ISO-Infoabend am 25. November 2022
R. G.
Der Infoabend der ISO Rhein-Neckar am 25. November 2022 setzte sich erneut mit der Teuerung auseinander. Schließlich lag die Inflationsrate im Oktober erneut über 10 Prozent. Eine Besserung ist nicht in Sicht, und immer mehr Menschen geraten in Not.
Unserem Referenten gelang es, zum Thema konzertierte Aktion einen aktuellen und zugleich geschichtlichen Bogen zu spannen. Zu Beginn ging er kurz auf die offizielle Inflationsberechnung ein. Danach blickte er zurück auf die erste konzertierte Aktion der 1960er Jahre, um schließlich die aktuelle Gewerkschaftspolitik zu beleuchten.
Inflationsrate und reale Teuerung
Zuerst stellte er die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Inflationsrate und deren Unzulänglichkeiten dar. So täusche der sogenannte Warenkorb vor, dass alle Menschen gleich betroffen seien. Dabei wären ärmere Menschen durch die Teuerung von Lebensmitteln und Energie viel stärker belastet als Reiche.
Eine weitere wichtige Zahl sei der sogenannte Verbraucherpreisindex. Dieser vergleiche den Anstieg der Preise seit dem Jahr 2015. Aktuell betrage er mehr als 20 Prozent. Die reale Kauf-kraft der allermeisten Menschen sei aber in diesem Zeitraum nicht entsprechend gestiegen.
Widersprüchliche Gewerkschaften
Die erste konzertierte Aktion von 1967 sollte die damalige Wirtschaftskrise „gemeinschaftlich“ durch Regierung, Kapital und Gewerkschaften überwinden. Ab den 1990er Jahren habe es mehrere Versuche gegeben, „Bündnisse für Arbeit“ zu bilden, zuletzt 2014 das „Bündnis Zukunft der Industrie“.
Mit der aktuellen konzertierten Aktion wollten die Herrschenden angesichts der Inflation erneut eine „gemeinschaftliche“ Krisenbewältigung. Die Gewerkschaftsführungen hätten sich darauf „sozialpartnerschaftlich“ und bereitwillig eingelassen.
Am deutlichsten werde dies bei der IGBCE. Sie trete für gute Rahmenbedingungen für die chemische Industrie ein, weil sie glaube, nur so Arbeitsplätze erhalten zu können. Deswegen fordere die IGBCE-Spitze bezahlbare Energie und staatliche Hilfe für Unternehmen. Darum sei sie auch zu niedrigen Lohnabschlüssen bereit.
Auf der anderen Seite müsse sie aber auch die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Mit der Nutzung der steuerfreien Einmalzahlungen sei ihr das tarifpolitisch gelungen. Die meisten Beschäftigten würden mit dem Tarifabschluss kurzfristig ihre Kaufkraft ansatzweise gesichert sehen. Sie seien angesichts von Krieg und Krise sowie ihrer fehlender Kampferfahrung damit zufrieden.
Kritische Diskussion
In der anschließenden Diskussion wurden einzelne Themen vertieft. Ein Beitrag erläuterte, warum das Wort Inflation durch Preistreiberei ersetzt werden müsste. Schließlich seien Preiserhöhungen kein Naturgesetz, sondern eine bewusste Entscheidung der Unternehmen, um ihre Profite zu sichern.
Im weiteren Verlauf ging es auch um die aktuelle Tarifpolitik der Gewerkschaften. Die jüngsten Tarifabschlüsse in der Chemie- und der Metallindustrie seien nahezu identisch und würden vor allem den Unternehmen nutzen. Beide hätte eine lange Laufzeit, würden Reallohnverlust akzeptieren und seien durch die steuerfreien Einmalzahlungen geschönt worden.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Diskussion war, dass man die Teuerung nicht isoliert sehen dürfe. Sie stehe im Zusammenhang mit der Krise des kapitalistischen Systems und mit den Versuchen, das politische Rad zum Beispiel bei Rüstung und Atomkraft zurückzudrehen.
Aktiv gegen Kapital und Faschisten
Zum Schluss ging es um die Frage, wie aktuell Gegenwehr entwickelt werden könne. Ein Hemmnis sei sicherlich die wirtschaftsorientierte Burgfriedens- und Verzichtspolitik der Ge- werkschaftsspitzen. Genauso schwer wiege die weitgehende Lähmung der arbeitenden Klasse. Hinzu komme noch die fehlende Anziehungskraft der politischen Linken. Dieser gelänge es zudem nicht, ihre Zersplitterung zu überwinden und gemeinsam eine solidarische Bewegung gegen Preistreiberei aufzubauen.
Diese Gemengelage schaffe den Freiraum für das Entstehen einer faschistischen Massenbewegung. Umso wichtiger sei es darum, sich an Bündnissen und Aktionen der solidarischen Gegenwehr gegen Preistreiberei zu beteiligen. In Mannheim könne man dies im Aktionsbündnis „Solidarität statt Preistreiberei!“ und bei den anstehenden Aktionen am 6. Dezember tun.
Auch dieser ISO-Infoabend konnte wieder sehr gut Information, Diskussion und Praxis miteinander verbinden. Gerade deswegen sind diese Abende lohnend und nützlich für das politische Engagement.