Teil I
O. H.
Nach marxistischer Auffassung ist der Kampf zwischen den Klassen, der unterdrückten gegen die unterdrückende und umgekehrt, eine wirksame Triebkraft der Entwicklung jeder Klassengesellschaft. So wie das Bürgertum, die Bourgeoisie, gegen den Feudaladel kämpfte – kämpfen musste – und gewann, weil sie fortschrittlicher war, so muss die arbeitende Klasse, das Proletariat, gegen die Bourgeoisie kämpfen und hat die Möglichkeit, weil es wiederum fortschrittlicher ist als die Bourgeoisie, zu gewinnen.
Die Bourgeoisie kann sich beim Kampf gegen das Proletariat in der bürgerlichen Gesellschaft auf die bürgerliche Staatsgewalt stützen, während der proletarische Klassenkampf gegen die Bourgeoisie einhergeht mit dem Kampf gegen den Staat. Aus diesem Grund kann das Proletariat die existierende Staatsmacht nicht einfach in Besitz nehmen und sie für ihre Zwecke einsetzen.
Der proletarische Klassenkampf tritt nach marxistischer Auffassung in drei Formen auf – als theoretischer, als praktisch-ökonomischer (wirtschaftlicher) und als politischer Kampf. Diese drei Formen müssen jedoch eine Einheit bilden. Sie können nur zum Erfolg führen, wenn sie nicht voneinander getrennt sind.
1. Der theoretische Klassenkampf
Die theoretische Form des Klassenkampfes ist die von Marx und Engels begründete wissenschaftliche Analyse und Kritik des Kapitalismus. Deren Grundlagen sind die historisch-materialistische Geschichts- und Gesellschaftsanalyse sowie die Kritik der politischen Ökonomie.
Der „Marxismus“ ist laut Marx keine Theorie oder Philosophie, um die Welt zu interpretieren. Marx‘ Geschichtsauffassung versteht und erklärt die Gesellschaft durch Klasseninteressen und Klassengegensätze. Der Klassenkampf findet faktisch immer statt, wird aber durch den von der Gesellschaft abgehobenen Staat als offener Kampf unterdrückt und in gesetzliche und politische Formen gezwungen.
Die Form einer Gesellschaft entspricht den ihr zugrunde liegenden ökonomischen Bedingungen. Entscheidende Grundlage der Ökonomie ist die Form des Eigentums an den Produktionsmitteln.
Nach marxistischer Auffassung hat das Proletariat als Klasse die Aufgabe, durch den Klassenkampf den Kapitalismus und das Privateigentum an den Produktionsmitteln zu überwinden. Dadurch kann nach Marx die gesellschaftliche Bedingung für die Existenz von Klassen wegfallen.
Auf dem Weg zu einer klassenlosen Gesellschaft und einer bedürfnisorientierten Wirtschaft muss das Proletariat ein Bewusstsein als Klasse erlangen. Es muss sich von einer (aufgrund der Lohnarbeit objektiv existierenden) Klasse an sich, zu einer Klasse für sich (mit politischem Klassenbewusstsein) wandeln. Erst dann kann sie zum geschichtlich wirksamen Akteur werden.
Ziel der sozialistischen Bewegung ist die solidarische Gesellschaft, eine Gesellschaft ohne Klassen und ohne Privateigentum an den Produktionsmitteln.
Marx und Engels sahen die Schaffung einer proletarischen Partei, die demokratisch organisiert und kollektiv handlungsfähig ist, als wesentlich an. Sie ist eine zentrale Voraussetzung, um die politische Macht der arbeitenden Klasse in der bürgerlichen Gesellschaft stärken zu können. Ohne sie kann die Herrschaft des Kapitals letztlich nicht überwunden und gebrochen werden.
[Fortsetzung folgt.]