Kin­der in Coro­na-Zei­ten: Zwi­schen Angst und Hoffnung

Gespräch mit einem Neunjährigen*


In der Coro­na-Poli­tik wer­den Kin­der und Jugend­li­che stark ver­nach­läs­sigt. Von Inter­es­se sind sie für die herr­schen­de Poli­tik nur am Ran­de: Ins­be­son­de­re dann, wenn es dar­um geht, dass ihre Eltern auf der Arbeit voll ein­satz­fä­hig sein sol­len. Sie wer­den auf ihre Rol­le als Schüler*innen redu­ziert. Beim Ler­nen selbst wer­den sie aber nicht ernst­haft durch ent­spre­chen­de poli­ti­sche Maß­nah­men unterstützt.

Bereits jetzt zeich­net sich ab, dass die­se Gene­ra­ti­on noch lan­ge unter ihren Erfah­run­gen mit und in der Pan­de­mie lei­den wird. Gesund­heit­lich – psy­chisch und phy­sisch –, aber auch sozi­al und beruf­lich. Wir haben mit einem Grund­schü­ler in Hei­del­berg dar­über gespro­chen, wie er die Pan­de­mie erlebt.

DGB-Kundgebung am 1. Mai 2021 in Mannheim (Foto:Foto: helmut-roos@web.de)

DGB-Kund­ge­bung am 1. Mai 2021 in Mann­heim (Foto:Foto: helmut-roos@web.de)

Erzähl’ uns doch bit­te erst­mal etwas von Dir.
Ich hei­ße Rafa­el, bin 9 Jah­re alt und gehe in die 3. Klas­se. Ich mache Kem­po­kan. Das ist ein Kampf­kunst­sport, so ähn­lich wie Kara­te. Ich bin ger­ne drau­ßen und bewe­ge mich viel.

Was meinst und fühlst Du, wenn Du über die Pan­de­mie nachdenkst?
Dass es plötz­lich so eine ande­re Zeit ist. Ich bin jetzt öfters ein­sam und gestresst. Mal ist Schu­le, dann wie­der Home­schoo­ling. Stän­dig ändern sich die Regeln. Das nervt mich und ich weiß nie, wie mein Leben in der nächs­ten Woche aus­sieht. Die meis­te Zeit gehe ich auch nicht zu päd-aktiv [Nach­mit­tags­be­treu­ung in der Schu­le], weil da nur Not­be­treu­ung ist und ich Angst habe, mich anzustecken.

Wie sieht Dein Unter­richt in der Pan­de­mie aus? Wie geht es Dir damit?
Am Anfang hat­te ich drei Mona­te lang nur Lern­pa­ke­te und ganz sel­ten mal 20 Minu­ten Online-Unter­richt. Als die Schu­le wie­der ange­fan­gen hat, muss­te man nur Stoff­mas­ken anzie­hen, statt OP-Mas­ken oder FFP2. Es hat sich immer wie­der geän­dert. Manch­mal war ich nur jede zwei­te Woche in der Schu­le und nur 1,5 oder 2 Stun­den am Tag. Dann war wie­der nor­ma­ler Unter­richt. Ende 2020 gab es gar kei­ne Mas­ken­pflicht, nur für die Lehr­kräf­te, obwohl die Zah­len gestie­gen sind. Dann hat­te ich wie­der län­ge­re Zeit kei­ne Schu­le, aber fast jeden Tag 45 Minu­ten Online-Unterricht.

In den letz­ten Wochen konn­te ich in die Not­be­treu­ung gehen. Zu Hau­se konn­te ich mich nicht mehr kon­zen­trie­ren. Ich hat­te gar kei­ne Lust mehr zu ler­nen. Am Anfang der Pan­de­mie fand ich es auch blöd, nur zu Hau­se zu arbei­ten. Aber da habe ich auch viel gelernt. Jetzt hat das gar nicht mehr geklappt. Ich hat­te das Gefühl, dass ich gar nicht mehr vor­an kom­me, und ich hat­te Angst, dass ich gar nichts mehr ler­nen kann. In der Not­be­treu­ung ist das jetzt ein biss­chen bes­ser und nach den Pfingst­fe­ri­en soll die Schu­le wie­der nor­mal laufen.

Dein Leben besteht aber nicht nur aus Schu­le. Wie hat sich Dei­ne Frei­zeit verändert?
Lan­ge Zeit gab es vom Kem­po­kan nur Vide­os zum Anschau­en, und ich konn­te es nur allei­ne machen. Das habe ich zwar gemacht, aber es hat mir nicht so viel Spaß gemacht. Jetzt ist es bes­ser, weil wir drau­ßen wie­der zusam­men üben können.

Weil ich im Moment nicht in die Nach­mit­tags­be­treu­ung gehe, spie­le ich oft auf dem Spiel­platz mit mei­nen Freun­den Fuß­ball, Fan­gen oder Ver­ste­cken. Das macht mir mehr Spaß als die Betreuung.

Haben sich Dei­ne Freund­schaf­ten in der Pan­de­mie verändert?
Ich spie­le fast gar nicht mehr mit dem Freund, den ich frü­her jede Woche getrof­fen habe. Nur noch mit den Kin­dern aus der Nach­bar­schaft. Die ken­ne ich nicht ganz so gut, und manch­mal ist es lang­wei­lig oder wir strei­ten uns. Aber eigent­lich habe ich jetzt mehr Freun­de als frü­her, und das ist gut.

Du hast zwei klei­ne Geschwis­ter. Wie erle­ben sie die Pandemie?
Mein klei­ner Bru­der war lan­ge nicht in der Kita. Jetzt geht er wie­der, aber das ver­wirrt ihn. Er geht total ger­ne in die Kita, aber abends ist er total auf­ge­dreht. Mei­ne klei­ne Schwes­ter ist erst 10 Mona­te alt. Sie kann nicht mit so vie­len Kin­dern spie­len, aber sie macht zu Hau­se vie­le erfin­de­ri­sche Sachen.

Was wünschst du Dir von den Politiker*innen für den Umgang mit der Corona-Pandemie?
Ich hof­fe, dass wir nach den Pfingst­fe­ri­en noch eine Mas­ken­pflicht haben, aber ich hof­fe, dass bald die Zah­len run­ter­ge­hen. Eigent­lich weiß ich nicht, was ich will. Ich will, dass die Schu­len geschlos­sen wer­den, damit die Zah­len sin­ken. Aber ich will auch, dass sie offen sind, weil ich in der Schu­le bes­ser ler­nen kann. Und ich hof­fe, dass ich bald mal wie­der in einen Frei­zeit­park gehen und ande­re Aus­flü­ge machen kann.


*[Das Gespräch wur­de von N. B. am 25. Mai 2021 geführt und aufgezeichnet.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juni 2021
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