußball, Fangen oder Verstecken. Das macht mir mehr Spaß als die Betreuung.
Haben sich Deine Freundschaften in der Pandemie verändert?
Ich spiele fast gar nicht mehr mit dem Freund, den ich früher jede Woche getroffen habe. Nur noch mit den Kindern aus der Nachbarschaft. Die kenne ich nicht ganz so gut, und manchmal ist es langweilig oder wir streiten uns. Aber eigentlich habe ich jetzt mehr Freunde als früher, und das ist gut.
Du hast zwei kleine Geschwister. Wie erleben sie die Pandemie?
Mein kleiner Bruder war lange nicht in der Kita. Jetzt geht er wieder, aber das verwirrt ihn. Er geht total gerne in die Kita, aber abends ist er total aufgedreht. Meine kleine Schwester ist erst 10 Monate alt. Sie kann nicht mit so vielen Kindern spielen, aber sie macht zu Hause viele erfinderische Sachen.
Was wünschst du Dir von den Politiker*innen für den Umgang mit der Corona-Pandemie?
Ich hoffe, dass wir nach den Pfingstferien noch eine Maskenpflicht haben, aber ich hoffe, dass bald die Zahlen runtergehen. Eigentlich weiß ich nicht, was ich will. Ich will, dass die Schulen geschlossen werden, damit die Zahlen sinken. Aber ich will auch, dass sie offen sind, weil ich in der Schule besser lernen kann. Und ich hoffe, dass ich bald mal wieder in einen Freizeitpark gehen und andere Ausflüge machen kann.